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BERLIN/ Pierre Boulez-Saal/ Barocktage: „JORDI SAVALL & LE CONCERT DES NATIONS“ – ein Highlight

Berlin / Pierre Boulez Saal, Barocktage der Staatsoper mit „Jordi Savall & Le Concert des Nations“, ein Highlight am 06. und 07.11.2021

staatsoper, barocktage im pierre boulez saal mit jordi savall, foto peter adamik
Jordi Savall. Foto: Peter Adamik

Im Vorjahr mussten Lockdown bedingt die Barocktage der Staatsoper ausfallen, nur schon Bekanntes wurde stattdessen gestreamt, um wenigstens einen kleinen Ausgleich zu schaffen. Denn diese Veranstaltung, eingeführt von Intendant Matthias Schulz, hatte sofort enormen Anklang gefunden.
2019 waren Barockfans aus 40 Ländern deswegen nach Berlin gekommen. In der Stadt selbst gibt es ebenfalls zahlreiche Menschen, die sich für diese gar nicht so „Alte Musik“ begeistern, zumal wenn der Gambist Jordi Savall als Gast kommt.

Jetzt ist er endlich wieder da gewesen, und der Pierre Boulez Saal, in dem er zusammen mit fünf Mitgliedern seines 1989 gegründeten Orchesters „Le Concert des Nations“ stets auftritt, war schnell ausverkauft.

Dank der Holzwände klingt in diesem von Frank Gehry entworfenen Oval Barockmusik besonders schön. Vor allem eine Gambe (Viola da Gamba) kann ihren kraftvoll samtenen Klang hier besonders entfalten und das noch eindringlicher, wenn der weltweit hoch geschätzte und dennoch so bescheidene Jordi Savall das Publikum auch durch seine mitgebrachten Schätze überrascht und begeistert.

Das Programm basiert diesmal auf dem fabelhaften, 1991 gedrehten Film „Tous les Matins du Monde“ (alle Morgen dieser Welt), der in der deutschen Fassung den Titel „Die siebente Saite“ erhielt. Gamben gibt es mit 6 oder 7 Saiten. Der Katalane Jordi Savall musiziert auf einer siebenseitige Bassgambe von Barak Norman, London 1697.

Der Film spielt in Frankreich zu Zeiten des Sonnenkönigs Ludwig XIV. Darin geht es um den seinerzeit berühmten Gambisten Monsieur de Sainte-Colombe und seinen hochbegabten Schüler Marin Marais, der ihn schließlich übertrumpfte und ein Star am Hof von Ludwig XIV wurde.

Nach dem Roman von Pascal Quignard und beeindruckt von Jordi Savalls Gambenspielkunst drehte Alain Corneau diesen Film, der in Frankreich ein Riesenerfolg wurde, zumal Gerard Depardieu mit Sohn Guillaume den alten und jungen Marin Marais spielten.

Der Soundtrack, geschaffen von Jordi Savall, mit Originalmusik von Lully, Marais, Sainte-Colombe und Couperin stürmte sogar die französischen Pop-Charts. Savall erheilt dafür den Filmpreis César. Doch der ist nur einer der vielen Ehrungen, die er im Laufe der Jahre erhalten hat.
Mit den Werken genau dieser einstigen Barockgrößen spannt nun Jordi Savall zusammen mit fünf Mitgliedern aus Le Concert des Nations erneut einen großartigen Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart.

Den Anfang macht Jean-Baptiste Lully (1632-1687) mit Tänzen aus der Schauspielmusik zu „Le Bourgeois Gentilhomme“, und da beginnen bei einigen im Parkett die Füße gleich tanzlustig zu zucken.

Diese Musik hat auch viel spanisches Flair, und die Hand von Xavier Días-Latorre fliegt nur so über die Saiten seiner Gitarre. Er ist auch derjenige, der oft zu Jordi Savall hinüberlächelt, der als musikalischer Leiter nie die Hand zum Dirigieren erhebt. Seine Mannen wissen, was zu tun ist, auch wenn der Gitarrist mitunter sein Instrument gegen eine langhalsige Theorbe eintauschen muss.

Gleich nach Lully, der Marin Marais (1656-1728) sehr gefördert hat, ist der nun an der Reihe, ein Schumachersohn, der dank seiner außergewöhnlichen Fertigkeiten als Gambist bald auf der Erfolgleiter am Hof von Louis XIV empor kletterte und schließlich sogar Opern komponierte.

Marin Marais hat, was seinen Bekanntheitsgrad betrifft, vermutlich in Deutschland noch Nachholbedarf. Zumindest bei allen, die den Film „Die siebente Saite“ nicht kennen. Seine „Pièces de viole“ sind Gambenstücke, von denen er mehr als 550 komponierte. Die zunächst zu hörenden sind also nur eine Kostprobe, die Lust auf mehr machen.

Anders als im Programm verzeichnet, geht der Stab weiter an François Couperin (1668-1733) mit Ausschnitten aus dessen „Concerts Royaux“, und in denen sind königliche Grazie ebenso angesagt wie auch mal eine traurige Stimmung.
Mit den nächsten, von Jordi Savall ausgewählten „Pièces de Viole“, die auch spanische Verrückheiten bieten, hat Marin Marais im Pierre Boulez Saal den Spitzenplatz erobert. Manfredo Kraemer mit seiner Violine und Charles Zebley mit wunderschönen Flötenklängen mischen jetzt zusammen mit Díaz-Latorre und Philippe Pierlot (Bassgambe) den Saal auf. Als dann noch Jordi Savalls Bogen auf den Saiten tanzt, gibt es Bravorufe für diese fetzige „Alte Musik“.

Der Lehrer von Marin Marais – Monsieur de Sainte-Colombe d.Ä. (etwa 1640 – 1700) darf auch nicht fehlen. Der hat ein Konzert allein für zwei Gamben komponiert (Concert XLIV à deux Violes), und nun muss jeder der beiden Farbe bekennen und kann sich auch nicht am basso continuo (Generalbass) abstützen, den Luca Guglielmi mit Verve auf dem Cembalo spielt.

Philippe Pierlot und Jordi Savall, der inzwischen lächelnd bemerkt hat, dass im Programmheft die Stücke eine andere Reihenfolge als dargeboten haben, sagt nun die einzelnen Teile an. Zuletzt saust erneut sein Bogen über die Saiten, und wieder wird diese Leistung mit Zwischenapplaus bedacht.
Zum Schluss ist nochmals Marin Marais an der Reihe, der von sich selbst – wie Jordi Savall erzählt – behauptete, niemand sei besser als Marais. Da ist durchaus was dran, denn seine variantenreichen Stücke sind durchaus überzeugend.

Nach tosendem Schlussbeifall spendiert Jordi Savall mit seinem Team noch eine Zugabe, einen Ohrwurm, der zu Zeiten des Sonnenkönigs in ganz Paris gespielt und gesungen wurde. Da bleibt nur der Wunsch, ihn mit seinem Concert des Nations bald wieder in Berlin zu erleben, am liebsten an allen Morgen der Welt.

Ursula Wiegand

 

 

 

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