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BERLIN/ Philharmonie: HANS WERNER HENZE ZUM GEDENKEN

Berliner Philharmonie: Hans Werner Henze zum Gedenken – 25.4. 2014

 Wie vielgestaltig Hans Werner Henzes kompositorischer Nachlass ist, erschließt sich in vollem Ausmaß erst allmählich. Eine Entdeckung ist da auch das Requiem, das die Berliner Philharmoniker unter Sir Simon Rattle – eingedenk des Todestages seines Schöpfers vor zwei Jahren – jetzt ins Blickfeld rückten.   

Fand Hans Werner Henze bei den Berliner Philharmonikern eine künstlerische Heimat für sein umfangreiches Instrumentaloeuvre, so wurde ihm die Dresdner Semperoper ein vertrauter Partner für sein nicht minder imposantes Bühnenschaffen. Und konnte man bei den Philharmonikern allein in den letzten Jahren exzellente Interpretationen seiner 9. und 10. Sinfonie sowie des Oratoriums „Das Floß der Medusa“ erleben, machte der Dresdner Musentempel mit herausragenden Aufführungen der Musikdramen „Die Bassariden“ , „L’Upupa“ , „Gisela oder: Die merk- und denkwürdigen Wege des Glücks“ , zuletzt der gewichtigen Antikriegsoper „Wir erreichen den Fluss“ deutschlandweit von sich reden. Wie jenes Werk Krieg und Gewalt, Leid und Unrecht anprangert, kündet auch Henzes Requiem (1990/92) von gesellschaftlichen Missständen, von Schrecknissen und Passionen. Es entstand in Erinnerung an den Tod  seines englischen Künstlerfreundes Michael Vyner. Doch die Aussage weist weit über persönlichen Schmerz hinaus.

Ein konfessionell nicht gebundenes „Requiem ohne Worte“ – Neun geistliche Konzerte für Klavier solo, konzertierende Trompete und großes Kammerorchester.Zugleich eine Reverenz des Komponisten vor den Kleinen geistlichen Konzerten des Dresdners Heinrich Schütz. „Die neun Instrumentalstücke sprechen von den Ängsten und Nöten der Menschen dieser Zeit, von Krankheit und Tod, von der Liebe und von der Einsamkeit…“, bekannte der atheistische Humanist und homo politicus.  Wie vielfältig sind die musikalischen Charaktere des Opus, die schon im „Introitus“ aufleuchten. Bezeichnet der marschartig aggressive „Rex tremendae“-Teil mit dem virtuosen Part der Solotrompete (Gabor Tarkövi) Henzes Protest gegen Gewalt jeder Art, artikuliert das nur für Klavier (Solist: Ohad Ben-Ari) und kleines Streicherensemble gesetzte „Agnus Dei“ einen flehentlichen, aus dem Vokalen geschöpften und ins Instrumentale gleichsam übertragenen Gesang. Und wie haarscharf kontrastiert der vulgär aufschreiende „Tuba mirum“-Satz – eine Anklage der „Schlachthöfe und Folterkammern dieser Welt“ (Henze)  – mit dem schmerzvoll ekstatischen Gesang der Trompete im „Lacrimosa“  – so das Porträt eines leidenden Menschen symbolisierend. Ergreifender Höhepunkt – das finale hoffnungsvolle „Sanctus“, in dem die beiden Orchestertrompeten von rückwärtigen Emporen aus mit der Solotrompete dialogisieren. Ein signifikantes Werk, das von den Musikern höchst bewegend dargeboten wurde.

Dietrich Bretz  

 

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