Berlin/ Pergamonmuseum: Sonderausstellung „URUK – 5000 Jahre Megacity“ , 27.04.2013
von Ursula Wiegand
Mesopotamien gilt als kulturelle Wiege der Menschheit, und die gerade eröffnete Uruk-Sonderausstellung im Pergamonmuseum auf der Berliner Museumsinsel legt davon Zeugnis ab. Anlass ist das hundertjährige Jubiläum des Grabungsbeginns der Deutschen Orient-Gesellschaft im Winter 1912/13 in Uruk, dem biblischen Erech und heutigen Warka im Irak. Leihgaben aus Paris, London, Oxford, Brüssel, Dresden und Heidelberg komplettieren die Schau.
URUK-Ausstellung, Eingang mit Gilgamesch-Statue. Foto: Ursula Wiegand
Der Weg zur Schau führt durch das hohe Ischtar-Tor und die Prozessionsstraße des alten Babylon, das im 6. Jahrhundert v.Chr. seine Blüte erlebte. Also deutlich nach Uruk, der Megacity Nr. 1 während zweier Jahrtausende.
Eine Kolossalstatue von König Gilgamesch – ein Gipsabguss des im Pariser Louvre befindlichen Originals – begrüßt die Besucher. „Ich, ja ICH BIN DER KÖNIG“, ist auf dem Podest zu lesen. Da steht er, Uruks legendärer Herrscher mit einem gebändigten Löwen unterm Arm. Ein „Priesterfürst“ im Reich der Sumerer, der Sage nach ein Drittel Mensch, zwei Drittel Gott und daher ein Mann von ungewöhnlicher Kraft.
URUK-Ausstellung, Gilgamesch-Statue. Foto: Ursula Wiegand
Geschildert sind seine Taten und die seines Freundes Enkidu im berühmten Gilgamesch-Epos. Das kursierte mündlich schon lange Zeit und wurde im 2. Jahrtausend v.Chr. auf 12 Keilschrifttafeln festgehalten. Wie ein roter Faden führt dieses älteste literarische Werk der Menschheit durch das der Öffentlichkeit erstmals präsentierte Uruk.
Nach den Worten von Prof. Dr. Beate Salje, Direktorin des Vorderasiatischen Museums, Berlin, entwickelten sich in dort bereits alle urbanen Technologien: „Ein ausgeklügeltes Wirtschaft- und Verwaltungssystem stützt sich auf die erste Schrift.
Keilschrifttafel, erste Schrift der Menschheit. Foto: Ursula Wiegand
Es entstehen innerhalb eines Stadtgebietes von 5,5 qkm repräsentative Großbauten, und eine 9 km lange Stadtmauer schützt die etwa 40 -50.000 Einwohner.“
Da für diese Mauer mehr als 300 Millionen Lehmziegel verbaut werden mussten, war das eine ebensolche Meisterleistung von Logistik und Verwaltung wie die Versorgung der Bevölkerung. Die Stadtmauer erwähnt auch das Gilgamesch-Epos. Ihr archäologischer Nachweis und Satellitenaufnahmen des Geländes belegen den hohen Wahrheitsgehalt des Epos, meint Beate Salje.
Uruks wichtigste Innovationen werden im Ausstellungsbereich „Großstadtleben“ vorgestellt. Tempel und Paläste wurden gebaut. Der Stufenturm des Eanna-Heiligtums war sozusagen der allererste Wolkenkratzer. Außerdem gab es ein königliches Schatzamt, eine Steuerbehörde und sogar eine Brauerei. All’ das jedoch in einer total rohstoffarmen Gegend.
Metallobjekte, 3300-3500 v.Chr., II. Foto: Ursula Wiegand
Eigentlich besaß diese Megacity in der Schwemmlandebene von Euphrat und Tigris nur Lehm. Woher hatte man das Material für die beiden grünlichen Metallobjekte? Das längliche sieht wie ein oxydiertes Wasserrohr aus, das gebogene wie ein Horn oder Trinkgefäß.
Die Schwierigkeiten der Rohstoffbeschaffung kleidet das Epos in eine eigene Story. Danach beschließen Gilgamesch und Enkidu, den Dämon Humbaba, Hüter des Zedernwaldes, zu töten, um dieses wertvolle Holz für ihre Bauten zu gewinnen.
Maske Dämon Humbaba, 1800-1600 v.Chr. Foto: Ursula Wiegand
Im Epos werden der Mord an Humbaba und noch mehr die Tötung eines göttlichen Stieres hart bestraft. Einer von beiden muss sterben, verlangen die Götter. Die Wahl fällt auf Enkidu, und Gilgamesch flüchtet ans Ende der Welt. Dort erfährt er von einem Weisen das Geheimnis der Unsterblichkeit.
Gleichzeitig erinnert der ihn an seine königlichen Aufgaben, also die Untertanen zu schützen, die von der Sintflut (!) zerstörten Gebäude zu erneuern und die religiösen Handlungen wieder aufzunehmen.
Kultvase mit Erntedankfest, Replik. Foto: Ursula Wiegand
Auf einer Kultvase sind Männer zu sehen, die einer Göttin Feldfrüchte darbringen. Ein Erntedankfest sumerischer Art. Und immer wieder wird erkennbar, wie viel das Christentum aus den mesopotamischen Hochkulturen übernommen hat.
Die zentrale Aufgabe der dortigen Herrscher war die Vermittlung zwischen Göttern und Menschen, lehrt die Ausstellung. Nur durch sie konnte der allumfassende göttliche Plan Wirklichkeit werden, und so wurden die Könige bald wie Götter verehrt. Auch Gilgamesch war solch ein Mittler und ist durch das Epos unsterblich geworden.
Oberkörper einer männlichen Gründungsfigur, 3000-2340 v. Chr. Foto: Ursula Wiegand
Zumeist sind es kleine, fein gearbeitete Exponate, die von Uruk künden, wie Statuetten königlicher Tempelgründer. Zu sehen sind auch aus Scherben zusammengefügte Ess- und Trinkgefäße, Rollsiegel zum Verschluss von Warenbehältnissen, Keilschrifttafeln, als Schilfringbündel geformte Wandeinlagen, ein Widderkopf, ruhende Stiere und schöne Schmuckstücke.
Gefäßesammlung. Foto: Ursula Wiegand
Ketten sollten durch die Kombination besonderer Steine Schutz gegen Krankheiten und Unheil bieten. Eine 300 Zeilen umfassende Beschreibung informierte den Künstler über die Herstellung eines Amuletts gegen die Vergesslichkeit.
Perlenkette, 3500-3000 v.Chr. Foto: Ursula Wiegand
Beim Gang durch die drei Ausstellungsräume stellt sich Hochachtung vor den Künstlern und Verwaltern dieser – nach damaligen Maßstäben – ersten Großstadt ein. Sie wurde zum Vorbild für spätere Metropolen. An der Wand hängt ein Foto von New York. Die Wolkenkratzer ragen himmelwärts, die Organisationsprobleme sind irdisch geblieben. In jeder Megacity (und nicht nur dort) ist noch viel zu tun.
Uruk, digitale Gebäude-Rekonstruktionen nach Satellitenfotos. Foto: Ursula Wiegand
An der Ausgrabungsstelle ebenfalls. „Auch nach 39 Grabungskampagnen mit über 49.000 inventarisierten Funden, darunter 13.800 Keilschrifttafeln, sind letztlich erst 5 % des Stadtgebiets intensiv erforscht,“ betont Frau Salje. Andererseits lassen Satellitenbilder, alte Luftaufnahmen und magnetische Bodenmessungen die Bereiche erkennen, wo weitere Forschungen erfolgversprechend wären. Man hofft auf die Stabilisierung der politischen Lage im Irak, um die Arbeiten fortsetzen zu können.
Infos: Diese Sonderausstellung, entstanden in Kooperation zwischen dem Vorderasiatischen Museum in Berlin und der Curt-Engelhorn-Stiftung in Mannheim, läuft im Berliner Pergamonmuseum bis zum 8. September, im Reiss-Engelhorn-Museum in Mannheim vom 20. Oktober 2013 bis 21. April 2014.
Öffnungszeiten in Berlin täglich von 10-18 Uhr, am Donnerstag von 10-20 Uhr. Eintritt 14 Euro, ermäßigt 7 Euro. Katalog 29,95
Euro.
Buchungstelefon 0049-30-266 42 42 42.
Online-Buchung von Tickets und Weiteres unter www.uruk-megacity.de.