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BRAUNSCHWEIG: SAUL von G.F.Händel. Szenische Aufführung

24.03.2013 | KRITIKEN, Oper

Szenische Aufführung eines Oratoriums in Braunschweig: „Saul“ von Georg Friedrich Händel (Vorstellung: 23. 3. 2013)


Foto: Staatstheater Braunschweig

 Immer öfter werden Händels Oratorien szenisch aufgeführt. Diesmal zeigte das Staatstheater Braunschweig sein Oratorium „Saul“, das im Jahr 1739 in London uraufgeführt wurde und heute zu den besten Opern Händels zählt, in einer szenischen Aufführung (in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln). Damit knüpft Braunschweig an eine alte Tradition an, war doch die Stadt schon im 18. Jahrhundert richtungsweisend bei der Präsentation der neuesten Werke Händels. Zahlreiche Opern von ihm wurden bereits kurz nach ihrer Uraufführung in London im Herzoglichen Hoftheater am Hagenmarkt – oft als deutsche Erstaufführung – gezeigt.

 Der Inhalt von „Saul“, dessen Libretto Charles Jennens verfasste und das in Israel zu biblischer Zeit spielt, in Kurzfassung: Die Menschen feiern den Sieg Davids gegen Goliath, nur König Saul ist eifersüchtig auf den jungen Helden, da er dessen Ruhm beim Volk fürchtet. Sein Hass steigert sich zu einem selbstzerstörerischen Wahn. Mehrfach beschließt Saul, David zu töten und scheut auch nicht davor zurück, seinen eigenen Sohn Jonathan auf dessen Leben anzusetzen. Saul lässt selbst dann nicht von seiner todbringenden Missgunst ab, als er bemerkt, dass Gott ihn verlassen hat und ihm durch die Hexe von Endor der eigene Untergang prophezeit wird. Nach Sauls Tod feiern die Israeliten David als neuen König.

 Uwe Schwarz übernahm kurz vor Probenbeginn die Regie, da Elisabeth Stöppler aus Krankheitsgründen absagen musste, wobei er seine Inszenierung des Oratoriums nach ihrem vorliegenden Konzept gestaltete. Im ersten der drei Akte bekam man allerdings das Gefühl, eine konzertante Aufführung zu erleben. Der Chor sang auf einer hohen Treppe, die die gesamte Bühne (Bühnenbild: Hermann Feuchter) einnahm, während die Sängerinnen und Sänger in eleganten Gewändern davor agierten und meist vom Blatt sangen. Der Darsteller des Saul saß in einem Rollstuhl. Waren früher die Koffer- und Treppen-Inszenierungen in Mode, sind zurzeit immer häufiger Irrenhäuser und Rollstühle der „letzte Schrei“ der Damen und Herren Regisseure.

 Im zweiten Akt verschwand zwar nicht die Treppe, dafür agierten die Darsteller in prunken Barockgewändern (Kostüme: Nicole Pleuler). David tauschte die Steinschleuder gegen ein Schwert, legte ein Kettenhemd an und setzte eine Pickelhaube auf. Des Öfteren gab es Szenen, die vom Publikum mit Kopfschütteln quittiert wurden, wie beispielsweise, als die Chormitglieder, die das Volk zu spielen hatten, einander den abgeschlagenen Kopf des Riesen Goliath zuwarfen.

 Als gelungen kann der letzte Akt bezeichnet werden. Die Trauerfeier für Saul und die abschließende Huldigung des neuen Königs David war nicht nur musikalisch erstklassig, sondern auch szenisch eindrucksvoll umgesetzt.

 In der Titelrolle war der junge bulgarische Bassist Rossen Krastev, der als greisenhafter König Saul ständig im Rollstuhl sitzen oder auf Krücken humpeln musste, zu bedauern. Dennoch bewältigte er stimmlich wie darstellerisch seinen Part gut, spielte er doch den selbstzerstörerischen Hass auf David sehr glaubhaft. Als David war Benno Schachtner, der beim XVIII. Internationalen Bachwettbewerb Leipzig als erster Countertenor in der Geschichte des Wettbewerbs im Fach Gesang ausgezeichnet wurde, hervorragend. Er füllte seine Rolle mit seiner schmiegsamen und wunderbar klingenden Stimme glänzend aus und bot auch in der Darstellung des Helden eine reife Leistung.

 Da die russische Sängerin Ekaterina Kudryavtseva erkrankte, musste kurzfristig die Rolle von Sauls ältester Tochter Merab umbesetzt werden: Als Gast sprang die schwedisch-deutsche Sopranistin Inga-Britt Andersson ein, die seitlich des Orchestergrabens mit wohlklingender und höhensicherer Stimme vom Blatt sang, während Natalie Schramm die Rolle im 2. und 3. Akt szenisch übernahm. Sauls jüngere Tochter Michal, die von ihrem Vater mit David vermählt wird, wurde an diesem Abend von der deutschen Sopranistin Simone Lichtenstein dargestellt. Der deutsche Tenor Tobias Haaks gab Sauls Sohn Jonathan, der David in homoerotischer Freundschaft verbunden ist, mit lyrischem Timbre in der Stimme und subtilem Spiel.

 Den Hohepriester, der Saul tötet und damit zum „Königsmörder und Königsmacher von Gottes Gnaden“ wird, wie es der Dramaturg Christian Steinbock in seinem Artikel „Ein Oratorium ohne Happy End“ im informativ gestalteten Programmheft trefflich formuliert, spielte der koreanische Bassbariton Michael Ha der Rolle entsprechend recht verschlagen. Stimmgewaltig und ausdrucksstark agierte der Chor, der das israelitische Volk darzustellen hatte (Einstudierung: Georg Menskes). Das Staatsorchester Braunschweig, das gewiss nicht allzu oft mit der Partitur eines Barockwerks konfrontiert wird, konnte unter der einfühlsamen Leitung des britischen Dirigenten Nicholas Kok die in die Musiker gesetzten Erwartungen mehr als nur erfüllen.

 Das Publikum belohnte am Schluss des knapp dreistündigen Werks alle Mitwirkenden mit lang anhaltendem Applaus und den Countertenor Benno Schachtner mit einigen Bravo-Rufen.

 Udo Pacolt, Wien – München

 

 

 

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