Bonn: „TRISTAN UND ISOLDE“ 28.04.2013
Wenn ich bedenke, dass mir die geniale Produktion von Richard Wagners absolutem Meisterwerk „Tristan und Isolde“ vor wenigen Monaten in Nürnberg, noch unvermindert detailliert im Gedächtnis haftet, hatte ich nach der besuchten Premiere im Theater Bonn bereits nach einer Nacht Erinnerungslücken. Was war geschehen? Vera Nemirova inszenierte dieses grandiose Epos, entgegen ihrer beachtlichen Ring-Umsetzung in Frankfurt, geradezu am Text vorbei, ihr blieb die eigentliche Materie des Dramas, so erschien es wenigstens dem Rezensenten gänzlich verwehrt. Bedingt durch das früher gehörte Wesendonck-Lied Treibhaus fühlte sich die Regisseurin inspiriert, die Handlung in ein solches Gewächshaus zu verlegen und die Affaire Mathilde und Richard näher zu exponieren, doch leider verlor sich die Dame dabei in plakativen Nebensächlichkeiten, schenkte den Personen zu wenig tiefenpsychologische Resonanz und das Ganze geriet mehr oder weniger zur Persiflage. Für die Bühne sowie die wenig kleidsamen Kostüme zeigte sich Klaus W. Noack verantwortlich, ein Bett spielte in allen drei Akten die Hauptrolle, die unerlässlichen Requisiten „Koffer“ durften keineswegs fehlen, der verhängnisvolle Trunk wurde (wie sinnig) aus einer Plastikflasche „geschüttet“, das Liebespaar erging sich in gegenseitigen Körperbeschriftungen, ein quietschfideler, keineswegs wunder Tristan turnte zu den Fieberträumen auf dem Bett, der dritte Akt uferte mangels Personenführung vollends aus dem Ruder – das Ganze es war halt eine Farce nur und weiter nix!
Bedingt durch dieses konfuse Spektakel konzentrierte sich meine Aufmerksamkeit mehr auf die musikalische Komponente, doch wurde ich auch hier (in meiner 98. Auff.) nur bedingt glücklich. Befremdlich erschien mir das Dirigat von GMD Stefan Blunier, detailverliebt sezierte der Dirigent die Partitur, formulierte Momente wie eine Rezitativ-Begleitungen, zerhackte, fügte wieder zusammen, überdimensionierte Forteeruptionen, wo Leidenschaft, Gefühl, Ekstase gefragt, manche Stellen im dritten Aufzug klangen zu sehr nach karikierten Meistersingern. Sehr konzentriert und sauber musizierte das Beethoven Orchester Bonn und dennoch fehlte dieser Instrumentierung, bedingt durch die eigenwillige Stabführung der symphonische Fluss, der optimal verzehrende Klangrausch, kurz um das prägnante Profil, dieser sonst so überwältigenden Musik. In früheren Begegnungen des Titelhelden Robert Gambill war ich bisher keineswegs zufrieden, auch heuer konnte mich der Tenor wenig überzeugen, war stets um vokale Linie bemüht, dachte ich noch im ersten Akt, der Sänger schone sich für die folgende, kräftezehrende Partie, doch weit gefehlt, immer mehr häuften sich die Dissonanzen, zudem störte mich die eigenwillige Intonation des Tenors.
Dara Hobbs, vielgepriesener neuer Stern am Isolden-Himmel, konnte bedingt durch eine Pollenallergie nur mimen und die kurzfristig engagierte Sabine Hogrefe sang am Bühnenrand vom Blatt, einer durchaus glücklichen Konstellation ohne Störungen, dank der ausgezeichneten, intensiven Formulierung der erkrankten Darstellerin. Frau Hogrefe gestaltete die irische Maid mit kraftvoller Sopranstimme, sehr dramatisch, in bester Textverständlichkeit, zügelte ihr scharfkantiges Höhenpotenzial besonders im zweiten Aufzug zu gefühlvollen Nuancen und farbigen Zwischentönen. Daniela Denschlag ließ den einst so fülligen, dunklen Mezzoklang vermissen, wirkte zuweilen kraftlos, eindimensional, dem Wachgesang der Brangäne fehlte der weite, strömende Atem. Mark Morouse gestaltete den Kurwenal, welcher mehr die Pflanzen als Tristan umsorgte. Mit markant geführtem Bariton verströmte er Wohlklang in nuancierten Couleurs. Trocken, verhärtet wirkte dagegen der voluminöse Bass Martin Tzonev (König Marke), mit dunkel gefärbtem Tenor verlieh Johannes Mertes den Kurzauftritten Junger Seemann und Hirte vordergründige Kontur, souverän fügten sich die Stimmen Sven Bakin (Steuermann), Giorgos Kanaris (Melot) ins Geschehen, grobschlächtige Agilität wurde regiebedingt dem Herrenchor (Sibylle Wagner) verordnet.
Ohne große Euphorie feierte man leistungsgerecht die Beteiligten, unter den Beifall für Blunier und Nemirova mischten sich zaghafte Buhrufe.
Gerhard Hoffmann