BRANDON JOVANOVICH
„Musik ist ein Teil meiner Seele“
Der amerikanische Tenor Brandon Jovanovich war bisher kein Stammgast an der Wiener Staatsoper, aber das wird sich ändern. Nach dem Enée in der Premiere von Berlioz’ „Die Trojaner“ ist er in dieser Spielzeit noch als Prinz in „Rusalka“ und als Florestan im Haus am Ring zu hören.
Von Renate Wagner
Herr Jovanovich, Sie haben im Moment Ihre Österreich-Zeit. Konnten Sie eigentlich zwischen dem Ende der Salzburger Festspiele und der Arbeit an der Wiener Staatsoper nach Hause fliegen?
Keine Spur, ich hatte gerade einen ruhigen Tag. Wobei die Arbeit in Salzburg doch recht anstrengend war. Es war mein erster Hermann in der „Pique Dame“, und wenn man mit einer Rolle noch keine Erfahrung hat, ist es einfach schwerer. Auch war Regisseur Hans Neuenfels zweifellos ein Erlebnis, ein Mann, der dauernd unter Hochspannung stand und es auf das Ensemble übertragen hat… Ich hoffe, mein nächster Hermann, den ich in Chicago singen werde, wird entspannter.
Apropos Chicago, da haben Sie auch ihren ersten Enée in „Les Troyens“ gesungen, also ist die Arbeit in Wien nicht ganz so stressig?
Ja, ich mag auch diese Rolle sehr, diese Idee eines Helden, dessen Schicksal gewissermaßen von den Göttern bestimmt ist, was dann am Ende zu der ungemein tragischen Situation führt, dass er Dido verlassen muss, obwohl er sie liebt und das absolut nicht will – und das nach dem phantastischen Liebesduett! Ja, und schließlich ist auch die Musik von Berlioz einfach herrlich (gorgeous).
Kennen Sie Ihre beiden berühmten Partnerinnen?
Anna Caterina Antonacci habe ich bisher nur auf der Bühne bewundert, aber das Wiedersehen mit Joyce DiDonato war schön, unsere Bekanntschaft reicht fast zwanzig Jahre zurück, als wir beide jung waren und in der Ladislov Chautauqua Opera in „Two Widows“ von Smetana gesungen haben. Unsere Wege sind dann in ganz andere Richtung gegangen, aber es ist doch schön, dass man sich nach so langer Zeit wieder trifft, wo sie ein so großer Star geworden ist.
Wie ist das eigentlich mit der Wiener Staatsoper? Sie singen ja nun schon die längste Zeit an den ersten Häusern, aber hier haben wir Sie in den beiden letzten Jahren gerade zweimal kurz gehört, einmal in „Carmen“ und einmal in „Lady Macbeth von Mzensk“. Und in dieser Spielzeit gibt es nicht nur eine Premiere, sondern auch noch den „Rusalka“-Prinzen und den „Fidelio“-Florestan. Geschehen noch Zeichen und Wunder?
Ehrlich gestanden kann es auch daran liegen, dass ich vor ein paar Jahren den Agenten gewechselt habe. Früher hat mich der Don José, den ich auch in Wien gesungen habe, mehr oder minder von einem Haus zum anderen getragen, aber es liegt schon sehr an den Agenten, wo man engagiert wird.
Sie haben Ihre Karriere gewissermaßen als „Gilbert & Sullivan“-Sänger begonnen. Schadet das nicht der Reputation, wenn man eigentlich Opernsänger werden will?
So war es bei mir gar nicht. Ich wollte ursprünglich zum Musical, aber dort meinte man immer, die Stimme sei zu groß, ich sollte etwas anderes versuchen. Es gab ein „Young Artist Program“ für die Santa Fe Oper, ich sang die drei Arien vor, die ich damals konnte – aus Boheme, Carmen und Fedora – und wurde genommen. Und so ging es langsam weiter – kleinere amerikanische Häuser, dann kleinere Häuser in Frankreich, dann 2004 der Hoffmann an der Scala, San Francisco, Glyndebourne, München, die Met, Chicago, Zürich, Berlin, London, Salzburger Festspiele… Wien zuletzt.
2007 haben Sie als Cavaradossi in Österreich debutiert, und zwar in jener „Tosca“_Produktion bei den Bregenzer Festspielen, die dann auch in dem James-Bond-Film „Quantum of Solace“ vorkam. Wie haben Sie das erlebt?
Wir waren alle unglaublich aufgeregt, ich sah mich schon inmitten der Filmcrew und schöner Bond-Girls, und von den zehn Szenen, die auf der Bühne gedreht wurden, sollte ich in dreien drinnen sein. Was soll ich sagen – genau diese wurden im Endeffekt weggeschnitten, und was von mir geblieben ist, ist ein einziger Schrei im Hintergrund… Im übrigen habe ich wie alle, die am Bodensee aufgetreten sind, die Tücken der Seebühne erlebt, wenn Windböen und Regen kommen und man in der Hoffnung „das dauert nicht lange“ auf der Bühne ausharren muss, bevor man ins Haus transferiert wird. Aber es war jedenfalls eine tolle Inszenierung, ein tolles Bühnenbild und eine tolle Erfahrung.
Um auf Ihr vielfältiges Repertoire zurück zu kommen – Sie singen in so vielen Sprachen, auch Tschechisch und Russisch, wie schwer fällt Ihnen das?
Ich kann ziemlich gut von einer Sprache in die andere springen, ich mag das sogar, ich singe ja jetzt öfter den Prinzen in „Rusalka“, früher in Chicago mit Ana María Martínez und an der Met mit Kristina Opolais, dann demnächst in Wien mit Camilla Nylund und noch in San Francisco mit Rachel Willis-Sørensen. Ich mag an den slawischen Partien die Herausforderung, erst lernt man die Rolle phonetisch und musikalisch, und wenn man sie fest in der Kehle hat, nimmt man sich den Text her, dass man die Details versteht.
Auf Deutsch erweitern Sie ja neben dem Bacchus kontinuierlich Ihr Wagner-Repertoire.
Ja, ich habe im San Francisco-„Ring“ mit Froh und Siegmund begonnen, und besonders Siegmund ist eine wunderbare Rolle, wenn man die Kraft dafür hat, die Musik des ersten Aktes ist einfach sinnlich, geradezu sexy, und ich denke, das suchen Menschen ja auch in der Oper, diese überströmenden Emotionen. Ich habe dann auch den Lohengrin und den Stolzing gesungen und gehe 2019 in Berlin auf den „Parsifal“ zu – allerdings an der Deutschen Oper, in der Stölzl-Inszenierung und mit Donald Runnicles. Den „Tristan“ hat man mir angeboten, aber da lasse ich mir noch ein paar Jahre Zeit.
Und die Siegfriede, vielleicht bei Alain Altingolu in vier, fünf Jahren in Brüssel?
Ja, warum nicht, gefragt hat er mich schon.
Wenn man Ihr Repertoire überblickt, fällt auf, dass Sie durchaus Puccini singen – in München wartet die „Fanciulla del West“ auf Sie -, aber absolut kein Verdi-Mann sind. In einer noch nicht ganz zwanzigjährigen Opernkarriere haben Sie einmal den Macduff und einmal, in Houston, den Don Carlos gesungen…
Ja, aber ich habe den Otello vor, das wird neben dem Samson in den nächsten Jahren meine wichtigste neue Rolle sein. Und er ist dann auch darstellerisch eine besondere Herausforderung, glaubhaft zu machen, dass so ein mächtiger, erfolgreicher Mann in ein solches emotionales Chaos getrieben werden kann, dass er seine geliebte Frau ermordet.
Herr Jovanovich, Sie sind ein Künstler in unserer Zeit. Wie sehr fühlen Sie sich verpflichtet, in den Sozialen Medien aufzuscheinen?
Ich weiß, dass es heutzutage nicht mehr „ohne“ geht, aber ich bin nicht sehr gut darin, hier immer neue Nachrichten einzufüttern. Schließlich gehöre ich zu der Generation, die noch nicht damit aufgewachsen ist – wie meine Kinder, die heute 17. 15 und 13 Jahre alt sind, ihr Smartphone immer bei der Hand haben, aber hoffentlich noch nicht süchtig sind. Aber wenn ich mich einige Zeit nicht im Netz melde, dann kommen meine Fans und fragen, was es Neues gibt, und dann weiß ich, dass ich ihnen das schuldig bin und dieser Entwicklung nicht entkomme – in der Hoffnung, dass sie sich einmal zurückfährt und gewissermaßen normalisiert. Ich glaube, dass ein Pendel in verschiedene Richtungen ausschlägt, und wenn wir jetzt am Höhepunkt sind, geht es vielleicht wieder hinunter?
Wenn Sie zuhause sind, selten genug, bei Ihrer Frau und den Kindern auf einer Farm in der Nähe von Chicago – was machen Sie da?
Da bin ich ein ganz normaler Ehemann und auch Bauer, wir haben mehr als 30 Hühner und andere Tiere. Außerdem tu ich dann, was jeder Mann in der Familie macht, ich kümmere mich um den Umbau des Badezimmers und dergleichen. Ich liebe körperliche Arbeit, ich bin ein „Lumberjack“-Mann (Holzfäller-Typ) und fühle mich in dieser anderen Welt unendlich wohl.
Warum sind Sie dann nicht Sportler geblieben, was Sie in Ihrer Jugend gut hätten entscheiden können?
Na ja… die Musik ist eine wunderbare Sache, ein anderer Teil meiner Seele, den ich nicht missen kann und will. Die Arbeit mit den Händen steht mir immer noch frei, aber auf der Opernbühne zu stehen, ist das, was mich glücklich macht und ich aus ganzem Herzen liebe und tun will.
Dann möge sich Ihr Glücksgefühl auch auf die Besucher von „Les Troyens“ übertragen, wozu wir Ihnen viel Glück wünschen!