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BERLIN/ Staatsoper: TRISTAN UND ISOLDE

Tristans Zeitreise zu den Anfängen seiner Kindheit

21.06.2019 | Allgemein, Oper

Staatsoper Berlin Tristan und Isolde, Vorstellung vom 20. 06. 2019

Tristans Zeitreise zu den Anfängen seiner Kindheit

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oto: Monika Ritterhaus, 1. Akt Einblendung auf gesamter Bühne, Tristan (Andreas Schager), Isolde (Anja Kampe).  Die Suggestion Tristans

 

Das Team für die szenische Ausrichtung:

Regie und Bühne: Dimitri Tcherniakov, Kostüme:  Elena Zaytseva, Licht:  Gleb Filshtinsky, Video: Tieni Burkhalter

 

Die Liebe zwischen Tristan und Isolde eine utopische Vorstellung

 

Dem Zitat Richard Wagners, dass er der Liebe, dem schönsten aller Träume, ein Denkmal setzen wolle, stellt die Regie mit aller Deutlichkeit infrage. Die Vorgeschichte lässt dabei erhebliche Zweifel aufkommen. Tristan hat im Kampf den Verlobten von Isolde, Morold, besiegt und den Kopf mit beleidigender Häme nach Irland zurückgeschickt, anschließend seine nicht heilende Wunde unter falschen Namen  von der irischen Königstochter heilen lassen und zu guter letzt sich als Brautwerber Isoldes für den ungeliebten alten König Marke hervorgetan.

Übrigens steht an der Deutschen Oper Berlin ebenfalls der „Tristan“ auf dem Spielplan. Hier betrauert Isolde ihren Morold bis zum Ende. Der „Liebestod“ gilt alleine dem Verlobten, mit dem sie auch eine Kind hat. Der Sarg, der immer präsent ist und zum Ende sogar als Möbelstück für die Flurgarderobe seinen Platz findet, untermauert dies. Der „verfluchte Trank“ bewirkt nur eine Bewusstseinsveränderung. Sie projiziert darnach ihren Morold auf die Person des Tristan.

 

Das Trauma des Tristan

 

Zentrales Thema ist die traumatische Entwicklung des Helden.  Ähnlich wie Siegfried im  “Ring“, ist Tristan als elternloses Kind aufgewachsen. Dieses tief in der Seele haftende Erlebnis hat sich in seinem Unterbewusstsein implementiert und Anzeichen von einem psychotischen  Zustand hervorgerufen.  Allerdings ist es ein schleichender Prozess, bis die Auswirkungen zutage treten. So glaubt er beispielsweise im 1. Akt zeitweise in der Person der Isolde ein Abbild seiner Mutter zu erkennen. Ein über die ganze Bühne aufgefächertes Portrait von Tristan und Isolde soll dies untermauern.  Diese seelische Krankheitsgeschichte steigert sich von Akt zu Akt und eskaliert dann im 3. Akt, gewinnt dabei so sehr an Kraft, dass der Held dabei unerträgliche seelische Qualen erleiden muss. Sein unwiderstehlicher Wille in das Reich der Weltennacht zu kommen, wo “ewiges Urvergessen“  herrscht, bringt dann die ersehnte Erlösung.

 

Die unterschiedliche Motivation für den vermeintlichen Todestrank

 

Während beim Tristan, sich für den Todestrank zu entscheiden, sein seelischer Zustand ausschlaggebend ist, ist bei Isolde der Entschluss  eher pragmatisch, denn sie will mit aller Macht verhindern, eine Vermählung mit dem für sie ungeliebten, alten König Marke einzugehen.   

 

Die Welt des Tristan im Kontext einer modernen Gesellschaft

 

Eine Kommunikation zwischen der modernen, luxusorientierten Gesellschaft um König Marke, zu der auch Brangäne gehört und dem Titelhelden mit seiner in den metaphysischen Bereich tangierenden Ausdrucksweise, findet nicht statt.

 

  1. Akt: “Dem Land, das Tristan meint, der Sonne Licht nicht scheint und später: “es ist das dunkel nächtge Land, daraus die Mutter mich entsandt und im 3. Akt: “Ich war, wo ich von je gewesen, wohin auf je ich geh im weiten Reich der Weltennacht.

 

Man redet sozusagen aneinander vorbei. Während König Marke sein Unverständnis über das Verhalten Tristans zum Ausdruck bringt, werden dessen Antworten unkommentiert zur Kenntnis genommen. Erst am Ende des 3. Aktes ist bei König Marke die Erkenntnis um das Innenleben seines treuesten Freundes gereift, allerdings kommt es dann nicht mehr zu einer Kommunikation. Nur Isolde hat den wahren Grund für das sonderbare Verhalten Tristans erkannt und dementsprechend gestaltet sich ihr Verhältnis zu Tristan. 

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Foto: Monika Ritterhaus, 2. Akt, Ensemble,

 

Der 3. Akt das Ziel der  Zeitreise Tristans

 

Der 1. Akt spielt im Saloon einer Luxusjacht mit holzgetäfeltem Raum und elektronischer Ausrüstung. Alle Anwesenden feiern den Tag mit alkoholischen Getränken. Grund ist die junge Braut für den reichen König Marke und der Held ist Tristan, der für das Gelingen verantwortlich war.  Für manche Besucher etwas verwirrend, sind die Reaktionen der Protagonisten nach der Einnahme des vermeintlichen Todestrankes, denn sowohl Tristan, als auch Isolde bekommen plötzlich einen Lachanfall, weil sie auf einen betrügerischen Trank hereingefallen sind. Für Thomas Mann hätte ein Glas Wasser die gleiche Wirkung für die Liebenden erzeugt, umgekehrt ist ein Liebestrank für ein unrealistisches Liebespaar wirkungslos.

 

Im 2. Akt sind auf der Bühne wenig Veränderungen vorgenommen worden. Die vielen Gäste bereiten sich auf eine bevorstehende nächtliche Jagd vor. Ein Liebesduett findet technisch aus den dargelegten Gründen nicht statt. Das ungleiche Liebespaar reflektiert über die Gedanken der Liebe und beide müssen teilweise über den wollüstigen Text lachen. Beim unerwarteten Erscheinen von König Marke mit seinem Gefolge kommt es dann zu den transzendenten Gedanken Tristans.

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Foto: Monika Ritterhaus 3. Akt: Andreas Schager (Tristan), Anja Kampe (Isolde),  rechts König Marke mit seiner neuen Frau Brangäne an seiner Seite, Ensemble

Im 3. Akt dann eine völlige Abkehr zu den vorhergehenden Akten mit der luxuriösen Ausstattung und einer frivolen Gesellschaft.  Die Bühne zeigt eine schlichte, eher armselige, aber dennoch heimische  Wohnung der Kindheit Tristans. Das psychische Leiden diktiert jetzt seine Handlung, ausgelöst durch  das Wiederaufleben seiner Jugendzeit. Plötzlich erscheinen in seiner Phantasie seine schwangere Mutter mit dem Vater, eine ergreifende, aber auch logische Szene.  Erst beim Auftritt Isoldes kommt es zur Befreiung Tristans von seinen unerträglichen Qualen.

Insgesamt kann man von einer inhaltlich neuen und in der Ausführung konsequenten szenischen Deutung sprechen, mit einer unterhaltsamen Bildsprache und guter Personenführung.  Allerdings muss man den Besuchern, die eine werktreue Handlung bevorzugen, deren Meinung respektieren. Natürlich bleiben einige Fragen offen, beispielsweise, warum am Ende Isolde sich einen Wecker an das Bett Tristans stellt.

Die Staatskapelle Berlin mit lobenswerter Interpretation unter dem GMD Daniel Barenboim

 

Barenboim versucht einen Bogen über alle drei Akte zu spannen, indem er kontinuierlich die Spannung von Akt zu Akt erhöht, die dann im 3. Akt mit den unerträglichen seelischen Qualen Tristans ihren Höhepunkt erreicht und mit dessen Erlösung sich “ in des Welt-Atems wehendem All” auflöst. Im ersten Akt sind die Tempi ein wenig schleppend, aber trotzdem  sängerfreundlich. Es wird vornehmlich in Dialogen die genaue Vorgeschichte thematisiert.  Im zweiten Akt das lang ersehnte Zusammentreffen der Liebenden, musikalisch eine leidenschaftliche erotische Vereinigung in höchster Präzision, meisterlich umgesetzt und im 3. Akt der Höhepunkt mit instrumental aufwühlenden Orchesterklängen.

Besonders positiv auffallend die tiefen Streicher in Abstimmung mit dem Holz. (Englischhorn: Florian Hanspach-Torkildsen).  

 

Andreas Schager als Tristan ist ein Interpret mit unglaublichen Kraftreserven, der im 3. Akt keinerlei Verschleißerscheinungen zeigt, obwohl er dabei zusätzlich akrobatische Luftsprünge absolvieren muss, eine große Meisterleistung. Ihm zur Seite Anja Kampe als Isolde, die ihre ganze sängerische Kraft aufbringen muss, um sich neben dem Kraftprotz zu behaupten. Das gelang ihr vortrefflich.

Renè Pape als König Marke, konnte mit seiner aristokratischen Erscheinung und seiner noblen raumgreifenden Stimme, der Figur das nötige Profil geben, dabei gestattete der Dirigent ihm an manchen Stellen seine eigenwilligen Interpretationen.     

 Violeta Urmana als Brangäne mit vollem Stimmvolumen, durfte am Ende anstelle der Isolde, deren Platz an der Seite von König Marke einnehmen. Boaz Daniel als Kurwenal überzeugte stimmlich und darstellerisch ebenso, wie Adam Kutny als Steuermann und Linard Vrielink als Hirt. Die Eltern Tristans, ein Phantasiegebilde des Helden, waren Adriana Thiel und Eric Dunlap. 

 

Am Ende gab es für Orchester und die Sängerdarsteller die berechtigten Ovationen und hätte Sigmund Freud unter den Zuschauer geweilt, hätte er eventuell die mit psychologischen Elementen untermauerte szenische Sichtweise, mit einem wohlwollenden Plazet versehen. 

 

Weitere Vorstellungen: 25. 06. 2019 und 28. 06. 2019

 

Franz Roos

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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