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BONN: DER FERNE KLANG

22.01.2012 | KRITIKEN, Oper

Die Wunderharfe: Der ferne Klang (Oper Bonn, Premiere 11.12.2011) – besuchte Vorstellung: 21.1.2012

Es ist ein Phänomen, wenn dieser Mann am Pult steht: Will Humburg. Partituren erklingen in einer ausgeloteten Tiefe, als wenn man sie zum ersten Mal erlebte. Auch in Bonn stellte sich das „Wunder“ Humburg bei Franz Schrekers grandiosem Erstling „Der ferne Klang“ wieder ein, dabei sind es noch nicht einmal die üppigen „Show-Effekte“ im zweiten Akt,  mit Chor-Auftritten im gesamten Saal, diversen Orchestern und Zigeunerkapellen, die der Pultmagier wie selbstverständlich zusammenhält, sonderrn es sind die feinzisilierten Klangeffekte, die Humburg aus der Partitur hervorzuzaubern weiß: So die Klangmagie des dritten Vorspiels und vor allem gegen Schluss die sphärischen Klänge der Äolsharfe und das sinistre Vogelgezwitscher, das den Tonkünstler Fritz todesmystisch in eine andere Welt entführt. Unter Humburgs Stabführung wächst das Beethoven Orchester Bonn über sich hinaus.

Wurde schon die von GMD Blunier erarbeitete „Irrelohe“ in der letzten Spielzeit zum Schreker-Ereignis, so können die Bonner mit dem „Fernen Klang“ schon wieder punkten. Üppiger, raffinierter, präziser läßt sich diese Partitur kaum darbieten. Der Gefemte, Vergessene scheint am Rhein eine neue Heimstatt gefunden zu haben. Bleibt nur zu hoffen, dass alle Theaterbeteiligten weiterhin den Mut haben, bornierter Kulturpolitik Paroli zu bieten und am mutigen Wiederentdecken Schrekers ebenso festhalten oder wie vor zwei Spielzeiten mit d’Alberts „Golem“ihrem musikalisch-archäologischen Forscherdrang Vorschub leisten.

Wie schon bei der letztjährigen „Irrelohe“ setzt der regieführende Intendant Klaus Weise auch beim „Fernen Klang“ auf partiturgerechte Werktreue und verzichtet wohltuend auf Mätzchen und Peinlichkeiten, zu dem gerade das venezianische Bordellbild verleiten ließ. Zwar könnte man sich die „Casa di maschera“ weitaus lasziver vorstellen, aber Weises und seines bewerten Teams (Martin Kukulies, Bühne; Dorothea Wimmer, Kostüme; Thomas Roscher, Licht) Lösung einer Super-Surround-Show mit silbernglitzernder Showmuschel aus der „La bella Greta“ entschwebt wie einst Botticellis Schaumgeborene macht durchaus Effekt und mit der Einlage „Venedig sucht den Superstar“, Mark Rosenthals Chevalier über die Ränge schweben zu lassen hatte mehr Fortune, als dessen leicht verknödelter Schlager von den „schönen Blumenmädchen von Sorrent“.

Abgesehen von dieser Unterbesetzung kann man dem Ensemble nur Vorzügliches attestieren. Um den unbestrittenen Fixstern Ingeborg Greiner (Grete) kreist das übrige Ensemble wie Trabanten. Ihr warmtimbrierter, dabei höhensicherer Sopran, mit dem samtweichen vollmundig runden Bouquet eines schweren Rotweins, prädestiniert die Greiner geradezu für die sinnlichen Frauengestalten Schrekers. Ihre Verwandlung vom überschwänglichen Backfisch, der erst in der Selbstflucht versinnbildlicht durch den zauberisch undurchdringbaren Wald, seine Gefühle und seine Sexualität entdeckt, um dann gleich zum Vamp zu motieren und ihren Fall, der sie ihre alte Liebe wieder entdecken läßt, gestaltet die Greiner glaubhaft, natürlich ohne Übertreibung. Mit Michael Putsch konnte ein Heldentenor gewonnen werden, der nicht nur dem Komponisten Schreker in Aussehen und Physiognomie erstaunlich ähnelt, sondern dem Tonsetzer Fritz auch die genügende Stahlkraft verlieh. Auch er wußte dem Suchenden, sich selbst und seine Umwelt in seinem Drängen Vergessenden eindrücklich Gestalt zu verleihen. Die weiteren Gestalten laufen Gefahr als Staffage zu verblassen, nicht so in Bonn, wo selbst noch die kleinste Rolle zum ausgefeilten Charakter wird. Dem verzeihenden Verführer Dr. Vigelius / Graf verlieh Renatus Meszar mit seinem viril noblen Bariton markante Züge und Frank von Hove war ein durchaus gefährlicher Wirt/Baron mit seinem sinistren Baßbariton, der mit der Verührerin als „Altes Weib“ unter einer Decke steckt. Anjara L. Bartz gestaltete diese dankbare Rolle mit betörendem Mezzo. Eine Charakterstudie der gramgebeugten Mutter Grauwurm zeichnete Suzanne McLeod.

Üppige Töneerotik umwebte das exquisite Damentrio Julia Kamenik – Mizzi, Kathrin Leidig – Milli und Emiliya Ivanova– Mary. Bravourös einmal wieder die exzellente Leistung des Opern- & Extrachors des Theaters Bonn. Nicht nur die logistische Lösung im zweiten Aufzug schier omnipräsent und dabei notengetreu zu sein, bewundernswert war einmal mehr die einem schweizer Uhrwerk gleichkommende Präzision Dank der Arbeit von Chorleiterin Sibylle Wagners. Dass der fast ausveerkaufte Januar-Abend vor einiger Fachprominenz zum jubelnden Erfolg vor allem Dank Will Humburgs phänomenaler Leistung wurde,  zeigt die Bonner Oper auf dem richtigen unbeirrbaren Pfad: Man darf gespannt sein, welche Ausgrabungen sie dem interessierten Publikum noch präsentieren darf. Opernfreunde des Besonderen sollten sich vor allem aber die noch verbleibenden Termine im Februar und März rot anstreichen: Es lohnt sich!!!

Dirk Altenaer

 

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