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BERN/ Konzert Theater: „TRISTAN UND ISOLDE“. Neuinszenierung –  2. Aufführung

  Im Panoptikum der Irrelevanz …

30.05.2019 | Allgemein, Oper

Bern: TRISTAN UND ISOLDE“. Neuinszenierung –  2. Aufführung am 29.05.2019


Daniel Frank (Tristan), Robin Adams (Kurwenal). Foto: Christian Kleiner

 

              Im Panoptikum der Irrelevanz …

Erlebte ich heute „Tristan und Isolde“ am Konzert Theater Bern als Kuriosum der besonderen Art. Richard Wagner kündete dereinst „schafft Neues“, aber mit Sicherheit meinte er damit nicht ein derart irritierendes Szenario. Wenn ich´s recht überlege, mit welcher Unverfrorenheit so mache Theatermacher das Publikum mit derartigen Provokationen konfrontieren.

Ludger Engels führte bei diesem Missverständnis Regie, bediente sich inWiederkäuer-Manier aller unmöglichen Meriten des modernen Regietheaters, inszenierte drauflos zum Slogan ´s bast scho´, peppte das „langweilige“ Neun-Personen-Stück mit einer Menge überflüssiger Statisten gehörig auf, brachte mit einer Glitzer-Revue im Spiegelkabinett mal endlich Schwung in die „öde“  Handlung. Kongeniale Seelen lieferten die Interieurs: Stühle, Stühle – ein einziger Stuhlgang, 28 zuweilen stark blendende Neonröhren nervten  das Publikum  (den Protagonisten verpasste man Sonnenbrillen, manchen Zuschauern bleibt wohl die Visite beim Augenarzt nicht erspart), ein Mini-Salon mit weißer Designer-Couch, Felsformationen, einem Tapeziertisch und Farbeimerchen zum gegenseitigen Beschmieren (Volker Thiele) etc.  Heide Kastler kreierte die Alltags- und Glitzerroben.

Mein Leporello registrierte 50 bisherige diverse Sichtweisen, dabei erlebte ich gewiss jede Menge genialer Produktionen, welche noch unauslöschlich in meiner Erinnerung haften aber natürlich auch eine Vielzahl entbehrlicher Kontroversen, erlitt heute wiederum die Regie-„Kunst“ einen absoluten Tiefpunkt.  Quo vadis Operntheater? Entschuldigung, geht´s noch? Unter Eliminierung der störenden Optik hatten die musikalischen Komponente glücklicherweise  erfreuliche Überraschungen bereit, so waren heute die „Röschdi“ nicht das Beste, wie anno 2002 bei meinem letzten Tristan-Besuch in Bern.

Am Pult des ausgewogen und gut disponierten Berner Symphonieorchesters waltete Kevin John Edusei, vermied stets überzogene Emphase zu moderaten Tempi. Harmonisch führte der Dirigent das klangschön und sauber musizierende Orchester durch die farbenreiche Partitur, beleuchtete transparent die kammermusikalischen Frequenzen, steigerte den Klangkörper in die  Liebesekstase des zweiten Aufzugs, ließ die betörende Musik fließen, atmen, vermittelte mitreißende Euphorie, verlor sich zuweilen in ausuferndem Klangrausch des Fortissimo, verstand es jedoch letztlich vom ersten bis letzten Ton zu fesseln und schenkte der genialen Partitur die herrlich leuchtenden instrumentalen Zwischentöne.

Derart auf orchestralen Wogen getragen, fühlte sich das Sänger-Ensemble (der regiebedingten Widrigkeiten zum Trotz) zu vokalen Höchstleistungen animiert. In völlig uneingeschränkter Rollenidentifikation durchlebte Daniel Frank die Skalen der Emotionen des Titelhelden. Sein herrlich aufblühender und metallisch-strahlender Tenor schöpfte aus dem Vollen. Ohne jegliche Ermüdung sang der schwedische Sänger nuanciert, ohne vokale Differenzierungen vernachlässigend stets vortrefflich auf musikalischer Linie und schenkte den traumatisch-visionären  Delirien des dritten Aufzugs die dunklen Einfärbungen sowie die enorme Kraftentfaltung, stets im Kalkül meisterhafter Artikulation.

Der irischen Maid schenkte Lee Bisset mit jugendlich-dramatischem Sopran die zunächst hoheitsvolle Attitüde. Rücksichtslos entfaltete die schottische aufstrebende Sängerin sogleich im ersten Aufzug ihre vokalen Reserven,  ob in Empörung, im bedrohlichen Rache-Ausbruch  beeindruckte Bisset mit ihrer in allen Lagen bestens gestützten Stimme und steigerte sich von Akt zu Akt. Jedoch forderte dieser Totaleinsatz seinen Tribut, das glutvolle Vokal- Potenzial ermüdete, die Dame forcierte und so schlich sich so mancher scharfkantige Ton mit ein. Weniger emotionell umso mehr voluminös erklang der finale Liebestod.

Ausgeglichen, sehr klangintensiv, dunkel koloriert bildete Claude Eichenberger den weiblichen Gegenpart, beeindruckte mit glanzvoll intonierten Paletten ihres ausdrucksstarken Mezzosoprans und krönte ihre vortreffliche Brangäne-Interpretation mit einem herrlich strömenden Wachgesang.

Jugendlich frisch mit enormem Potenzial kam der treue Kurwenal daher, Robin Adams verstand es besonders im dritten Aufzug seinen kernigen, mächtigen Bariton zu zügeln und demonstrierte Akkuratesse in markanter Farbenpracht.

Sehr kultiviert schenkte Kai Wegner mit hellem Bass dem König Marke Noblesse zu schöntimbriertem Wohlklang. Entgegen der unsympathischen Figur des Verräters punktete Todd Boyce mit schönem Bariton und nuancierter Tongebung. Angenehm erklang die Stimme von David Park (Steuermann), sehr spielfreudig mit wunderbar lyrischen tenoralen Qualitäten absolvierte Andries Cloete zu akrobatischer Beweglichkeit seine Parts (junger Seemann/Hirte). Vokal bestens disponiert formierte sich der Herrenchor (Zsolt Czetner) ins merkwürdige Geschehen.

Begeistert und lange feierte das Publikum das Ensemble,  Dirigent und Orchester.

Fazit: Eine akustisch gelungene und hörenswerte Produktion, jedoch teils nur geschlossenen Auges oder mit sehr dunkler Sonnenbrille genießbar.

Gerhard Hoffmann

 

 

 

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