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BERLIN/ Philharmonie: MESSA DA REQUIEM von Giuseppe Verdi – als Sternstunde

Berlin/ Philharmonie: Verdis „MESSA DA REQUIEM“ als Sternstunde, 30.03.2013

 Das wird die wahre Geburtstagsgabe für Giuseppe Verdi. Denn wenn die Italiener ihren Verdi spielen und singen, klingt das irgendwie anders und ungemein authentisch, zumindest wenn sich Orchester und Chor des Teatro alla Scala dieser Aufgabe widmen.

In der ausverkauften Philharmonie zelebrieren sie unter Daniel Barenboim sein grandioses Werk, komponiert für den von ihm verehrten Dichter Alessandro Manzoni. Sie tun das mit soviel zärtlichem Furor (ja!), dass sensiblen Zuhörern oft ein Schauer über den Rücken läuft.

Und das nicht erst beim äußerst dramatischen „Dies irae, dies illa“, diesem Prunkstück, das sie mit voller Power und doch ganz kontrolliert in den großen Saal setzen. Große grimmige Oper mit dem gesamten Orchester, einer begeisternden Bläserriege und wirbelndem Schlagwerk.

Nein, dieses Gefühl stellt sich schon vorher ein, bei dem ganz leisen Beginn. Nach einem darauf folgenden Klangaufschwung wird alles wieder samtig und von der großen Sängerschar dunkel dahingehaucht. Chorleiter Bruno Casoni wird für die Leistung seiner Schützlinge zuletzt intensiv gefeiert.

Auch Daniel Barenboim musiziert mit den Mailändern auffallend sensibel. Von seinem Sturz hat er sich offensichtlich noch nicht vollends erholt, stützt sich beim Dirigieren öfter mal mit einer Hand ab. Doch Verdi ergreift ihn. Oft lässt er los und gibt mit beiden Händen wie gewohnt Zeichen. Es wird eine wunderbar homogene Aufführung mit nie nachlassender Spannung.

Diese vorösterliche Sternstunde ist ebenso dem homogenen Sängerquartett zu verdanken. Niemand schiebt sich eitel in den Vordergrund, und das kommt dem Gesamteindruck deutlich zugute.

Für die erkrankter Anja Harteros ist kurzfristig Maria Agresta eingesprungen und bietet mit ihrem ausdrucksvollen klaren Sopran, der auch in den tieferen Lagen noch klingt, eine überzeugende Leistung. Eine junge Sängerin bereits mitten im Start zu einer internationalen Karriere. Brava!

Sehr angenehm füllt der warme Mezzo von Daniela Barcellona den Raum, der sich zudem mühelos in die Höhe schwingt. Ihre Stimme lässt außerdem das persönliche Engagement hören, mit dem die Sängerin ihre Partie gestaltet.

Tonschön und mit italienischem Schmelz bringt Fabio Sartori seinen Tenorpart. Opernartig, so wie es sich in diesem Werk geziemt. Allerdings sollte er seine Leibesfülle lieber mit einem lockeren Schlabberhemd (wie Johan Botha) kaschieren.

Nobel in Stimme und Aussehen René Pape mit seinem klangreichen Bass. Ein Sänger, der nie forciert und mit Wissen und Wohllaut merkbar zum Gesamterfolg beiträgt. Sein „Confutatis maledictis“ singt er ebenso zart wie kraftvoll.

Den Schluss, das „libera me“, hat Verdi Sopran und Chor anvertraut und wird hier zu einem wunderbaren Wechselspiel. Ohne Schwierigkeiten kann sich Frau Agresta in ihrer angstvollen Bitte, sie vor dem ewigen Tode zu erretten, gegenüber dem großen Chor behaupten. Nach dem kräftig-flotten Sanctus und dem innigen Agnus Dei lässt Verdi, der Skeptiker, in diesem Schlussteil keinen Raum für jubelnde Erlösungsgewissheit. Seine „Messa da Requiem“ hat ebenso wie fast alle seiner Opern kein Happy End. Es bleibt nur die leise Bitte um Rettung.

Doch mit tosendem Jubel, Bravos und stehende Ovationen bedankt sich das begeisterte Publikum bei Barenboim, den Sängern und den Gästen aus Mailand.

Ursula Wiegand

 

 

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