Berlin/Staatsoper: „SALOME“ von Richard Strauss mit der großartigen Camilla Nylund, 5.2.2014
Camilla Nylund als Salome, Foto Maria Eggert
Darf man zum 150. Geburtstag dem Geehrten etwas Recyceltes darbringen? Der Jubilar heißt bekanntlich Richard Strauss, und so stellt die Staatsoper im Schillertheater seine erste richtige Erfolgoper, den Einakter „Salome“, erneut auf die Bühne, und zwar in der Inszenierung von Harry Kupfer aus dem Jahr 1979.
Die ist nach wie vor schlüssig und wirkt auch in dieser 104. Aufführung keineswegs abgetakelt. Auch bietet sie den Sängerinnen und Sängern einen adäquaten Rahmen, um ihre Gefühle dem Publikum nahe zu bringen.
Wenn nun der versierte Zubin Mehta diese oft noch den Hauch des „Fin de Siècle“ verströmende Partitur – zusammen mit der blendend disponierten Staatskapelle Berlin – eher liebevoll ausmalt und nur an den erforderlichen Stellen die Musik aufrauschen lässt, ist solches bereits der Grundstock zum Erfolg.
Dass es ein überragender Abend wird, ist jedoch der beinahe luxuriösen Sängerriege zu verdanken, allen voran der großartigen Camilla Nylund. Diese schöne junge Frau bringt darstellerisch und gesanglich alles mit, was eine Salome nach heutigem Verständnis ausmacht.
Angefangen bei der vom Palastleben gelangweilten und von den Avancen des Stiefvaters Herodes genervten Göre bis hin zu den Ausbrüchen einer vom Liebesverlangen besessen Frau. Eigentlich unverständlich, dass der hier echt smarte Oberst Narraboth (Joel Prieto !) mit seinem schönen lyrischen Tenor bei ihr keine Chance hat. Sie will, wie wir wissen, unbedingt den Jochanaan (Johannes den Täufer), den vorchristlichen Fundamentalisten, der ihr und dem ganzen Clan die Buße predigt und sie noch nicht einmal anschauen mag.
Diese Ermahnungen singt der Zerzauste – Albert Dohmen – mit einem sauberen, volumigen Bariton zunächst aus einem Verließ, danach – an einer Kette hin und her gezerrt – im Palasthof. Alles Liebesflehen der Salome erweicht ihn nicht, und schon hier erreicht dieser Widerstreit sängerisch ein fabelhaftes Format.
Herodes (Gerhard Siegel !) versucht zunächst erfolglos, die sichtlich missgelaunte Stieftochter zu umgarnen, dann aber macht sie sich doch seine Geilheit zunutze. Die fitte Camilla Nylund legt den berühmten Schleiertanz selbst aufs Bühnenparkett, und auch hier übertreibt Mehta nicht bei den orientalischen Klängen. Dass Herodes bei dieser Darbietung völlig außer sich gerät, glaubt man ihm schauspielerisch allerdings nicht so ganz.
Siegels große Tenor-Stunde schlägt im nach hinein, als er versucht, sein leichtsinnig gegebenes Versprechen zu revidieren. Sich gekonnt steigernd bietet er Salome das halbe Königreich und immer weitere Schätze an. Doch das böse Mädchen hat, beraten von ihrer Mutter Herodias (Birgit Remmert !), nur einen Wunsch: das Haupt das Jochanaan. In trotziger Haltung mit ebenso trotzig fahler Stimme besteht sie darauf.
Bekanntlich gibt Herodes schließlich nach, doch der Kopf des Täufers wird ihr hier nicht auf einer Schüssel serviert. Sie zieht ihn selbst aus der Grube, presst ihn wie von Sinnen gegen den Unterleib. Ihr weißes Gewand färbt sich rot von seinem Blut.
Währenddessen wechselt ihr strahlender, intonationsreiner und ermüdungsfreier Sopran zwischen Raserei und Innigkeit, zwischen Triumph, Verzweiflung und der sie tröstenden Gewissheit: „Hättest du mich angesehn, du hättest mich geliebt.“ Höchst beeindruckend und berührend, wie Camilla Nylund das sängerisch in nie nachlassender Intensität gestaltet. Herodes jedoch, total schockiert, nennt sie ein Ungeheuer und erschießt sie eigenhändig.
Neben diesen überragenden Hauptpartien sind auch die Nebenrollen sehr gut besetzt, so das alerte Juden-Quintett mit Michael Laurenz, Dietmar Kerschbaum, Stephen Chambers, Jonathan Winell und Grigory Shkarupa. Den beiden Soldaten leihen Arttu Kataja und Johannes Stermann ihre Stimmen. Tobias Schabel und Maximillian Krummen glänzen als die beiden Nazarener.
Zuletzt Bravi und stehende Ovationen insbesondere für die überragende Camilla Nylund. Weitere Termine: 8. und 13. Februar.
Ursula Wiegand