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BERLIN/ Volksbühne: MURMEL MURMEL

15.04.2012 | KRITIKEN, Theater

Berlin, Volksbühne: „MURMEL MURMEL“, 14.04.2012

Murmel, murmel schon im Kassenraum. Hier drängen sich Jung und Alt um die wenigen Restkarten. Der große Saal der Volksbühne ist bald rappelvoll. Alle wollen den neuen Knüller sehen, das Stück „Murmel Murmel“ nach dem gleichnamigen Buch des Allround-Extremkünstlers Dieter Roth (1930−1998).

Im Eigenverlag Murmel herausgegeben, liest man/frau auf 176 Seiten nur „murmel murmel“. Der Regisseur und Ex-Schauspieler Herbert Fritsch, selbst ein bekennender Wortakrobat,  macht daraus eine vollmundige Murmel-Mahlzeit, die sich niemand entgehen lassen sollte.
Also weg mit all’ dem sonst üblichen wortreichen Plusterkram, jetzt wird nur noch gemurmelt. Und das 1 ½ Stunden lang. Ein simples Libretto? Mächtiger Murmel-Widerspruch! Die 11 Schauspieler – zwei Frauen und neun Männer – sind wahre Murmel-Hochleistungssportler.
Sie murmeln laut und leise, zart und schrill, keuchend und kreischend, lachend und verzweifelt, zischend und lallend. Sie murmeln allein und im Chor, verwandeln das Wort in murmelll.  Singend und tanzend murmeln sie über die kunterbunte Bühne, deren Kulissenwände zuletzt mittanzen. Komik, Klage und Klamauk – murmelnderweise ist alles drin. Hut ab vor dieser Murmel-Perfektion!

Schon der Beginn wird zum perfekten Murmel-Appetizer. Ein rundlicher Herr zwängt sich durch die erste Reihe, der Musiker Ingo Günther. Bedächtig zieht er eine Uhr auf. Nervös wartet auf der Bühne ein Mann auf seinen Einsatz. Der nun beginnende mimisch begleitete  Murmel-Monolog ist schon die halbe Saalmiete.
Andere gesellen sich zu ihm, sämtlich murmelnde Anzugträger (Kostüme: Victoria Behr), viele mit Hut. Der eine, in tragischer Clownspose, setzt die am Boden liegende Melone schließlich laut murmelnd im Kopfstand auf. Zwei Damen mit hoch toupierter Haarpracht zelebrieren einen Murmel-Veitstanz.
Ingo Günther am Marimbaphon plus Schlagwerk treibt die Murmel-Meute unerbittlich an.  Zwischendurch verheddert sich mal einer heillos am Mikrophon-Kabel, ein anderer findet seine höchstpersönlichen Murmeln glücklich in der Unterhose.

Dazu gibt’s Murmel-Slapstick en masse. Immer wieder purzeln die Murmelnden in den (offenbar gut gepolsterten) Orchestergraben und legen alsbald eine solch ironisch überdrehte Tanzschow aufs Parkett, dass es den ständig kichernden Zuschauern in den Beinen zuckt. Anschließend schlüpfen alle schattenspielartig in  farbenfrohe Tänzer-Trikots und bieten nun ein Murmel-Ballett der munter-mutwilligen Art.

Zur Sondernummer dieses total verrückten Super-Murmel-Abends wird der Schlussapplaus. Zwischen den rotierenden Kulissenwänden tauchen geschwind die einzelnen Akteure auf, inklusive des auf die Bühne gehievten Ingo Günther. Erneut plumpsen sie abwechselnd und munter murmelnd in den Orchestergraben.
Es sind Florian Anderer, Matthias Buss, Werner Eng, Jonas Hien, Simon Jensen, Wolfram Koch, Annika Meier, Anne Ratte-Polle, Bastian Reiber, Stefan Staudinger und Axel Wandtke. Sie rufen nun „murmel murmel“ ins Publikum, und schließlich brüllt diese Worte der ganze begeisterte Saal.    

Ursula Wiegand

 

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