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BERLIN/ Staatsoper: SIMON BOCCANEGRA mit Domingo

29.05.2012 | KRITIKEN, Oper

Berlin, Staatsoper: „SIMON BOCCANEGRA“ mit Domingo, 28.05.12


Placido Domingo. Foto: Monika Rittershaus

 „Never change a winning team! Und das gilt auch für die Oper. Am 24. Oktober 2009 war in der Staatsoper die Premiere von „Simon Boccanegra“, und zur Premiere wurde die Rolle des Dogen von Genua auch für Plácido Domingo.

Denn mit der Partie in dieser Verdi-Oper wechselte er endgültig und sehr erfolgreich ins Baritonfach. Plácido Domingo macht  „SIMON BOCCANEGRA” zur Sensation,” lautete die Überschrift meiner damaligen Rezension.

Seither tourt der Unverwüstliche mit dieser Rolle, die ihm auf den Leib geschrieben zu sein scheint, um den Globus. Endlich ist er damit nun wieder an der Staatsoper, jetzt im Schillertheater, zu hören. Nein, zu erleben. Gut 2 ½ Jahre sind vergangen, eine schwere OP hat er hinter sich, doch seine Stimme ist weiterhin voller Wohllaut und klingt so prägnant wie eh und je.

Eigentlich könnte ich heute die gleiche Headline wählen. Allerdings hat sich die Musikwelt inzwischen daran gewöhnt, dass sich Domingo in seinem Alter laufend weitere Bariton-Partien erschließt und empfindet das nicht mehr als sensationell. Einen Altersbonus braucht dieser Ausnahmemensch jedenfalls nicht.


Placido Domingo, Anja Harteros. Foto: Monika Rittershaus

Wie ein junger Mann eilt er auf die Bühne und findet dort seine Partner von früher: die wunderbare Anja Harteros als seine wiederentdeckte Tochter Amelia, dann Kwangchul Youn als seinen Feind Jacopo Fiesco und gleichzeitig Amelias Großvater. Außerdem Fabio Sartori als Gabriele Adorno, der Amelia liebt und den Dogen hasst, weil der einst seinen Vater getötet hat.

Domingo begegnet auch erneut Hanno Müller-Brachmann als ehrgeizigen Paolo Albiani, der ihn, den Herrscher, klammheimlich vergiftet. Und sie alle singen und gestalten ihre Partien mindestens ebenso überzeugend wie 2009.

Genau genommen wirkt Anja Harteros jetzt noch inniger und gleichzeitig strahlender, drückt Kwangchul Youns profunder Bass noch heftiger seine Abneigung gegen Simon aus, der vor Jahren seine Tochter Maria verführt hat.

Fabio Sartori wirbt mit noch mehr Schmelz um Amelia, steigert sich aber, als er sie der Untreue verdächtigt, in einen Gefühlsaufruhr voller Wohllaut. Deutlich zugelegt an Stimme und Darstellung hat zudem Hanno Müller-Brachmann, was mit Zwischenapplaus und phonstarkem Schlussbeifall gewürdigt wird. Neu besetzt ist die Rolle des Pietro, diesmal mit Wilhelm Schwinghammer.

Die „Premierenmannschaft“ von 2009 agiert zudem im gewohnten Umfeld. Die Verantwortlichen sind wiederum Federico Tiezzi (Regie), Maurizio Balò (Bühnenbild) und Giovanna Buzzi (Kostüme).

Die schöne Anja Harteros sieht im königsblauen langen Kleid erneut hinreißend aus. Domingo macht in der Parade-Uniform nach wie vor eine gute Figur, nur der zu lange weiße Dogenmantel ist eher hinderlich als schmückend.

Natürlich steht auch Daniel Barenboim wiederum energiegeladen am Pult und lässt zusammen mit der Staatskapelle Berlin Verdis so handlungs- und charaktergerecht komponierte Musik mit Verve aufblühen. Nur in der ersten Szene des 1. Akts, als Anja Harteros ungemein zart die Dämmerstunde und das lächelnde Meer besingt, ist die Begleitung unsensibel und zu laut.

Und Domingo? Der verkörpert in Stimme und Schauspiel den zum Dogen wider Willen beförderten Korsaren ebenso superb wie den kampfbereiten Friedensfürsten, der voller Mut nichts anderes im Sinn hat, als die verfeindeten Stadtregierungen zu einen. Wie er sich schließlich überwindet, dem verhassten Gabriele Adorno seine geliebte Tochter zur Frau zu geben, wird zum Höhepunkt dieser rundherum fabelhaften Aufführung.

Und wer kann so eindrucksvoll wie Domingo dahinsiechen und dabei ein solch herzerweichendes, klangreiches Piano singen wie er beim letzten Segen für das gerade getraute junge Paar? Diese Leistung ist aller Bewunderung wert.

Entsprechend prasselt dann der Beifall, auch für den erneut von Eberhard Friedrich einstudierten Staatsopernchor. Das Publikum klatscht und kreischt vor Begeisterung und spendet lang anhaltende stehende Ovationen. Blumensträuße fliegen auf die Bühne, die meisten für Domingo, diesen sympathischen Divo.

  Ursula Wiegand

 

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