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BERN/ Vidmar-Halle: COCO – ein Transgendermusical. Uraufführung

22.04.2018 | Allgemein, Operette/Musical

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Von links nach rechts, die Darsteller: Rick (ihr Lebenspartner) Luka Dimic, Coco Mariananda Schempp, der Körper Coco Gabriel Schneider. Copyright: Reto Camenisch/Annette Boutellier

Coco, ein Transgendermusical; Uraufführung vom 20. April 2018 in der Vidmarhalle. Konzert Theater Bern

Dann habe ich doch etwas nach unten geschaut. Und zum ersten Mal in meinem Leben hat es mich nicht erstaunt, was ich da unten sah. Zum ersten Mal dachte ich nicht: Uh, das ist jetzt komisch (Coco nach der Operation 1990)

Kaum jemand kann sich das Gefühl vorstellen, in einem Männerkörper zu stecken und sich als Frau zu fühlen. Nur wenige können nachvollziehen, wie es ist, im Alltag immer wieder damit konfrontiert zu werden. Jetzt kommt in Bern das Thema Transgender als Musical auf die Bühne und überzeugt, einerseits als Hommage an eine tapfere wie tragische Persönlichkeit und anderseits als wichtiges Thema, welches heute öffentlichen diskutiert wird.

In der Filmszene hat die Transgenderthematik schon vor Jahren Einzug gehalten und bereits mehrere berühmte Filme produziert, somit viel zur Aufklärung und zum Bewusstsein beigetragen. Im Film «Priscila» treten zwei alternden Drag Queens «Mitzi und Felicia» sowie ihre transsexuelle Freundin Bernadette allabendliche zusammen in Sydney auf. Doch das reicht ihnen nicht, sie begeben sich auf einen Roadtrip quer durchs australische Outback. Ihr Gefährt, ein ausgemusterter, silberner Schulbus, der ebenso launisch ist wie die Grazien, taufen sie „Priscilla.

In «The Danish Girl» geht es um die wahre Geschichte des Malers Einar Wegener. Nachdem dieser für seine ebenfalls malende Frau mehrmals als weibliches Model eingesprungen war, kann er sich nicht mehr davon lösen. Unter dem Namen Lili Elbe tritt er bald auch in der Öffentlichkeit als Frau auf und möchte schliesslich eine Geschlechtsangleichung durchführen lassen. Ein Eingriff, der 1930 ein Novum darstellte.

Das Transgendermusical welches von Alexander Seibt und Markus Schönholzer geschrieben wurde überzeugt mit der gelungenen Idee Coco als Frau zu zeigen, als das was sie sein wollte und als das was sie sich fühlte und zu ihrem Drama wurde. Sie lebte in einem Körper mit dem falschen Geschlecht. Sie lassen die Hauptfigur von einer Schauspielerin und einem Schauspieler spielen. Eine Form der Interpretation welche perfekt auf die Bühne passt. Mariananda Schempp ist Coco, das Traumbild Frau, Gabriel Schneider der männliche sprachlose Körper, das verachtete Objekte. Die beiden interagieren auf der Bühne und machen so einen inneren Konflikt äusserlich sichtbar. Die Umsetzung ist überaus gelungen, dank der Hauptdarstellerin welche eine leidenschaftliche, zerrissene und emotionsgeladene Coco darstellt. Sie überzeugt durch eine überaus verinnerlichte Darstellungskraft und grosser Bühnenpräsenz. Gabriel Schneider der Körper Coco, ist der innbegriff des nicht gewollten Körpers und des eigentlichen Hassobjektes. Er überzeugt durch Körpersprache, ist stumm und voller Schmerz.


Gabriel Schneider als der Körper, Mariananda Schempp als Coco, Grazia Pergoletti als Chirurgin, Christoph Marti als Ärztin, Luka Dimic als Chirurg und Jonathan Loosli als Chirurg. Copyright: Annette Boutellier

Cocos Freund Rick (Luka Dimic), der Pechvogel, hat keinen Lebenspartner mehr, sondern ein Frau zur Seite bekommen. Sein Unbehagen ist ihm anzusehen und er tut sich schwer damit, seine Gefühle auszudrücken. Seine Taten entlarven ihn und sorgen für Zündstoff in der Beziehung.

Papa (Jonathan Loosli) und Mama (Grazia Pergoletti) müssen sich zuerst an die Tatsache gewöhnen eine Tochter anstelle des Sohnes zu haben und überzeugen durch schauspielerisches Können und Einfühlvermögen als auch durch ambivalentes Verhalten. Der Entertainer des Abends «Gilette und Ärztin» hervorragend gesungen und gespielt von Christoph Marti ist ein genialer Geschichtenerzähler, der aufklärend durch den Abend führt. Der als Gilette mit ihr als Frisör zusammenarbeitet und als Ärztin bei der Geschlechtsumwandlung tatkräftig mitoperiert.

Tragisch endet das Leben der Coco 1998, als sie sich in einer Wohnung in Thun erhängt, nach einer Zeit der Verwahrlosung und Hoffnungslosigkeit. Ein allzu trauriges Schicksal, welches bei Transgendermenschen leider zu oft vorkommt.

Der Regisseur Stefan Huber schafft den Spagat zwischen Aufklärung einer Transgendergeschichte und Hommage an eine national bekannte Transsexuelle der 90er Jahre gekonnt. Er überzeugt mit seinem Team deshalb, weil er gute eindringliche Bilder geschaffen hat, witzige Momente aufleben lässt und eine tragischer Geschichte nicht überzeichnet und somit nie ins kitschige verfällt.

Begleitet wird das neugeschaffene Transgendermusical von einer diskreten Band die hinter der Bühne aufgestellt ist. An der Gitarre André Brügger, am Bass Hans Ermel, am Drums Jan Fabricky und am Keyboard Hans Ueli Schläpfer.

Marcel Burkhardt

 

 

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