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BRATISLAVA Neues Opernhaus: Charles Gounod ROMEO ET JULIETTE

09.01.2016 | KRITIKEN, Oper
Lubica Vargicová als Juliette

Lubica Vargicová als Juliette und Tomás Juhas als Romeo

Bratislava Neues Opernhaus
Charles Gounod “ROMÉO ET JULIETTE”
8.Jänner 2016

 

Wer ungefähr 60 Kilometer von Wien weg Richtung Osten fährt bekommt die nächstliegende Gelegenheit, in einem fremden Opernhaus das zu sein, was seit einiger Zeit als ein Hassobjekt in diversen Foren oder Beiträgen bei uns gehandelt wird, nämlich ein Tourist. Was die Herrschaften aber alle dabei übersehen ist die Tatsache, dass ohne diese so hochnäsig und abwertend hingestellten Besucher die Häuser sowohl bei uns, als auch überall im Ausland beträchtliche Lücken in ihren gepolsterten Sitzreihen aufzuweisen hätten.

Und sind einmal keine Busladungen aus dem nahen Österreich zu sehen, dann sind eben im Zuschauerraum des schönen Neuen Opernhauses noch viele freie Plätze auszunehmen.

Das Neue Opernhaus ist optisch und hinsichtlich der Sichtverhältnisse tatsächlich ein gelungener Bau, mit einem Saal für Opernaufführungen für 861 Besucher, die teuersten Plätze bewegen sich um die 30 Euro und derzeit gibt es Aktionen, bei der man beim Kauf einer Karte die zweite gratis dazu bekommt! Da kommt natürlich Freude auf, wenn man damit an der Kassa überrascht wird und zwei Karten beinahe um den Preis einer Kinokarte erstehen kann.

Und das auf bequemen Polsterstühlen in einem amphitheatermäßigen Zuschauerraum mit rundum herrlicher Sicht auf die Bühne, also Theater, wie es sein sollte! Da kann man dem vor wenigen Tagen erst verstorbenen Pierre Boulez nur zustimmen zu dessen Forderung nach Abriss der alten Opernhäuser. (Er muß wahrscheinlich einmal einen schlechten Platz erwischt haben). Damit sind auch alle Probleme, die so ein alter Logenbau mit jenen Inszenierungen hat, deren Bühnengeschehen sich stark seitlich ausbreitet, obsolet.

Wo ist da nun der Haken? Denn qualitativ liegt das musikalische und inszenatorische Niveau immerhin weit über der Volksoper in Wien, die Sängerauswahl allerdings bleibt fast ausschließlich auf heimische Sänger beschränkt, die größeren Rollen werden alternierend von zwei bis drei Sängern einstudiert wobei alle Werke in der Originalsprache gegeben werden.

So gibt es fast immer Doppelpremieren, jeder Hauptdarsteller ist einmal angesetzt und dieses neuinszenierte Stück wird dann in den nächsten Jahren auf den Spielplan gesetzt: aber in der Regel nur einmal je Monat. Anders als im Wiener Repertoiresystem mit den verschiedenen Serien bekommen die Künstler jeweils nur einmal die Chance sich in Form zu präsentieren, dann ist wieder eine längere Pause angesetzt.

In dieser Monotonie liegt daher die geringere Anziehungskraft dieses Systems für unsere Ohren, für die der ständige Wechsel mit Ensemble-oder Gastsängern – und wenn wir Glück haben – auch mit Spitzensängern der ersten Wahl – stattfindet.

Diesmal also Gounods “Roméo und Juliette”, in deren Mittelpunkt eine Sängerin stand, die immerhin schon in der Ära Holender an der Wiener Staatsoper gesungen hat. Sechs Mal war sie in “La Sonnambula” die Amina und zwei Mal die Gilda in den Jahren 2001 bis 2006. Lubica Vargicová, optisch und stimmlich zu einer begehrenswerten Frau gereift, die trotzdem dem jungen Mädchen an schwärmerischem Gesang, aber erst recht dem erforderlichen Legato in den Gesangsbögen der Duette und dem tragischen Ton in der Todesszene nichts schuldig bleiben musste. In der nicht minder anspruchsvollen Partie des Roméo war Tomás Juhás angesetzt, auch er optisch nicht mehr in jenem Alter, welches der shakespearschen Figur entspräche. Aber wo bekommt man schon Sänger her die mit schlanker Juvenilität, aber gleichzeitig mit kräftigem Spinto ausgestattet sind. Und wenn man von den nur angetippten extremen Spitzentönen und einem Mangel an stimmlichen Schmelz – der erst bei der Sterbeszene zu hören war – absieht, bot er darstellerisch und gesanglich gutes Durchhaltevermögen.

Aus dem übrigen Personal ist noch besonders Monika Fabianová zu erwähnen, die mit virilem Mezzo, tollen Höhen und lebhaftem Spiel einen bejubelten Stéphano auf die Bühne stellte. Eine Sängerin, die eine Entdeckung wert wäre.

Rastislav Stúr leitete das Orchester des Hauses und den von Pavel Prochazka einstudierten Chor. Die Inszenierung von Diego de Brega war von bemerkenswerter aber wirksamer Einfachheit, zwischen Rauchentwicklungen und Lichteffekten und zweier verschiebbarer Wände spielte sich die Bewegungsregie der Figuren und des Chores besonders in den Kampfszenen, besonders im zweiten Teil, sehenswert ab.

Siehe dazu die Premierenkritik vom März 2015

 

Peter Skorepa
MerkerOnline

Der Autor entschuldigt sich pauschal für die nicht oder falsch gesetzten Schriftzeichen, die sein Schreibprogramm leider nicht enthält.
Fotos.:Jozef Barinka/Slowakisches Nationaltheater

 

 

 

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