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BERLIN/ Philharmonie: ATTILA – konzertant

20.06.2013 | KRITIKEN, Oper

Attila – Giuseppe Verdi: 19.06.2013 – Premiere Deutsche Oper Berlin (konzertant)

 Neben den vielen Wagner-Veranstaltungen aufgrund des 200. Geburtstages des Komponisten trat der Umstand, dass 2013 auch gleichzeitig ein Verdi-Jahr sein würde, etwas in den Hintergrund. Wie Wagner wurde Verdi im Jahr 1813 geboren. Die Deutsche Oper Berlin würdigte den 200. Geburtstag des italienischen Komponisten bereits im April dieses Jahres mit einer Neuinszenierung des Rigoletto. Zum Ausklang der Spielzeit 12/13 wurde nun eines der eher unbekannten und selten gespielten Frühwerke Verdis – Attila – in einer konzertanten Version im Großen Saal der Philharmonie Berlin aufgeführt. Attila – der Hunnenkönig – belagert Rom. Auf seinem Weg nach Italien wurde durch seine Truppen der Vater Odabellas, einer Römerin, getötet. Odabella wird im Laufe der Handlung die Braut Attilas, jedoch mit dem einzigen Ziel, sich für den Tod ihres Vaters zu rächen. Um Attila durch die eigene Hand töten zu können, verhindert sie ein parallel durch den römischen Feldherrn Ezio und ihren Geliebten Foresto geplantes Attentat auf Attila. Schlussendlich gelingt es Odabella, Attila im großen Finale des dritten Aktes zu erstechen.

Die Vorstellung des gestrigen Premierenabends gehört dieses Jahr (neben der ebenfalls wunderbaren „Liebe zu drei Orangen“) zu meinen ganz persönlichen Deutsche-Oper-Highlights.

Chor und Orchester der Deutschen Oper waren trotz der immensen Hitze bestens präpariert und agierten sichtbar mit Lust und Laune. Pinchas Steinberg (Musikalische Leitung) dirigierte wohltuend zackig-kantig und schleuderte den Zuhörer gleich zu Beginn in ein Geschehen voller Intrige und Interessenkonflikte, ohne jedoch zu viel Pathos aufkommen zu lassen. Sein Dirigat ließ die kompositorischen Schwachstellen dieses Werkes vergessen. Allein im zum Ende ließ mich der kurze Tempowechsel vorm großen Finale für eine Art Tanzmusikeinlage aufhorchen und zu einem für meine Nachbarin ebenfalls hörbaren „Rumtata-Seufzer“ verleiten – Pardon.

Auch in vokaler Hinsicht überzeugte diese Premiere. Der für Erwin Schrott in der Titelpartie des Attila eingesprungene Roberto Tagliavini war alles andere als ein Notlösung. Sein weich timbrierter, wohlklingender Bass-Bariton verlieh dem Attila sehr menschliche Züge. Seine fein nuancierte Darstellung zeigte einen Hunnenkönig mit Herz und Intellekt. Ein kongenialer Kontrast zur der von Rache getriebenen Odabella, der weiblichen Hauptfigur und Gegenspielerin des Titelhelden. Diese wurde von Liudmyla Monastyrska interpretiert. Gleich zu Beginn, in der zweiten Szene des Prologs, machte sie mit dem „Santo di patria indefinito amor!“ deutlich, über welche Qualitäten ihre Stimme verfügt. Ihr Sopran ist kraftvoll-dramatisch, durchdringend, verfügt aber auch über die ebenfalls erforderliche Flexibilität in den schnellen Passagen. Gleichzeitig entfaltet ihre Stimme in den für einen Sopran eher unbequemen tiefen Lagen einen vorzüglichen Mezzo-Klang. Liudmyla Monastyrska stellte an diesem Abend unter Beweis, dass sie wohl zu einer der wenigen wahren Verdi-Heroinen dieser Tage gehört. Meines Erachtens agiert derzeitig nur noch eine Sondra Radvanovsky auf einem derart hohen klanglichen Niveau.

Massimo Giordano ist immer wieder, so auch als Foresto, ein Erlebnis. Er verzichtet auf jede vokale Affektiertheit oder Kraftmeierei. Gleichwohl hat sein angenehm metalisch gefärbter Tenor auch in den Ensembleszenen und Duetten Bestand. Ein besonderer Höhepunkt des Abends war daher auch das große Odabella-Foresto-Duett „Oh, t’inebria nell’amplesso, gioia immensa, indefinita!“ Mitte des ersten Aktes.

Dalibor Jenis als Ezio hatte während des Prologs noch hörbare Probleme mit der Gesangslinie seiner Partie. Es schien, als fühle er sich nicht recht wohl. Dieser Eindruck änderte sich jedoch im weiteren Verlauf des Abends, sein an sich sehr edel timbrierter Bass kam mehr und mehr zu Geltung. Sein Auftritt zu Beginn des zweiten Aktes mit „Dagli immortali vertici“ und „È gettata la mia sorte“ war von beseelter Bosheit und somit trug er, wie auch Jörg Schörner als Uldino und Ante Jerkunica als Leone zum Gelingen dieses Abends bei.

 Tom Karl Soller

 

 

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