Friedrich Smetana: Die Verkaufte Braut, Konzert Theater Bern, Wiederaufnahme: 04.09.2020
Vom Feuerwehrball zum Maskenball
Corona hat die Spielpläne durcheinandergewirbelt und tut dies noch: Da der aus Freiburg zu übernehmende Freischütz dort wegen Corona nicht produziert werden konnte, konnte nun die Verkaufte Braut von Konzert Theater Bern, die in der letzten Saison nach nur zwei Aufführungen wegen Corona abgesetzt werden musste, wiederaufgenommen werden, bevor sie zum Produktionspartner nach Graz weitergeht.
Zur Wiederaufnahme wurde die Produktion coronatauglich gemacht: im Graben dominieren Plexiglasboxen, auf der Bühne tragen der Chor die ganze Aufführung über und die Solisten, wenn sie nicht gerade singen, Masken. Adriana Altaras hervorragende Inszenierung lenkt rasch vom ungewohnten optischen Eindruck ab. Die Überraschung des Abends ist, dass sich die Corona-Massnahmen klanglich kaum auswirken.
Ensemble (© Janosch Abel)
Das Berner Symphonieorchester unter Matthew Toogood spielt höchst aufmerksam einen luftig, leichten Smetana. Toogood gibt rasche Tempi vor und weicht dabei jeglichem Wunschkonzert-Klang aus. Die Tänze gelingen wunderbar lebendig, Stellen wie Maries Abrechnung mit Hans zum Ende der Oper erhalten ungeahntes dramatisches Format. Wieso oft bleibt auch hier anzumerken: würde der Dirigent das Musizieren beziehungsweise dessen Lautstärke der Auslastung des Saals anpassen, wäre der Eindruck noch besser.
Die Krone des Abends gebührt dem Chor Konzert Theater Bern (Leitung: Zsolt Czetener). Als Protagonist ist der Chor von der inszenierten Ouvertüre an bis zur letzten Szene aktiv und muss Altaras Regiekonzept, das von Milos Formans «Feuerwehrball» inspiriert ist, mit Leben füllen. Das ist, so exakt wie Altaras gearbeitet hat, keine einfache Aufgabe, und die Masken erschweren den Aufbau der Tombola oder das Schwangerschaftsturnen erheblich. Der Chor ist mit beeindruckender Ernsthaftigkeit am Werk und klingt immer noch satt und bestens verständlich. Chapeau!
Adriana Altaras hat sich für ihre Inszenierung von Milos Formans Film «Der Feuerwehrball» inspirieren lassen. Zentrum der Handlung ist eine Mehrzweck-Gemeindehalle. Hier wird geturnt, die Senioren tanzen und natürlich gefeiert. Die Tombola lässt Schon Federn, bevor sie überhaupt fertig aufgebaut ist. Hier kulminiert für Altaras das Biotop «Dorf» mit all seinen Zwängen und Einschränkungen. Dem Kollektiv und seinen Vertretern Hans und Marie steht der sensible Wenzel gegenüber, der sich früh aus der Gemeinschaft zurückgezogen hat. Die Befreiung kommt für ihn in Gestalt des Zirkus: hier gibt es ebenfalls von der Gesellschaft ausgestossene, sensible Persönlichkeiten, die ihn verstehen. Trotzbleibt es ein Spiel ohne Gewinner: Hans und Marie können zwar heiraten, aber ihr Kommunikationsproblem bleibt. Und das Happy End ist für Wenzel angesichts dessen, was er bis dahin erleiden musste, auch nicht wirklich glücklich.
Mit seinem wunderbar hellen, absolut höhensicheren Tenor gibt Andries Cloete einen sensiblen Wenzel. Mit seinem schauspielerischen Talent setzt er die Konzeption Wenzels als Aussenseiter der dörflichen Gemeinschaft ganz in Altaras Sinne um und regt zum Gedanken an, ob sein Stottern „nur“ eine Blessur auf dem bisherigen Lebensweg ist oder, analog dem Wahnsinn in der romantischen italienischen Oper, Mittel den Druck der dörflichen Gemeinschaft zu bewältigen. Evgenia Grekovas Interpretation hat gegenüber der Premieren-Saison deutlich an Format gewonnen. Von der Verliebtheit bis zur Intrige gelingt ihr die Zeichnung Maries hervorragend. Besonders eindrücklich ist ihre Abrechnung mit Hans, von dem sie sich verraten fühlt. Nazariy Sadivskyy gelingt ein wunderbar viriler, höhensicherer Hans. Sowohl ihm wie Grekova gelingt es, die Figuren dem Konzept Altaras entsprechend zu zeichnen: Sie lassen spüren, dass ihr Happy End so Happy nicht ist. Philipp Mayer als Kecal kompensiert die Jugendlichkeit seiner Erscheinung bestens mit der Polizeiuniform und kostet so auch stimmlich seine Macht voll aus. Die Elternpaare sind bei Sarah Mehnert (Ludmilla) und Florian Marignol (Krušina) sowie Claude Eichenberger (Háta) und Young Kwon (Micha) in besten Händen. John Uhlenhopp ist der wortgewaltige Direktor der Komödiantentruppe (Orsolya Nyakas als Esmeralda, Miron Landreau als Indianer, Azucena Fabbri als Artistin und Neil Fabbri als Artistenkind).
Ein rundum bereichernder Abend!
Weitere Aufführungen im Stadttheater:
So, 06.09.2020, 18:00 – 20:40; Fr, 11.09.2020, 19:30 – 22:10; So, 13.09.2020, 18:00 – 20:40.
05.09.2020, Jan Krobot/Zürich