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BERLIN/ Neues Museum: AUSSTELLUNG – NOFRETETE, IM LICHT VON AMARNA

18.12.2012 | Ausstellungen, KRITIKEN

Berlin, Neues Museum: Ausstellung – Nofretete, Im Licht von Amarna, 18.12.2012
von Ursula Wiegand

„Die Schöne ist gekommen“, bedeutet der Name Nofretete (auf Englisch: Nefertiti), doch schon seit hundert Jahren weilt sie wieder unter uns. Am 6. Dezember 1912 bargen der Archäologe Ludwig Borchardt und das Ausgrabungsteam der Deutschen Orient-Gesellschaft die bemalte Büste der Königin in Tell el-Amarna aus dem Wüstensand.

Nofretete-Büste im Neuen Museum, Foto Sandra Steiß

Ein Sensationsfund, und Borchardt notierte relativ nüchtern: „Lebensgroße bemalte Büste der Königin, 47 cm hoch. Mit der oben gerade abgeschnittenen blauen Perücke, die auf halber Höhe noch ein umgelegtes Band hat. Farben wie eben aufgelegt. Arbeit ganz hervorragend. Beschreiben nützt nichts, ansehen.“
Nach dem offiziellen Fundteilungsprotokoll wurden die ausgegrabenen Stücke am 20. Januar 1913 geteilt. In Anwesenheit von Gustav Lefebvre, Inspektor des ägyptischen Antikendienstes, erfolgte die Teilung à „moitié exacte“, also in zwei gleiche Hälften. Die Büste der „bunten Königin“ wurde Berlin zugesprochen.
Das Neue Museum auf der Museumsinsel (Weltkulturerbe) feiert nun dieses 100-jährige Jubiläum und präsentiert 1.300 Exponate, darunter „erstmals ein Großteil der noch nie gezeigten Funde des Berliner Bestands,“ bereichert durch internationale Leihgaben. So das Museum.


Im Licht von Amarna, Ausstellungsplakat. Foto: Ursula Wiegand

Fast für sich thront die Schöne im Nordkuppelsaal. Doch die Umschwärmte, jährlich von über 1 Mio. Besucher bewundert, wird nun mitsamt der Familie in ihr Umfeld gestellt. Das war nicht mehr Theben, sondern das 400 km nördlich gelegene Tell el-Amarna. „Im Licht von Amarna“, lautet der Ausstellungstitel.
Denn dorthin zog Amenophis IV mit dem Hofstaat, um einen neuen Glauben durchzusetzen. Er schaffte die bisherigen Götter ab und ordnete die alleinige Verehrung des Sonnengottes Aton an. Sich selbst gab er den Namen Echnaton (dem Aton wohlgefällig) und gründete so die erste monotheistische Religion überhaupt. Doch nur von 1351-1334 v.Chr. währte das Intermezzo.


Amarna, rekonstruierter Stadtplan. Foto: Ursula Wiegand

Was an Bauten und Kunstwerken in diesen 17 Jahren (!) entstand, verdient höchste Bewunderung. Achet-Aton („Horizont des Lichts“), eine Stadt für 30.000 Bewohner, wurde am Ostufer des Nil aus dem Boden gestampft. Tempel und Paläste wurden errichtet. Borchardt hat alles so genau wie möglich gezeichnet, so dass wir jetzt wissen, was wo einst war. Vorratsgefäße mit fein gestalteten Motiven und gemusterte Wandfliesenteile künden von einem hohem Lebensstandard, von Handwerkskunst und technischem Know-how.


Palastfußbodenbemalung, Ausschnitt. Foto: Ursula Wiegand

Ganz frisch wirkt eine mehr als 3000jährige Palastfußbodenbemalung. Munter schwingen sich Spießenten über Nilpflanzen empor. Ein kleiner Buntbarsch, der als Kosmetikgefäß diente, gilt als Meisterwerk ägyptischer Glaskunst.


Kopfmodell Nofretete, Markierungen für Bearbeitung. Foto: Ursula Wiegand

Bestens beschäftigt war offenbar die wieder entdeckte Bildhauerwerkstatt des Thutmosis. Dort fand man neben der weltbekannten Nofretete-Büste noch jede Menge an Gipsmodellen. Selbstverständlich auch zahlreiche von der Königin. Dunkle Striche auf solch einem Nofretete-Kopf markieren die Stellen, die nachgearbeitet werden sollten.


Prinzessinnenkopf + Ludwig Borchardts Skizze. Foto: Ursula Wiegand

Borchardt freute sich aber auch, wie sein Tagebuch kundtut, über einen Prinzessinnenkopf nahe der bunten Nofretete und hat ihn skizziert. Die Ähnlichkeit von Tochter und Mutter ist unverkennbar. Der ausladende Hinterkopf entsprach wohl dem damaligen Schönheitsideal. Ist das auch bei den vollen Lippen der Fall, oder waren sie ererbt?
Dennoch fehlt es bei den Darstellungen nicht an Realismus. Selbst die Star-Büste der Nofretete mit ihrem perfekten Make-up verheimlicht nicht die winzigen Fältchen unter den Augen.


Stand-Schreitfigur der Nofretete. Foto: Ursula Wiegand

Eine Ganzkörperskulptur lässt an Bauch und Busen sogar die Spuren von Schwangerschaften und Geburten erkennen. Stark beschädigt sind dagegen einige Echnaton-Köpfe. Vielleicht eine posthume Rache derjenigen, die er zuvor entmachtet hatte.


Königspaar-Relief, Spaziergang im Garten. Foto: Ursula Wiegand

Andererseits taten Echnaton und Nofretete einiges, um ihren Ein-Gott-Glauben dem Volk nahe zu bringen. Beim so genannten „Spaziergang im Garten“ stilisierten sich die beiden als romantisches Liebespaar. Auf Hausaltären mit drei Töchtern auf dem Schoß präsentierten sie sich als Vorzeigefamilie und Vorbild, umhüllt vom Licht Atons.


Hausaltar, Königsfamilie mit 3 Töchtern. Foto: Ursula Wiegand

Der renommierte Ägyptologe Hermann A. Schlögl hat dieses Familienidyll genau betrachtet und merkt an, dass Nofretete (links) auf einem Thron sitzt, Echnaton nur auf einem Schemel. Daraus und aus einigen Inschriften, die Nofretete als „Große Königliche Gemahlin“ bezeichnen, schließt er auf ihre fast königgleiche Stellung, zumal sie auch heilige Handlungen vollzog, die eigentlich nur der Pharao ausüben durfte. Womöglich sei sie sogar die treibende Kraft bei der Einführung des neuen Glaubens gewesen.

Übrigens hat Schlögl kürzlich in Dresden neue DNA-Analysen von den in Amarna gefundenen Mumien machen lassen und kommt zu dem Schluss, die Mumie KV35YL sei die der Nofretete. Außerdem wäre sie die Tochter von König Aja und seiner Frau Teje sowie die Mutter von Tutanchaton, der zur alten Religion zurückkehrte und sich dann Tutanchamun nannte. Da ihn eine Inschrift als „das lebende Abbild des Aton“ bezeichnet, müsse Echnaton sein Vater sein.


Echnaton-Büste, stark beschädigt. Foto: Ursula Wiegand

Solche Spekulationen greift die Ausstellung nicht auf und erwähnt nur die 6 Töchter des Paares. Zwar weiß man, welche Mumien die Eltern von Tutanchamun sind, mag sie aber nicht Nofretete und Echnaton zuordnen. Auch hält man Nofretete eher für eine Bürgerliche, wie in der Ausstellung zu lesen ist.


Ausstellung, historischer Nachtrag, Neues zu Nofretete. Foto: Ursula Wiegand

Deutlich hingewiesen wird dort aber auf die vor wenigen Jahren von einem belgischen Grabungsteam gefundene Inschrift in einem Steinbruch. Geschildert ist ein Ereignis im „Jahr 16; 3. Monat der Überschwemmungs-Jahreszeit (Achet); Tag 15.“ Daneben lag eine Kartusche mit Nofretetes Namen. Diese Entdeckung beweist, dass sie länger lebte als bisher angenommen.
Doch wie war ihr Ende? Die Mumie KV35YL, die Schlögl als Nofretete erachtet, hat starke Verletzungen im Gesicht und im Brustkorb. Der Forscher vermutet einen Unfall, vielleicht einen Sturz von einem der schnellen Wagen. Dem widerspricht Michael E. Habicht, der in Zürich und Basel klassische Archäologie und Ägyptologie studiert hat.
Auch er geht davon aus, diese Mumie sei Nofretete, deutet die starken Verletzungen jedoch als Mord.


Granitkopf von Nofretete, selten. Foto: Ursula Wiegand

In einer Online-Publikation schreibt er: „In einem Gespräch mit einem Experten für Forensik und Mumien wurde mir persönlich bestätigt, dass besonders beim Stich in die Brust die Hinweise klar für ein willentlich durchgeführtes Tötungsdelikt sprächen. Eine Rippe wurde durch den Stich beschädigt, die andren Rippen sind dagegen nicht betroffen. Bei einem Sturz wären üblicherweise mehrere Rippen gebrochen. Auch die Eintrittswunde spricht für eine Waffe, nicht für einen Sturz.“ Außerdem hätten Versuche ergeben, dass ihr diese Verletzungen mit hoher Wahrscheinlichkeit vor dem Tod zugefügt wurden und nicht im Nachhinein.
Das alles klingt recht plausibel, Beweise sind es jedoch nicht. Noch immer liegt vieles im Dunkeln. Gut so. Nofretete bewahrt ihr Geheimnis.

Infos: Die Ausstellung  „Im Licht von Amarna. 100 Jahre Fund der Nofretete“ läuft bis zum bis 13. April. Geöffnet täglich von 10-18 Uhr, am Donnerstag von 10-20 Uhr. Besuchereingang: Neues Museum, Bodestraße 1-3, 10178 Berlin (Mitte). Tel. 030 – 266 424242. Führungen donnerstags um 18 Uhr, an Wochenenden um 16 Uhr. – Ausstellungskatalog: 29 Euro.
Lektüre: Hermann A. Schlögl – „Nofretete. Die Wahrheit über die schöne Königin“ (2012)
Michael E. Habicht – „Nofretete und Echnaton. Das Geheimnis der Amarna-Mumien (2011).
(Ursula Wiegand)

 

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