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Bernadette Reinhold: OSKAR KOKOSCHKA UND ÖSTERREICH

14.04.2023 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

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Bernadette Reinhold:
OSKAR KOKOSCHKA UND ÖSTERREICH
Facetten einer politischen Biografie
340 Seiten, Böhlau Verlag, 2023 

Oskar Kokoschka und Österreich, das ist eine immer wieder erzählte Geschichte. Sein Geburtsland vereinnahmt ihn gerne als einen der großen Künstler des Landes, und gewissermaßen war er das auch. Hier geboren, hier in seinen Anfängen als „der Oberwildling“ bekannt geworden, und am Ende seines Lebens, nach einer kometenhaften internationalen Karriere,  als Person in Österreich wieder sehr präsent – das erste Foto des Buches, das sich mit „Oskar Kokoschka und Österreich“ befasst, zeigt ihn auf einem Zeitungsausschnitt mit Bruno Kreisky, betitelt: „Später Triumph in der Heimat“.

Die Autorin Bernadette Reinhold ist ihres Zeichens Leiterin des Oskar Kokoschka Zentrum an der Universität für angewandte Kunst Wien, und das erklärt auch die Fülle an Material, nicht zuletzt an Fotos und Dokumenten, die hier publiziert werden können und zur Anschaulichkeit des Geschehens beitragen.

Allerdings ist ihr Blick auf das Thema keinesfalls einseitig, wie man es so oft erlebt hat. Denn sie weiß aufgrund langjähriger Forschung, in welch hohem Ausmaß Kokoschka das Bild, das die Welt von ihm haben sollte, mitbestimmt hat. In ihrem Buch werden nun die wichtigsten Stationen von „Kokoschka und Österreich“ nachgezeichnet – die Anfänge noch vor dem Ersten Weltkrieg, den er als Soldat mitmachte, die Zwischenkriegszeit mit dem Ständestaat,  die Abwendung von Österreich in Richtung Prag, dann, als die Nationalsozialisten ihn zum „Entarteten Künstler“ erklärten, nach London, schließlich sein Wohnsitz in der Schweiz. Eine Weltkarriere jenseits der Heimat, die ihn, wie es heißt, nach dem Zweiten Weltkrieg nur zögernd aufgenommen hat.

Nun stimmt das alles und stimmt auch wieder nicht. Wie Bernadette Reinhold schon in dem ausführlichen und aufschlussreichen Vorwort erklärt, hat Kokoschka, der sich selbst früh als singuläres „Genie“ verstand, immer wieder für das Narrativ seines Lebens gesorgt (und viele haben seine manipulative Sicht der Dinge nacherzählt). Nachzulesen lesen in seiner Autobiographie, in der von ihm selbst zensurierten Ausgabe seiner Briefe, in eigenen Schriften. Aber auch im Eingreifen in die Sekundärliteratur, wo er keine anderen Gesichtspunkte als die eigenen duldete.

Wenn Kokoschka sich seit seiner frühen Zeit, da er 1908 mit Skandal ins Rampenlicht trat, als „Opfer“ eines rückwärtsgewandten Kunstverständnisses stilisierte, so verschweigt er, wie viele Kritiker, Journalisten und Galeristen auf seiner Seite waren und ihn förderten. Wenn er sich als deklarierter „Antifaschist“ von Österreich abwandte und sich als „politischer Mensch“ im geistigen Widerstand ortete, verschweigt er, dass es doch ein Liebäugeln mit dem Ständestaat gab. Und die „Vertreibung“ aus Österreich hat letztendlich seinen internationalen Ruhm begründet, den er in der Heimat allein nie hätte erlangen können.

Gewiß, nach dem Zweiten Weltkrieg hat man ihm nicht gleich eine Professur in Wien angeboten, aber es hat weder an Ehrungen noch an Ausstellungen gefehlt, wenn es ihm auch nicht genug war. Immerhin hat er sich nicht nur zu seinen renommierten Salzburger Sommerkursen herbei gelassen, sondern auch Bundespräsident Theodor Körner gemalt, ebenfalls die Wiener Staatsoper, „staatstragender“ konnte man nicht sein.

Vieles, was dem Land Österreich als böser Wille angerechnet wurde, war der Entwicklung der Zeit geschuldet – auch andere Künstler, die wider den Stachel löckten, hatten es nicht leicht (wobei sich Kokoschka etwa hoch über Schiele oder Picasso erhob), die politischen Verwerfungen des 20. Jahrhunderts blieben niemandem erspart, und nicht alle haben sie – bei allen Schwierigkeiten – so gut bewältigt wie er.

Österreich hat nicht zuletzt durch Bruno Kreiskys Zugehen auf den Künstler versucht, die offenen Rechnungen zu begleiten.  Und sei es nur, um wieder einen großen Namen der Kunst für das Land zu vereinnahmen, ungeachtet dessen, ob er zwischendurch „vertrieben“ wurde oder nicht…

Renate Wagner

 

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