BERLIN / Konzerthaus OPUS KLASSIK GALA 2025; 12.10.2025
Viel Lärm um wenig
Foto: Opus Klassik
Im Gegensatz zu dem musikalisch überwiegend positiv überraschenden und alleine schon durch die unglaubliche Interpretation der berühmten Chaconne aus der zweiten Partita in d-Moll BWV 1004 von J. S. Bach durch die ganz große Könnerin und einen sagenhaften Ruf als Pädagogin genießenden Antje Weithaas geadelten Konzert in der Berliner St. Elisabeth-Kirche – Opus Klassik Konzert vom 11.10. – war die Gala, nun, eine zähe Angelegenheit.
Benjamin Bernheim. Foto: Opus Klassik
In Wirklichkeit gab es nämlich nur ein einziges musikalisches Ereignis, das diesen Namen wirklich verdiente: Nämlich die Interpretation der Arie ‚Pourquoi me réveiller‘ aus Massenets Oper „Werther“ durch Benjamin Bernheim (Opus Klassik in der Kategorie Sänger des Jahres). Dieser großartige lyrische Tenor mit sich langsam herauskristallisierenden Spintoqualitäten führte vor, wie aufregend Oper im Konzert funktionieren kann. Mit einer ausgefeilten und ausgereiften Gesangstechnik, Charakterisierungsfreude und dem Willen zum Risiko aus dem Moment heraus. Bernheim brennt für den Gesang, er glaubt an das, was er tut, mit Haut und Haar, uneitel, der Sache verpflichtet. Am Ende ragt er auch im Gespräch mit der Moderatorin Desirée Nosbusch aus den vielen einförmigen Danksagungen mit einer bewegenden, fast schon flehentlichen Botschaft an das Publikum, weiterhin die Musik zu unterstützen, heraus. Ein großer Auftritt, ein großer Sänger, der zittern und mitfiebern lässt, ein wunderbares Vorbild dafür, wie es gehen kann und soll.
Das zweite angekündigte Highlight aus der Welt der hohen Männer- und Frauenstimmen fand leider nicht statt. Das Duett ‚Lallarallara..Qui é mai quel matto?‘ aus Gaetano Donizettis „L’elisir d’amore‘ musste wegen Erkrankung der Sopranistin Golda Schultz entfallen. Pene Pati sang stattdessen ‚La Danza‘ von Rossini, ein kleines italienisches Liedbonbon, das dann doch nicht so recht zünden wollte. Musikalisch wenig animiert vom an sich fabelhaften Konzerthausorchester Berlin unter der behäbigen Leitung der estnischen Dirigentin Anu Tali begleitet, bewegte sich Pati mit dieser Canzone in der bequemen Mittellage. Nur am Schluss nach ein paar Strophen gönnte er sich und dem Publikum einen ökonomisch gesungenen mittelhohen Schlusston. Spektakulär geht anders.
Pene Pati. Foto: Opus Klassik
Fairerweise muss als weitere achtbare Leistung des Abends der Auftritt der kanadischen Mezzosopranistin Emily d’Angelo (Preis als Sängerin des Jahres) erwähnt werden. Von der seit fünf Jahren unentwegt den Opus Klassik moderierenden Nosbusch (sie bezeichnete ihre Treue zum Event humorvoll als ‚edelhölzerne Hochzeit‘) als künstlerisches ‚Chamäleon‘ anmoderiert, ist d’Angelo tatsächlich eine stilistisch vielseitige Sängerin, die vom Frühbarock bis Zeitgenössischem alles drauf zu haben scheint.
Neben etlichen Hauptrollen in Händelopern darf als besonderes Debüt der Sängerin die Rolle der Jess, einer Drohnenpilotin und ehemaligen Kampfpilotin, in der Uraufführung von Jeanine Tesoris Oper „Grounded“ im Kennedy Center in Washington DC und in derselben Rolle in der Eröffnungsproduktion der Saison 2024/25 an der Metropolitan Opera in New York genannt werden. Von ihrer glühenden Intensität war allerdings bei dem vom Tempo her fast stillstehenden ‚O love is teasing‘ der amerikanischen Singer-Songwriterin Jean Ruth Ritchie wenig Adäquates zu merken. Gewiss, klangschön und berührend vorgetragen, aber mangels der nötigen Intimität blieb der Vortrag emotional flach. Wer wissen will, wie differenziert diese traditionelle Ballade mit d‘Angelo klingen kann, muss da schon auf ihr Album „Freezing“ bei der Deutschen Grammophon zurückgreifen.
https://music.youtube.com/watch?v=9LwFPG394ys&list=OLAK5uy_lmw_AMdyUrRCi39CBj4iSczw-cazsy6Ow
Im Übrigen ist von viel Mittelmaß und wenig Ambition in den musikalischen Darbietungen zu berichten. Egal, ob das von Lang Lang dahingesäuselte Prélude in e-Moll, Op. 28, Nr. 4 von Frédéric Chopin, die klangdünn gefiedelte Bravournummer „Zapateado“ von Pablo de Sarasate der in Sachen Selbstdarstellung sicher außergewöhnlichen britisch chinesischen Violinistin Leia Zhu, die kleine, pianistisch eigenadaptierte Kostprobe aus dem Rondo. Allegro der Beethoven Sonate Nr. 8, Op. 13 des Klassik-Influencers und Social Media Phänomens Louis Philippson oder die fürchterlich erwartbaren Bearbeitungen von Abba Songs für ein sog. „Abba Medley“ mit dem bei der Musik von Jean-Philippe Rameau besser aufgehobenen Alte-Musik-Spezialensemble Lautten Compagney Berlin und der Saxofonistin Asya Fateyeva oder wieder Lucienne Renaudin Varys Trompeteneinerlei (diesmal beschuht) anhand ‚Les filles de Cadix‘ von Léo Delibes, die Zukunft der klassischen Musik darf das nicht sein. Da drängt sich mir selbst bei einer wohlwollenden Würdigung der mir nicht bekannten Gründe der Juryentscheidungen und der Organisation (Auswahl der Musik) der Spruch „Warum gut gemeint häufig das Gegenteil von gut gemacht ist“ auf.
Fotos: Opus Klassik
Dr. Ingobert Waltenberger