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BRATISLAVA – Neues Opernhaus: LA BOHÈME Premiere in Konwitschny-Regie

01.02.2014 | KRITIKEN, Oper

Bratislava  Neues Opernhaus
LA BOHÈME
31.1.2014  Premiere 1

 

Regie ist immer ein Hochseilakt

Regie ist immer ein Hochseilakt

Wer hat Angst vor Peter Konwitschny?

Was immer man in den Vorankündigungen oder Programmen zu lesen bekommt, von “Vorbedingungen an psychologischer Genauigkeit”, von “Behauptung der großen Dimension im Stück, die durch Inszenierungstradition unkenntlich geworden ist”, von “Verzahntheit von Eros und Tod”, von “erregenden gesellschaftlichen Einsichten”. Man sollte “Süße und Albernheit vermeiden”, auch “darstellerische Unschärfe unbedarfter Interpretation”… ohne der “Spur von Nöten, der permanenten Existenzgefährdung, der Bitternis, der Härte und ironisch bösen Schärfe und auch bodenlosen emotionalen Höhenflüge der Bohèmiens”.

Schöne Worte des Regiegurus, man bekommt sofort die Befürchtung, dass wieder ein Stück gegen die Wand gefahren wird und dann diese glänzende, wie in edles Weihnachtspapier verpackte und theatralisch so phantasievolle Inszenierung von Peter Konwitschny. Sie ergibt in ihrer feinen, artifiziellen Ästhetik, ihrer sehenswerten Personenführung und in der Ausstattung von Johannes Leiacker, die einmal mit der goldglänzenden und mit goldbesterntem Himmel gezierten Aussicht auf Paris und dann wieder mit der heftig verschneiten Zollschranke aufwartet, beinahe so etwas wie kulinarisches Regietheater vom Feinsten.

Mit wenigen Versatzstücken und einem besonderen Focus auf die Handelnden, auf deren “kommunikative Ebene”, versteht es der Regisseur mit zurückgenommener Bewegung der Akteure Raum zu geben für die Nonverbale und – besonders auffallend – auf die gesungene Kommunikation. Und wenn etwa Rodolfo aus seiner Arie im 1. Bild “heraustritt” an die Rampe, um dort die hochtönende Kulinarik ganz dem Publikum zu “schenken”, dann lautet die Botschaft: Da, hört zu, genießt diese Minute, aber vergesst nicht die trostlose Story, die dahinter steckt. Er gibt dem Publikum was des Publikums und Puccini was Puccinis ist!

Remidemmi im Café Momus vor und hinter dem Orchestergraben

Remidemmi im Café Momus vor und hinter dem Orchestergraben

Die Bühne zieht sich mit einer, den Orchestergraben umgebenden Rampe in den Zuschauerraum, auf welcher sich die köstlichen Turbulenzen des Cafe Momus abspielen. Schon die Barrière d´Enfer wird nur mehr von einem, von Straßenlampen schummrig beleuchteten Schneefall dargestellt, langsam zog im Hintergrund auch ein Leichenkarren vorbei, als es ans Abschiednehmen ging. Das letzte Bild besteht nur mehr aus beschneiter, ansonsten leerer Spielfläche. Mimi stirbt einsam, die anderen gehen in den Hintergrund ab: Eine ganz hervorragend gespielte Szene mit entsprechender Wirkung im nach und nach beleuchteten Auditorium, einer Wirkung, die erst nach entsprechender und vom Dirigenten durch Handzeichen erbetener Stille in den Applaus übergeht.

Der Tod ist immer dabei

Abschied. Der Tod ist immer dabei: im Hintergrund der Leichenwagen in der Barrière dÉnfer

Mit der Slowakin Katarina Juhásová-Stúrová und dem Koreaner Kyungho Kim von der Staatsoper Berlin war das Liebespaar mit jungen lyrischen Stimmen besetzt. Sie ließ den Kantilenen ab dem zweiten Bild freien Lauf und starb, wie ja eigentlich alle Mimis, ungemein berührend – da kann ja, wenn stimmlich alles passt nichts schief gehen. Und ihrem Rodolfo war diese Mimi zu gönnen, sang er sich doch mit einigem Schmelz und gelungenem hohen C in aller Herz.

Die anderen waren alle stimmig besetzt, Pavol Remnár als eifersüchtiger Marcello, Daniel Capkovic als Schaunard, Josef Benci, der als Colline eine schönes Mantel-Arioso ablieferte und die köstliche und schrille Jana Bernáthová als Musette. Ihr Liebhaber war der großzügig und humorvoll sich gebende Ján Galla, der die Rechnungen im Café Momus mit amüsierter Geste beglich.

Friedrich Haider dirigierte zügig aber dynamisch auffallend zurückhaltend Orchester und Chor des SND, letztlich auch durch den tieferliegenden Orchestergraben gedämpft, wurden die Stimmen nicht zugedeckt und waren gut zu hören.

Fazit: Hinfahren und anschauen, wie Konwitschny auf Zeffirelli macht

Peter Skorepa
MERKEROnline
Fotos: SND/Josef Barinka

 

 

 

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