Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BERLIN/ Staatsoper: DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG

Meister Sachs als Schuhfabrikant und weit blickender Poet

21.04.2019 | Allgemein, Oper

Staatsoper Berlin, Meistersinger, Vorstellung vom 21.04.2019

Meister Sachs als Schuhfabrikant und weit blickender Poet

Szenische Gestaltung

Regie: Andrea Moses, Bühne: Jan Pappelbaum, Kostüme:  Adriana Braga Peretzki, Licht: Olaf Freese, Chor: Martin Wright


Foto: Bernd Uhlig  1. Akt   Im Hintergrund Walther von Stolzing (Klaus Florian Vogt)  In der Aufführung sang Burkhard Fritz, links Sixtus Beckmesser, auf der Empore die Lehrbuben

Die Meistersinger umfassen das ganze Spektrum eines Musiktheaters, angefangen mit einer akribisch genauen Beschreibung der kompositorischen Regeln von Johann Christoph Wagenseil , dem Auftreten eines jungen Rebellen, der glaubt, alles selbst bestimmen zu können, einem Schumacher und Poeten, der im Hintergrund das Geschehen leitet und letztendlich eine Hymne auf die deutsche Kunst. Dabei gilt es, manche Begriffe differenziert zu betrachten, beispielsweise ist die Handlung national, aber nicht nationalistisch, heiter und festlich, aber nicht urkomisch. Die mythologische Welt weicht dem realistischen Nürnberg mit ihrem berühmten Schumacher und Poeten Hans Sachs. Außerdem ist die Handlung auf zwei Tage begrenzt.  

Das Volk feiert sich selbst und das Jubiläumsjahr der Wiedervereinigung mit all seinen kulturellen und wirtschaftlichen Errungenschaften

Die Premiere fand im Jahre 2015 im Schiller Theater statt, die zeitgleich mit dem 25-jährigen Bestehen der deutschen Wiedervereinigung zusammenfiel. In der Inszenierung werden dabei die kulturellen und wirtschaftlichen Erfolge gefeiert, die mittels diverser Fahnen noch einen zusätzlichen Anstrich erhalten.    

Eine zeitgemäße Inszenierung in einer realen modernen Welt

Gleich zu Beginn betreten die Darsteller aus dem Zuschauerraum kommend, die Bühne. Die  Meistersinger, gutsituierte Unternehmer, teilweise in Ruhestand,  sind dem Publikum zugewandt, um die Besucher zu animieren, ebenfalls ihr Urteil beim  späteren Gesangswettbewerb abzugeben. Beckmesser vom Beruf vielleicht der Kultursenator von Berlin, schlüpft für den kommenden Auftritt im zweiten Akt in ein  frivoles mittelalterliches Minnesängerkostüm.

Der zweite Akt spielt auf einem Hochhaus, beleuchtet von Lichtreklame der Unternehmer Veit Pogner und Hans Sachs, dem Schuhfabrikanten. Den großen Höhepunkt in diesem Akt bildet die kurze, aber heftig ausfallende Prügelfuge. Es herrscht auf der Bühne ein großes Durcheinander. Da geraten Chaoten als vermeintliche Demonstranten getarnt, aufeinander, rivalisierende Fußballklubs bekämpfen sich mit Schlägen. Man blickt auf ein streitsüchtiges Volk. Glücklicherweise dauert der Spuk nur wenige Minuten und wird mit den mahnenden Worten des Nachtwächters wieder friedlich beendet.

     
Foto: Bernd Uhlig   2. Akt  Sixtus Beckmesser mit Laute (Martin Gantner) im mittelalterlichen Minnesängerkostüm  Im Hintergrund  bestaunen Punks den seltsamen Gast

Der zweigeteilte dritte Akt ist eine Hommage an die Hauptstadt Berlin, die nach dem Mauerfall der Mittelpunkt für die verschiedensten Feiern anlässlich des einmaligen Ereignisses war. Anstelle der Schusterstube des Hans Sachs, wird ein holzgetäfelter Raum mit einer außergewöhnlichen Bibliothek gezeigt, was auf die intellektuelle Seite des Schusters hinweisen soll.


Foto: Bernd Uhlig    3. Akt  Hans Sachs (Wolfgang Koch), rechts Eva (Julia Kleiter) Chor und Ensemble     Im Hintergrund das Berliner Schloss

Beim zweiten Teil mit der bekannten Festwiese, wird im Hintergrund das Berliner Schloss gezeigt, ein beeindruckendes Bühnenbild.

Die Inszenierung entfaltet eine lebendige Personenführung, hat den Sprung von dem mittelalterlichen Nürnberg in die Gegenwart erfolgreich durchgeführt und besticht durch mannigfache humoristische Einfälle. Allerdings muss man den Besuchern, die eine historische Handlung bevorzugen, deren teilweise ablehnende Haltung respektieren. Auch könnten die vielen ausländischen Besucher, mangels geschichtlicher Zusammenhänge, daraus eine zwiespältige Schlussfolgerung ziehen.

Die Staatskapelle Berlin mit ihrem GMD Daniel Barenboim

Beim Erklingen der Ouvertüre, eine Art Sinfonische Dichtung, wird sofort klar, dass der Dirigent die kraftvollen musikalischen Ausbrüche vermeidet, vielmehr ein homogenes Gesamtwerk entwickelt. Hervorragend die Unterstützung für die Sängerdarsteller und eine eigens für die Hauptfigur entwickeltes musikalisches Konzept für die drei Monologe. Beim Fliedermonolog mit den verzögerten Tempi und den eingelegten Pausen, wird zusätzlich Spannung erzeugt. Ergreifend das Vorspiel zum 3. Akt, nachdenklich und vorausschauend auf das Kommende. Am Schluss vermeidet Herr Barenboim das mächtige Pathos, um nicht wegen dem gewaltigen Fahnenmeer auf der Bühne, in die rechte Ecke gedrängt zu werden. Insgesamt ein homogenes Dirigat, das am Ende den verdienten Beifall bekam. Natürlich der Chor, der vor allem im dritten Akt stimmstark und mit Vehemenz unter der Leitung von Martin Wright, für eine heitere Stimmung sorgte.

Große Begeisterung für die sängerische und darstellerische Interpretation

Mit seiner Persönlichkeit, seiner Bühnenpräsenz, seiner musikalischen Ausdruckweise und seinen gesanglichen Fähigkeiten ist Wolfgang Koch für die Gestaltung des Hans Sachs hervorragend prädestiniert. Den Fliedermonolog gestaltete er mit großer Hingabe und lyrischer Phrasierung, den Wahnmonolog philosophierend, begleitet von  melanchologischen satten Streicherklängen, die Schlussansprache bestimmend, aber nicht zu vehement mit einem emotionalen Appell auf die Würdigung der Kunst. Auffallend seine eigenartige Interpretation, die immer im Einklang mit dem Dirigenten stand.

Walther von Stolzing (Burkhard Fritz), ist mit seiner heldischen Klangfarbe der ideale Partner von Eva (Julia Kleiter) mit ihrer jugendlich dramatischen Sopranstimme.

David (Siyabonga Maqungo), im eleganten Zweireiher, ist hier natürlich kein Lehrbube, sondern eher der Prokurist in der Schuhfabrik des Hans Sachs. Ebenbürtig dementsprechend Magdalene (Katharina Kammerloher), die wahrlich nicht eine Art Zofe von Eva ist, sondern eine selbstsichere Angestellte im Juwelier-Geschäft von Veit Pogner (Matti Salminen).

Martin Gantner als Beckmesser wirbt hier keinesfalls um die Gunst von Eva, sondern vertritt mit Nachdruck das musikalische Regelwerk und dokumentiert dies mit seinem kräftigen lyrischen Bariton und noblessen Auftreten. Außerdem der Nachtwächter (Erick Rosenius)

“Ehret eure deutschen Meister” , eine Würdigung der Meistersinger:

Im Vordergrund steht nicht die stimmliche Wiedergabe, sondern uneingeschränkt die Würdigung der persönlichen Präsenz.

Hans Schwarz (Franz Mazura) wurde an diesem Abend mit würdevollen Worten von der Intendanz und dem GMD anlässlich seines 95. Geburtstags geehrt, der an diesem Abend gehandicapt im Rollstuhl auftrat. Veit Pogner (Matti Salminen), Fritz Kothner (Jürgen Linn), Kunz Vogelgesang: (Craham Clark), Konrad Nachtigall: (Adam Kutny), Balthasar Zorn: (Siegfried Jerusalem), Ulrich Eisslinger: (Reiner Goldberg), Augustin Moser: (Florian Hoffmann), Hermann Ortel: (Arttu Kataja), Hans Foltz: (Olaf Bär)

Querelen zwischen GMD Barenboim und Orchestermitglieder

In den Pausengesprächen wurden die Querelen zwischen dem GMD Barenboim und einigen Orchestermitgliedern heftig diskutiert. Einhellige Meinung war demnach, dass die Missstände, falls sie vorhanden sind, schleunigst aus dem Weg geräumt werden.  Man solle in gemeinsamen Gesprächen einen Konsens herbeiführen, damit Ruhe in die Diskussion eintritt und man wieder zur künstlerischen Tagesordnung übergehen kann. Der warmherzige und nicht endende Schlussapplaus vom gesamten Publikum für den GMD Barenboim und das Orchester der Staatskapelle ist ein markantes Signal für diese Forderung. Wie das Brandenburger Tor zum Wahrzeichen von Berlin geworden ist, so ist das Orchester der Staatsoper Berlin mit seinem GMD Daniel Barenboim, ein Klangkörper, der die Stadt Berlin zu einem weltbekannten Begriff gemacht hat.

Franz Roos

 

Diese Seite drucken