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Berlin/ Staatsoper: DIDO AND AENEAS / Sasha Waltz

Berlin, Staatsoper: Sasha Waltz’ „DIDO & AENEAS“, 03.06. 2012


Unter Wasser-Tanz. Foto: Sebastian Bolesch

„Dieser Pas de Deux wird der berührendste, den ich je gesehen habe,“ schrieb ich nach der Waldbühnenaufführung im letzten August und kann das jetzt nur wiederholen.

Die Choreographin Sasha Waltz hat ihn für Karthagos Königin Dido und für den aus Troja geflohenen Aeneas kreiert. Die plötzlich aufflammende Leidenschaft zweier Menschen füreinander wird hier auf eine ebenso vorsichtige wie innige Weise verdeutlicht. Beide tasten sich fast zueinander.

Diese Zartheit, die wiederum der athletische Virgis Puodziunas an den Tag legt, gelingt ihm auch mit zwei neuen Partnerinnen, die diesmal die Dido verkörpern. Bei der entscheidenden ersten Begegnung, dem Pas de deux, ist es Yael Schnell. Das Zueinanderwollen, das beide fast wieder Willen ergreift, wird von ihnen intensiv herausgetanzt. Als zweite Dido agiert Michal Mualem.

Berühmt geworden ist diese Choreographie insbesondere durch das Bühnenbild von Sasha Waltz und Thomas Schenk, durch das „Aquarium“, in dem die Tänzerinnen und Tänzer ein Unterwasserballett zelebrieren. In den Fluten entdecken sie das versunkene Karthago und damit den Spielort der tragischen Geschichte.

Dieses „Aquarium“ steht nun nicht mehr im Freien, sondern in der Staatsoper im Schillertheater. Die wunderbare Musik von Henry Purcell wird also nicht „verwässert“ und auch nicht vom Winde verweht.

Der Dirigent – erneut Christopher Moulds – weiß diesen Vorteil zu nutzen, ebenso die Akademie für Alte Musik Berlin und das Vocalconsort Berlin. Deren Sänger sind darstellerisch ins Geschehen eingebunden, und viele zeigen dabei durchaus tänzerische Talente.


Die Trojaner. Vorne Aeneas. Foto: Sebastian Bolesch

Ohnehin sind den Hauptpersonen Sänger zugeordnet, und auch die gebärden sich keinesfalls steif. Erneut verleihen Aurore Ugolin der Dido und Reuben Willcox dem Aeneas ihre ausdrucksvollen Stimmen und beweisen dabei auch Bühnenpräsenz.

Zum turbulenten Highlight wird die maskierte und ungeniert feiernde Jagdgesellschaft. Der Liebesgott Amor tut seine Dienste und bald fliegen die vom Leibe gerissenen Kleidungsstücke durch die Luft. Eine Fülle von Einfällen fasziniert das Publikum.

Doch die Hexen, denen die Liebe von Dido und Aeneas ein Dorn im Auge ist, hecken bereits Übles aus. Eine als Götterbote Merkur verkleidete Hexe befiehlt Aeneas, auf Geheiß von Jupiter sofort nach Italien aufzubrechen, um dort ein neues Reich zu gründen.

Er gehorcht und entscheidet sich schweren Herzens gegen die Liebe. Die bösen Geister frohlocken. Ist der Aeneas in diesem Stück also eher das Opfer böser Mächte als ein Ehrgeiziger, den es nach neuen Heldentaten gelüstet?

Dido nimmt realistischerweise letzteres an, und das Verlassenwerden ist ihr Todesurteil. Als Aeneas seinen Entschluss bereut und (angeblich) doch bei ihr bleiben will, schickt sie ihn fort.

Die Abschiedsszene, die soviel Einsicht in gesellschaftliche Zwänge offenbart, wird zum letzten Höhepunkt. Beide, Dido und Aeneas, bilden den Kopf ihrer aufgereihten Landsleute.

Sehnsüchtig strecken sie die Arme einander entgegen, wollen den Partner festhalten. Doch stets schwingt die Gruppe mit ihnen zurück. Nicht einmal die Fingerspitzen können sich letztmalig berühren. Besser lässt sich die Ohnmacht des Individuums gegenüber politischen Erfordernissen nicht darlegen. Ein packendes Bild.

Nach Aeneas Abreise und Didos Tod zündet eine Tänzerin kleine Feuerchen auf der dunklen Bühne an. Schnell verlöschen sie, Karthago wird untergehen. Diese Schluss-Szenen gehen offenbar unter die Haut. Erst nach einer Besinnungspause bricht sich der starke und lang anhaltende Beifall Bahn.

Ursula Wiegand

 

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