Berlin/ Staatsballett Berlin: „Minus 16“, Choreographien von Sharon Eyal und Ohad Naharin in der Deutschen Oper Berlin. 3. Vorstellung, 29.10.2024
Foto: Admill Kuyler
Mit zwei modernen Ballettschöpfungen startet das Staatsballett Berlin in die Saison 2024/2025. „Explosive und hypnotische Tanzvisionen“ sollen die Besucher/innen erleben. Doch nicht „Minus 16“ macht den Anfang, sondern „SAABA“ von Sharon Eyal, die zusammen mit Gai Behar zum 4. Mal in Berlin ihr international hochgeschätztes Können beweist.
Die Techno-Musik vom Tonträger stammt erneut von Ori Lichtik, die weißen durchsichtigen Kostüme hat Maria Grazia Chiuri entworfen, die für DIOR arbeitet.
Doch schauen wir mal zurück. Mit „Half Life“ hatte Sharon Eyal im September 2018 die Ballettfans in Berlin wachgerüttelt, und Begeisterte sind mehrfach gekommen. In der Saison 2023/24 stand das Stück wieder auf dem Spielplan. Groß sind daher auch jetzt die Erwartungen, doch werden sie entsprechend erfüllt? Das ist die Frage. Sehr unterschiedliche Phasen und Bewegungen sind diesmal erstaunlicherweise kaum zu sehen. Zumeist trippelt die gesamte Gruppe mal etwas auseinander und zurück, doch generell bleiben alle dicht bei dicht, so als fühlten sie sich unsicher oder gar bedroht.
Getanzt wird mit zumeist starrer Körperhaltung. Hohlkreuz und Gesäßbetonung sind offensichtlich gefordert und außerdem eine zumeist starre Haltung der Gliedmaßen. Echte Lebendigkeit entwickelt sich jedenfalls nicht, und scheint auch nicht erwünscht zu sein.
Foto: Admill Kuyler
Gegen was müssen sich diese jungen Menschen – vielleicht Sharon Eyals Stimmung vertretend – durch ihr enges Miteinander abschirmen? Léo Lérus, einer der Einstudierenden, scheint Ähnliches beobachtet und gefühlt zu haben, wenn er im Programmheft schreibt:
„Es gibt eine Großzügigkeit, aber gleichzeitig liegt etwas extrem Trauriges und Zerbrechliches darin.“ Dennoch kräftiger und wohlverdienter Applaus für diese besondere Tanzleistung.
Im zweiten Teil wird jedoch mit „Minus 16“ . entstanden schon 1999, alles erfrischend anders. Schalk, Lebendigkeit und Lebensfreude sind das Thema von Ohad Naharin, der weltweit für seine Bewegungsmethode Gaga bekannt ist. Auch die ist kein Kinderspiel, fordert doch Naharin, der ständig Tätige, die Fantasie und die körperlichen Grenzen der Tanzenden in seinen Werken heraus.
Foto: Admill Kuyler
Als das Publikum nach der Pause zu den Plätzen strömt. bietet bereits ein junger Tänzer mit blondem Wuschelkopf eine wahre Show mit viel Schabernack, Fantasie und Akrobatik. Dass er mühelos Spaß daran hat, zeigt sich sofort und erheitert die Zuschauenden.
Also Hut ab, wenn vorhanden, vor dieser tollen Leistung. Doch anschließend nehmen die Tanzenden mit Hut und schwarzem Anzug in einem Kreis Platz und beginnen zu zappeln. Es ist der weltbekannte Stuhlkreis „E’had mi yodéa“, und gesungen wird dabei dieser traditionelle israelische Frage-und Antwort-Gesang.
Bald fliegen nun die Anzüge, Hüte und Schuhe in die Bühnenmitte. Staunen und Lachen beim verblüfften Publikum, doch das ist nicht alles.
Foto: Admill Kuyler
Die Tanzenden springen nun von der Bühne und fordern freundlich Damen und Herren aus dem Publikum mit Mitmachen auf. Mit ihren Partnerinnen und Partnern wirbeln sie dann lustig über die Bühne. Das hat sich offenbar schon herumgesprochen, denn alle machen gerne mit. Manche Damen werden von den Tänzern sogar ein Stück auf den Armen getragen, und alle wirken munter und glücklich. Das werden die Auserwählten sicherlich nicht vergessen, und der ganze Saal feiert frenetisch mit vielen Vorhängen soviel unerwartete Leichtigkeit und Lebenslust.
Die nächsten Termine sind am 21., 24. und 29. November. Nicht versäumen!
Ursula Wiegand