Berlin/ Philharmonie: intensives Musikerlebnis zum 50. Geburtstag von Kirill Petrenko, 11.02.2022
Drei Konzerte hintereinander und mittendrin am 11. Februar feiert Kirill Petrenko in der jedes Mal ausverkauften Philharmonie seinen 50. Geburtstag. Selbstverständlich zusammen mit den Berliner Philharmonikern und einem passenden Programm.
Andras Schiff als Petrenkos Geburtstagsgast. Foto: Stephan Rabold.
András Schiff, der weltberühmte Pianist ist auch dabei und hat seinen Bösendorfer mitgebracht. Er spielt das „Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur“ von Johannes Brahms, der rund 20 Jahre nach seinem von Publikum abgelehnten ersten Klavierkonzerts eine reife Leistung zustande gebracht hatte.
Den Anfang macht das Solohorn, und sogleich schließt sich wie ein Echo Schiffs markanter Einsatz an, dem vier Sätze von insgesamt 50 Minuten folgen. Natürlich auswendig gespielt und meisterhaft dargeboten.
Schiff beginnt energisch und kraftvoll, über keinen Ton huscht er hinweg, auch die Triller sind stets gestochen klar. Wahrscheinlich hängt das mit seiner Liebe zu Johann Sebastian Bach zusammen. „Ich beginne seit meinem 17. Lebensjahr jeden Tag damit, eine halbe Stunde Bach zu spielen. Bach bleibt das Alpha und Omega“, hat er mal geäußert.
Als Bach-Interpret habe ich ihn vor vielen Jahren erstmals erlebt. Genau wie beim Bachspiel verleiht er nun beim Brahms-Konzert jedem Ton, ob laut oder leise, ob beim heftigen Allegro oder bei wiegenden Andante, seinen eigenen Wert.
Auch stimmt sich Schiff gut mit Kirill Petrenko ab, der auf dem Podium hinter dem Flügel stehend die Berliner Philharmoniker (in kleinerer, zum Werk passenden Stärke) dirigiert. Es gibt durchaus Solisten, die voranstürmen, so dass Dirigenten und Orchester ihnen hinterher hecheln müssen. Hier ergibt sich jedoch bei jedem Einsatz des Klavierparts ein angenehmes Miteinander.
Gemeinsam meistern sie die für Brahms typischen rhythmischen Verschiebungen und genießen das das fabelhaft gespielte Cello-Solo von Bruno Delepelaire. Dass Brahms vor diesem Klavierkonzert wiederum seine Ungarischen Tänze komponiert hatte, lässt sich ebenfalls heraushören. Den allerletzten Ton aus dem Schlusswirbel hatte Brahms, selbst ein geschätzter Pianist, seinem Nachfolger am Flügel gewidmet. Pointiert setzt ihn Schiff in den Großen Saal und erhält nun vom Publikum heftigen Beifall.
Kirill Petrenko feiert seinen 50. mit den Berliner Philharmonikern. Foto: Stephan Rabold
Petrenkos schon länger bekannte Liebe gilt dem letzten tschechischen Spätromantiker Josef Suk (1874-1935), der als Komponist in Deutschland noch immer wenig bekannt ist, aber diese Hintanstellung eigentlich nicht verdient.
Petrenko hat dessen Werk namens „Lebensreife“, eine Symphonische Dichtung für großes Orchester und Frauenchor op. 34, uraufgeführt 1918, zu seinem Geburtstag ausgewählt. Für die Berliner Philharmoniker – nun in großer Besetzung – ist es eine Premiere. Mit sicht- und hörbarem Engagement machen sie nun ihrem Chef, der mit schwingenden Armen dirigiert, das wohl beste Geburtstagsgeschenk.
Suk hat diesem 40-Minuten-Werk das Gedicht „Lebensreife“ vorangestellt. Dementsprechend schildert seine Musik zunächst die stürmische Jungend, danach im Andante die Liebe und dann – mit teilweise großer Klangentfachung sozusagen mit Pauken und Trompeten – Schicksal und Leid. Dem aber folgt der Entschluss, der zur Befriedung führt. Letzteres wird in einem ruhigen Adagio und schließlich mit einem engelsgleichen Gesang aus dem Off durch Damen des Rundfunkchors Berlin zum Ausdruck gebracht.
Frenetischer Jubel ist die Folge, mit diesem Suk-Werk hat Petrenko das Publikum spürbar begeistert. Nicht immer die weithin bekannten Sinfonien, endlich mal eine andere Tondichtung, so empfinden es offenbar viele, und das macht Petrenko, dem Suk am Herzen liegt, sichtlich glücklich.
Dass er am 11. Februar seinen 50. Geburtstag hat/te, wissen vermutlich nur wenige, und der wird offiziell auch gar nicht erwähnt. Der anhaltende Applaus, gemischt mit Bravi, ist für ihn die schönste Gabe, ergänzt durch einen Strauß roter Rosen, der ihn ebenfalls spürbar berührt. – Nur zuviel Befriedung anstelle von Temperament sollte man/frau ihm nicht wünschen!
Ursula Wiegand