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BERN/ Konzert Theater: KROL ROGER von Karol Szymanowski

Liebe, Leidenschaft, Ekstase

02.12.2019 | Allgemein, Oper

Karol Szymanowski: Krol Roger, Konzert Theater Bern, Premiere: 01.12.2019

 Liebe, Leidenschaft, Ekstase

Mit der vom Premieren-Publikum heftigst akklamierten Produktion stellt Konzert Theater Bern einmal mehr seine Leistungsfähigkeit und Qualität glanzvoll unter Beweis.

Das in grosser Besetzung angetretene Berner Symphonieorchester ist wie für eine konzertante Aufführung auf der Bühne positioniert. Der hochgefahrene Graben wird so, im Rücken des 1. Kapellmeisters und Musikalischen Leiters des Musiktheaters ad interim Matthew Toogood, zur Bühne. Trotz der ungewohnten Aufstellung der Sänger kommt es zu keinerlei Koordniationsproblemen. Toogood hat das Orchester fest im Griff: mit feinsten dynamischen Abstufungen gelingt vom Pianissimo der zarten Violinen bis zum raumfüllenden Fortissimo an diesem Abend alles und das hervorragend. Szymanowskis Musik kann so ihre ganze Kraft entfalten.

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© Annette Boutellier

Der Chor Konzert Theater Bern und der Kinderchor der Singschule Köniz, vorbereitet von Zsolt Czetener, mal im Orchester positioniert, häufiger aber auf der Bühne aktiv, tragen mit ihrem satten, kompakten Klang ganz wesentlich zum positiven Eindruck das Abends bei.

Die einzelnen Rollen sind durchwegs passend und hervorragend besetzt. Mariusz Godlewski überzeugt mit einem enorm kräftigen, sicher geführten Bariton als König Roger II. Der manchmal fast monoton anmutende Einsatz seines Organs, mit dem er den fest in der Gesellschaft verankerten, althergebrachten Gott vertritt, ist ein hervorragender Kontrast zum farbenreichen, hellen Tenor von Andries Cloete, der den Gott der Liebe, der Freude und des Lebens vertritt. Evgenia Grekova singt mit vollem, runden Sopran die Königin Roksana. Nazariy Sadivsky gibt Rogers Begleiter Edrisi, Young Kwon und Sarah Mehnert ergänzen das Ensemble als Erzbischof und Diakonissin.


© Ric Schachtebeck

Regisseur Ludger Engels inszeniert „Krol Roger“ in der Tradition des Schweizer Bühnenbildners und Theater-Theoretiker Adolphe Appia. Entsprechend Appias Hierarchie „Komponist–Musik–Darsteller–Bühnenbild“ hat er das Orchester aus dem Graben geholt und auf der Bühne platziert. Die Darsteller agieren, nahe am Publikum, auf dem abgedeckten Orchestergraben. Das Bühnenbild von Ric Schachtebeck besteht aus einem Laufsteg und einer „Stufenlandschaft“, ganz in Weiss gehalten. Hier können die Darsteller sich und ihre Figuren frei entfalten. Die Kostüme von Heidi Kastler ordnen sich in ihrer Schlichtheit, sie erinnern in ihrer Schlichtheit und mit den Namensschildern an die Mormonen, ebenfalls den Regeln Appias unter.

Engels sieht den Reiz des Stücks im Verzicht auf die Gewaltmomente, die sonst in den Opern vorkommen. Mit seiner Inszenierung macht er deutlich, dass dieser Verzicht nur vordergründig ist. Statt physischer Gewalt kommt hier massiv psychische Gewalt im Kleide der Religion zum Einsatz. Macht die Musik dies schon mit der strengen, monotonen Kirchenmusik deutlich, wird der Gegensatz zum fremden Hirten durch die Zeichnung Rogers als ausgebrannter Buchhalter und die erwähnte Kostümierung des Chores noch verstärkt. Der Hirte tritt das erste Mal als Hippie, mit Jeans, weisser Lederjacke, Hawaii-Hemd und Dornenkrone vor Roger. Die Verbindung des Stücks zur Gegenwart gestaltet Engels im dionysischen Tanz, der hier zu einer Kundgebung im Stile von „Fridays for Future“ wird: Liebe, Sinnlichkeit, Ekstase und Berührung gehören zu den Forderungen der Anhänger des Hirten. Diese Forderungen werden von Engels mit der Biographie des Komponisten verknüpft – er war homosexuell – und verdeutlicht – Homosexualität ist im Katholizismus wie bei den Mormonen strengstens verboten. Zum Schluss des Stückes hat Roger zwar eine Entwicklung durchgemacht, schafft es aber nicht sich dem Hirten anzuschliessen. Er trägt weiter sein Buchhalter-Kostüm. Die Inszenierung bezieht klar Position für die neue Glaubensrichtung. Der Hirte tritt zum Schluss als „Cristo morto“ mit Lendenschurz auf.

Die Berner Produktion besticht gleichermassen durch ihre musikalische Qualität wie die werkgerechte Inszenierung, die die existenzialistische Suche nach sich selbst hervorragend herausarbeitet.

Ein rundum beglückender Theater-Abend.

Weitere Aufführungen:

Di, 03. Dezember 2019, 19:30 – 20:50, Stadttheater

Do, 12. Dezember 2019, 19:30 – 20:50, Stadttheater

So, 15. Dezember 2019, 18:00 – 19:20, Stadttheater

Fr, 27. Dezember 2019, 19:30 – 20:50, Stadttheater

So, 12. Januar 2020, 18:00 – 19:20, Stadttheater

Sa, 25. Januar 2020, 19:30 – 20:50, Stadttheater

Di, 17. März 2020, 19:30 – 20:50, Stadttheater

Mi, 03. Juni 2020, 19:30 – 20:50, Stadttheater

 

02.12.2019, Jan Krobot/Zürich

 

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