Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BERLIN/ Staatsoper: ARIADNE AUF NAXOS

18.06.2015 | Allgemein, Oper

Berlin/ Staatsoper: „ARIADNE AUF NAXOS“ von Richard Strauss, 17.06.2015

Manchmal muss sich selbst eine Kritikerin vor Erstaunen Ohren und Augen reiben. So bei dieser Neu-Inszenierung der „Ariadne auf Naxos“ in der Staatsoper im Schillertheater. Denn hier stimmt diesmal wirklich alles. Gesungen wird, um damit anzufangen, großartig, insbesondere von den Hauptpersonen, und die sind auch typmäßig passgenau besetzt.

Brenda Rae (Zerbinetta), Camilla Nylund (Ariadne), Foto Monika Rittershaus
Brenda Rae (Zerbinetta) und Camilla Nylund (Ariadne). Foto: Monika Rittershaus

In der Reihe ihrer Auftritte sind das Marina Prudenskaya als der junge idealistische Komponist. Hervorragend sieht die Schmale im schicken dunklen Hosenanzug aus (Kostüme: Andrea Schmidt-Futterer), und ihr Mezzo erreicht ohne größere Mühe die in dieser Rolle erforderlichen Höhen. Roman Trekel, ohnehin ein Ass des Hauses – mit seinem gut geführten Bariton jedoch weltweit gefragt – ist hier der lebenserfahrene Musiklehrer. Einer, der den unbedarften jungen Komponisten mit verständnisvollem Humor leitet. Dem könnte sich wohl jeder/jede bedenkenlos anvertrauen.

Dagegen macht die schöne Camilla Nylund mit ihrem perfekten dramatischen Sopran all’ die Verzweiflung der von Theseus Verlassenen, schon vor Trauer Sinnesverwirrten überzeugend deutlich. Fast noch mehr imponiert Brenda Rae als Zerbinetta. Fabelhafte Figur und eine noch fabelhaftere Stimme, der keine Koloratur zu waghalsig, kein Ton unerreichbar ist. Ein Temperamentsbündel im verlockend roten Kleid mit entsprechendem Männerverschleiß. Die Idealbesetzung für diese Rolle. Für ihre lange, pointiert gesungene Arie, mit der sie die unaufhörlich trauernde Ariadne umstimmen möchte, erhält sie heftigen Zwischenbeifall.

Jedenfalls bilden Camilla Nylund und Brenda Rae mit ihren unterschiedlichen Lebensstilen hier ein durchaus spannendes Paar. „Ich glaube an die einzige Liebe,“ schreibt Ariadne auf eine Bühnenwand. „Die Liebe hat unzählige Gesichter,“ kontert Zerbinetta, hinter deren Lockerheit auch eine gewisse Melancholie erkennbar wird. Ständig schön und begehrt zu sein, alles zu improvisieren – wie in Hugo von Hofmannsthals Libretto vorgesehen – ist sicherlich anstrengend.

Camilla Nylund (Ariadne), Roberto Saccà (Bacchus), Foto Monika Rittershaus
Camilla Nylund (Ariadne) und Roberto Saccá (Bacchus). Foto: Monika Rittershaus

Spannend ist überdies, wie Roberto Saccà mit strahlendem Tenor, doch auch mit Nachdenklichkeit den Gott Bacchus verkörpert, eine Partie, in der er bereits 2006 in Zürich einen großen persönlichen Erfolg verbuchte. Hier steigt er wie ein gefangenes Tier aus einem Käfig und wird von den Krankenschwestern mit einem Tierkopf plus güldenem Brustpanzer ausgestattet.

Den Schlüssel zum Erfolg hält jedoch Ingo Metzmacher in den Händen. Mit Herz und Hirn folgt er mit der Staatskapelle Berlin der Notenspur von Richard Strauss, greift gekonnt alle Stimmungen auf, differenziert deutlich zwischen Pathos und Komik. Das Vorspiel zum 2. Akt ist reine Sahne. Selten war die Staatskapelle so konzentriert und gleichzeitig so entspannt zu hören wie in dieser „Ariadne auf Naxos“.

Ein weiterer Erfolgsgarant ist diesmal tatsächlich Hans Neuenfels. Die Dildos, sein Markenzeichen, fehlen zwar auch in dieser Inszenierung nicht, fallen aber ebenso wenig ins Gewicht wie die von Kraftkerlen begleiteten Kardinäle, die unter einem Baldachin eine Merkur-Statue für Ariadne herbeibringen.

Wesentlicher ist Neuenfels’ genauer Blick auf die einzelnen Personen, die er ihre eigene Geschichte erzählen lässt. Auch Elisabeth Trissenaar, die immer in seinem Schlepptau befindliche Ehefrau, bringt in der Sprechrolle des arroganten Haushofmeisters eine lobenswerte Leistung. Per saldo wird durch die karge Bühne aus zumeist weißen verschiebbaren Wänden, bestückt mit zerborstenen Säulen und Baumaterial (gestaltet von Katrin Lea Tag), die Konzentration aufs Wesentliche gefördert.

Die verwirrte Ariadne ist offenbar Patientin in einer Nervenheilanstalt, sind doch die beiden Nymphen und das Echo weiß wie Krankenschwestern aus früheren Zeiten gekleidet. Mit dem bekannten „Faden der Ariadne“ ziehen sie die Kranke von ihrem Lager, hier keine Höhle, sondern ein relativ bequemes Chaiselongue.

Dem Bacchus ist ebenfalls die Realität abhanden gekommen. Der fühlt sich vermutlich als Odysseus, denn er sieht in Ariadne zunächst die Zauberin Circe, der er mit Mühe entronnen ist. Andererseits begrüßt sie ihn als Theseus und meint danach, in ihm den ersehnten Totengott zu erkennen. Neuenfels verwirbelt dabei, ganz im Sinne von Strauss und Hofmannstahl – Tragödie und Komödie, Mythos und banal Heutiges bis hinein in die Nebenrollen.

Auch sind passend besetzt. Besonders gefällt der Bariton Gyula Orendt, der Stimme mit akrobatischem Witz vereint. Erfolgreich mit von der Partie sind Stephen Chambers als Scaramuccio, Grigory Shkarupa als Truffaldin und Jonathan Winell als Brighella.

Die uneigentlichen Nymphen werden von Evelin Novak als Najade und Annika Schlicht als Dryade ansprechend gesungen. Hinzu kommen Sónia Grané als Echo, Patrick Vogel als Offizier, Maximilian Krummen als Perückenmacher, Arttu Kataja als Lakai und Florian Hoffmann als Tanzmeister. Eingefügt ist ein Puppenspieler (JARNOTH), der die Köpfe zweier junger Menschen auf den Händen trägt und mit denen Ariadne umschmeichelt. Sie küsst sie herzlich und sieht in ihnen wohl sich und Theseus. Das Ende ist düster, denn Neuenfels nimmt Strauss beim Wort. Ariadne solle zum Schluss wirklich sterben, wünschte der, und hier ist das der Fall. Während Bacchus, ebenfalls ein unheilbar Kranker, hilf- und teilnahmslos am Bühnenrand sitzend sein Verlangen nach Ariadne wunderbar hören lässt, macht sie mit einem Dolch Harakiri. Zuletzt liegt sie regungslos, zärtlich schmiegt sich der Komponist an sie. Ein sonderbar ergreifender Schluss, gefolgt von anhaltendem Jubel.

Ursula Wiegand

Weitere Termine: 20., 22., 25. und 27. 06.

 

 

 

 

Diese Seite drucken