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BERLIN/ Schaubühne: DIE KLEINEN FÜCHSE und eine Wölfin. Premiere

19.01.2014 | KRITIKEN, Theater

Berlin/ Schaubühne: Premiere „DIE KLEINEN FÜCHSE“ und eine „Wölfin“, 18.01.2014

Wie eine Fuchsfamilie agieren alle Beteiligten in dieser ursprünglich in den US-Südstaaten spielenden Geschichte der Amerikanerin Lillian Hellman (Deutsch von Bernd Samland). Vordergründig geht es um frisches Geld, das der Familienbetrieb zum Überleben braucht. Ein Investor aus New York will sich an der Firma beteiligen und sie aufs internationale Parkett bringen. Zuvor muss die Familie jedoch noch Geld nachschießen.

Thomas Bading, Nina Hoss, Jenny König, Moritz Gottwald, Mark Waschke, David Ruland, Foto Arno Declair
Thomas Bading, Nina Hoss, Jenny König, Moritz Gottwald, Mark Waschke, David Ruland. Foto: Arno Declair

Überleben und gut leben wollen bei diesem Deal aber alle, wollen stets das größte Stück vom Kuchen für sich. Das heißt aber auch, den oder die anderen zu übervorteilen. Wie Füchse belauern sie einander, beißen auch mal zu und tun dann so, als sei nichts geschehen.

Doch eine ist ihnen an Einfallsreichtum und Skrupellosigkeit weit überlegen: Regina Giddens, die stets elegant gekleidete „Wölfin“ (Kostüme: Dagmar Fabisch). Und der geht es nicht nur um die Firma und die Moneten, sondern auch um die Flucht aus der Kleinstadt-Enge, in der die Familie mitsamt dem Unternehmen beheimatet ist. New York ist ihr Ziel, wo sie mit Hilfe des smarten, flirtgewandten Investors William Marshall (Andreas Schröders) die Freiheit finden will.

Nina Hoss verkörpert diese Regina. Es ist ihr Start bei der Berliner Schaubühne und wird zum Triumph. Die Rolle ist ihr wie auf den Leib geschrieben, diese Beherrschtheit und Härte, hinter der das Feuer lodert. Selbst bei ihrem Lächeln, das hier nie zweckfrei ist, könnte Wasser zu Eis gefrieren. Nur einmal, als sie alles verloren glaubt, leistet sie sich einen veritablen Wut- und Verzweiflungsanfall.

Dieses triste und später dramatische Geschehen entwickelt sich in tiefdunkler, nur sporadisch erhellter Einheitsumgebung. Der Boden, die Wände, die Sitzecke, der Flügel und die zu den Schlafräumen empor führende Treppe – alles ist schwarz (Bühne Jan Pappelbaum). Nur manchmal geht die Tür zum hell erleuchteten, festlich gedeckten Speisesaal auf. Die Show einer Familie, die ihren Standard wahren möchte.

Regisseur Thomas Ostermeier, der zusammen mit Florian Borchmeyer diese Schaubühnen-Fassung konzipiert hat, konzentriert sich voll auf die Personen und hat alle Rollen perfekt besetzt. Er transformiert das Stück ins heutige Finanzgebaren. Die Familienquerelen sind in gewissen Kreisen ohnehin zeitlos. Für zusätzlich dramatische Effekte sorgt die oft dröhnender Musik (zusammengestellt von Malte Beckenbach).

Die Mit- und Gegenspieler von Regina sind ihre beiden Brüder, der lässige Leo Hubbard (Moritz Gottwald), der die Familientradition auf der Zunge trägt, und der brutale Oscar Hubbard (David Ruland), der seiner zarten Frau Birdie, die wirklich wie ein Vögelchen durchs Geschehen flattert, auch mal einen Schlag versetzt.

Ursina Lardi, Foto Arno Declair
Ursina Lardi. Foto Arno Declair

Die (großartig Ursina Lardi) flüchtet aus dieser offenbar schrecklichen Ehe in den Alkohol (übrigens wie die Autorin) und an den Flügel. Es sieht wirklich so aus, als bräuchte sie kein Playback. Für ihre auch im Suff noch charmant-selbstironische Lebensbeichte erhält sie zu Recht spontanen Szenenapplaus.

Und dann sind da noch das fleißige Hausmädchen Addie (Jenny König) und Reginas Tochter Alexandra (Iris Becher), die Horace, den herzkranken Vater, aus dem Krankenhaus herbei holen muss, damit seine Frau und deren Familie ihm Geld abpressen können.

Auf den Stock gestützt schleppt er sich durch den Raum. Regina bleibt weit entfernt, setzt sich nur zur Verhandlung neben ihn. Er liebt sie noch immer, gesteht er voller Schmerz und Würde (überzeugend Thomas Bading). Dagegen wirft Regina dem Todkranken ihre Verachtung gnadenlos an den Kopf, denn ihr ging es immer nur um sein Geld.

In diesen fürchterlichen Szenen einer Ehe weiß sie aber noch nichts von dem besonderen Coup, den ihr Bruder Oscar und sein schlaksiger Sohn Ben (Mark Waschke), ein Taugenichts mit krimineller Energie, ausgeklügelt haben. Ben, Praktikant bei einer Bank, hat sich den Schlüssel zu Horace’ Safe verschafft und dort 2 Millionen Dollar Schuldverschreibungen entdeckt.

Auf Betreiben seines Vaters entwendet er sie angeblich leihweise, und Oscar bringt sie geschwind zum Investor nach New York. Anders als erwartet hat Horace jedoch den Raub entdeckt. Doch nicht daraus resultiert sein letzter Herzanfall. Eiskalt weigert sich Regina, ihm die lebensrettenden Tropfen zu holen. „Ich habe immer Glück,“ sagt sie und nimmt seinen raschen Tod ungerührt in Kauf.

Doch sie verliert nicht nur den ungeliebten Mann, sondern gleichzeitig auch ihre Tochter. Die hat alles mitbekommen, die will nichts mehr mit dieser Mutter zu tun haben. Regina wirkt betroffen, doch allzu nah scheint ihr selbst das nicht zu gehen: Immerhin wollte sie vorher Alexandra der Firma wegen mit dem Schnösel Ben zwangsverheiraten. Nein, Schwamm drüber. Die hat den Brüdern 75 Prozent des künftigen Unternehmensgewinns abgepresst und zieht jetzt nach New York.

Zuletzt Jubel und begeistertes Getrampel für alle diese schauspielerischen Glanzleistungen. Auch das Regierteam wird heftig gefeiert.

Ursula Wiegand

Weitere Termine: 20., 21. und 22. Januar, 16., 18. 19. und 20.Februar

 

 

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