Philharmonie, Daniel Barenboim und Simon Rattle, Foto Stephan Rabold
Berlin/ Philharmonie: Simon Rattle und Daniel Barenboim mit Bartóks Klavierkonzert Nr. 1, 23.02.2018
Zwei Dirigenten von Weltrang, zwei Konkurrenten im Berliner Musikleben und dennoch zwei Freunde. Das sind Simon Rattle und Daniel Barenboim. An drei Abenden in der Philharmonie konzertieren sie gemeinsam, nicht erstmalig, aber vielleicht letztmalig in Rattles selbst gewählter letzter Saison mit den Berliner Philharmonikern.
Wie schon öfter in dieser Schlussphase hat Rattle wiederum Lieblingsstücke gewählt, und da dürfen die „Slawischen Tänze“ op. 72 von Antonín Dvořák nicht fehlen. Sein Faible für diese melodienreiche Volksmusik, die so genuin Fröhlichkeit und Melancholie verknüpft, ist verständlich. Die schmelzende, sich grandios steigernde Nr. 2 in e-Moll gehörte jahrelang zu den Zugaben bei Rattles Silvesterkonzerten. Am Jahresende 2016 hatte er die Nummern 3, 5 und 7 gleich ins Konzert mit eingebaut.
Für Dvořák waren die Tänze op. 72 die Fortsetzung der ersten, sehr erfolgreichen Serie Opus 46 und integrieren über Böhmen und Mähren hinaus Volksweisen aus weiteren osteuropäischen Ländern. Wie gerne das die Berliner Philharmonikern spielen, ist bei vielen an den Gesichtern abzulesen. Diese Tänze sind ja keine tümelnde Billigware. Auf hohem Niveau dargeboten erfreuen sie vom Adagio bis zum Molto vivace Rattle und die Seinen ebenso wie das Publikum.
Nach der Pause wird die Tonlage rauer, nun kommt die klassische Moderne zum Zug. Daniel Barenboim spielt Béla Bartóks „Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1“. Damit gab er 1964 sein Beifall umtostes Debüt bei den Berliner Philharmonikern.
Der jetzt 75Jährige hat das rhythmisch trickreiche Stück noch perfekt in den Fingern, setzt auswendig spielend die starken, schlagzeugartigen Akzente, die Bartók – selbst ein großartiger Pianist – diesem damals total neuen Werk zugewiesen hatte.
Diese Musik hat Härte in sich, selbst wenn sie gelegentlich dahinperlt. Barenboim mit seinem Drang, einzelne Töne überraschend herauszuheben, erhält so sein Betätigungsfeld. Bartók strebte nach glasklarer Schmucklosigkeit, hier wird sie von Barenboim, Rattle und dem Orchester faszinierend verwirklicht. Barenboim hämmert den Schlusssatz Allegro molto in die Tasten, und das Publikum antwortet mit Bravo-Rufen.
Danach strömen weitere Instrumentalisten aufs Podium, vor allem Blechbläser. 12 Trompeten, 2 Basstrompeten, 4 Posaunen, 4 Hörner plus Tuba hat Leoš Janáček seiner Sinfonietta“ op. 60, verordnet. Außerdem Holzbläser, Pauken, Schlagzeug, Harfe und Streicher. Allein 7 Kontrabässe stehen an der rechten Seite.
Ein Riesen-Klangteppich wird nun mit Pauken und Trompeten-Fanfaren ausgerollt, eine Freiheitshymne von 1926, vom Komponisten dem in Brünn ausgerufenen ersten unabchängigen tschechischen Nationalstaat und „der tschechoslowakischen Armee“ gewidmet, die die Unabhängigkeit erkämpft hatte und bewahren soll.
Den moderaten dritten Satz hat Janáček nach eigenen Worten dem Alt-Brünner Königin-Kloster und dessen weihevoller Stille zugedacht. Nach vielen wechselnden Rhythmen und umfänglicher Farbigkeit kehren die Berliner Philharmoniker mit Pauken und Trompeten zur anfänglichen Jubelstimmung zurück. Genau so jubelt jetzt das begeisterte Publikum und reibt sich vermutlich die Ohren. Das letzte Konzert dieser Dreierreihe ist – wie die anderen – schon lange ausverkauft.
Ursula Wiegand