Christoph Marti, Jörn Felix Alt, Tobias Bonn u.a. Foto: Copyright Iko Freese / drama-berlin.de
Berlin/ Komische Oper: „ROXY UND IHR WUNDERTEAM“ von Paul Abraham, Premiere 31. 05. 2019
Heute Abend um 21:00 Uhr geht das Champions-League-Finale Tottenham Hotspur gegen Liverpool in Madrid über die Bühne, gibt’s aber für ferne Fußballfans nur im Bezahlt-TV. Die großartig gelungene „Generalprobe“ war jedoch live am 31. Mai in der Komischen Oper Berlin zu erleben.
Ob es aber in der Spanischen Hauptstadt auch nur annähernd so lustig wird wie bei dieser Operetten-Premiere, ist die Frage. Zwar sind im Haus an der Behrenstraße Spaß und Spannung auch nicht ganz umsonst, doch für die Ticketpreise würden vermutlich nicht einmal die Balljungen arbeiten.
Außerdem lassen sich soviel Lachen und Zwischenbeifall eh nicht mit Geld bezahlen. In Madrid kann zuletzt nur eine Mannschaft mitsamt ihren Fans lachen. Bei Paul Abrahams Fußball-Operette „ROXY UND IHR WUNDERTEAM“, ein Unikat von 1937, können sich alle amüsieren und tun es ausgiebig. Dafür sorgt das bewährte Team Kai Tietje (Dirigent) und Regisseur Stefan Huber. Auch die teils ironischen Texte der Librettisten Alfred Grünwald und Hans Weigel passen, zumal sich die hiesige Mann-Frauschaft als bestens trainiert erweist.
Allerdings geht es in Paul Abrahams Stück nicht nur um den Fußball. Das zeigt der ursprünglichen Titel „3:1 für die Liebe“, mit dem das Werk 1936 in Budapest uraufgeführt wurde. Die deutschsprachige Erstaufführung fand 1937 unter dem jetzigen Namen in Wien statt, sogar im Beisein der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft.
In Berlin startet das Stück mit einer nachgestellten live-Sendung. Emotionsgeladen schildert der Radioreporter (Mathias Schlung), was sich im Londoner Stadion abspielt. Seine Stimme überschlägt sich, als der ungarische Mittelstürmer und Mannschaftskapitän Gjurka Karoly das Siegestor schießt. Mit dem Pokal unterm Arm stürmen die Glücklichen in ihre Kabine, einige reißen sich die dunkelroten Trikots vom Leib.
Ausgiebiges Feiern verbietet jedoch sogleich der elegante Vereinspräsident Baron Szalmary, verkörpert von Christoph Späth. Die Jungs sollen für die von den Engländern verlangte Revanche topfit bleiben. Saufen und Sex verbietet er und schickt die Mannschaft gleich weg in ein abgelegenes Schloss am Plattensee.
Mannschaftskapitän und Mittelstürmer Gjurka Karoly (Tobias Bonn), unterstützt diese Order, doch die anderen maulen. Der Baron drückt dem Kassen- und Torwart Jani Hatschek (Jörn Felix Alt) noch eine satte Summe in die Hand, damit die Mannschaft am Plattensee nicht darben muss.
Mürrisches Kofferpacken, nur Gjurka Karoly hat noch nicht seine Klamotten beisammen. Da rauscht plötzlich eine Dame im Brautkleid in die Kabine (Kostüme: Heike Seidler). Gerade ist sie – Roxy – aus dem Hochzeitssaal geflüchtet, wollte ihrem Bräutigam doch nicht das Ja-Wort geben. Widerwillig hilft ihr der Mittelstürmer aus dieser Situation. Die Mannschaft ist jedoch von Roxy begeistert und nimmt sie mit auf die Reise zum Plattensee.
Ein Riesenfußball ziert nun die Bühne, auf ihm spielzeugklein und in Schrägfahrt der Orientexpress. Bühnenbildner Stephan Prattes kann sich über sofortigen Beifall freuen. Dann das blumengerahmte Schloss am Plattensee – das reinste Postkartenidyll und schließlich ein halbierter Fußball als Zuschauer-Tribüne. Eine außergewöhnliche Sammlung.
Mit dem Song „Glückliche Reise“, schmissig gespielt vom Orchester des Hauses und mitsamt dem Chor (einstudiert von Jean-Christophe Charron) bestens gesungen, starten die Elf + Eine Richtung Budapest. Mit im Zug, in dem der Zollbeamte dem Kassenwart das undeklarierte Geld abnimmt, sitzen aber auch die Verfolger: Roxys Onkel, der Gurken- und Ketchup-König Sam Cheswick (Uwe Schönbeck) im Schottenrock, und ihr albern weinerlicher Verlobter Bobby Wilkins (Joannes Dunz).
Die Fußballer wimmeln die beiden zunächst trickreich ab, und dann geht ohnehin alles bald drunter und drüber. Denn Roxy und der Mittelstürmer sind die „Geschwister Pfister“, das Dream-Team Christoph Marti und Tobias Bonn, die – zusammen mit (Andreja Schneider – schon „Clivia“ und „Heute Nacht oder nie“ zum Erfolg geführt haben.
Zwischen Roxy und dem Fußballkapitän hatte es sofort „gefunkt“, doch er glaubt nicht an Märchen und hält stets Abstand. Solch eine Frau aus reichem Haus kann er sich gar nicht leisten.
Willst du glücklich sein, lass dich nicht auf die Liebe ein“, lautet der dazu passende Song. Das bedeutet viel Herz und Schmerz zwischen den beiden, bis schließlich alle – und nicht nur die zwei – richtig ins Tor treffen. Per saldo „Freistoß’“ für alle.
Dafür sorgen auch elf plötzlich eintreffende Schülerinnen, die im Schloss-Seitenflügel von Fräulein Schneider, der resoluten Pensionsleiterin (Andreja Schneider), fürs künftige Hausfrauenleben ausgebildet werden. Sport und Handarbeiten stehen auf dem Programm.
Angesichts des Fußballteams verstehen die Mädels darunter aber bald etwas anderes. Also wird gefeiert, prima gesungen, gewirbelt und gesteppt (Choreographie: Danny Costello). Beim fetzigen Black-Fox explodieren sie. Im Mittelpunkt der Mann für alles, der charmante Jörn Felix Alt, ein perfekter Schauspieler, Tänzer und Sänger.
Deutliche Sympathien beim Publikum gewinnt auch Uwe Schönbeck aus Bern, der Liebling des dortigen Theaters. Der gibt hier den typisch sparsamen Schotten, betont auch, dass Kinder viel Geld kosten. „Mensch sei sparsam“, singt der Junggeselle nach der Melodie von „It’s the last rose of summer“ und gibt den Rat: „Seid sparsam mit eurem Beifall, wahre Kunst sieht anders aus.“
Doch daran hält sich das Publikum überhaupt nicht, denn das Lustige – hier mit satirischen Anspielungen – hinzukriegen, ist ebenfalls hohe Kunst. Selbst er vergisst seine Prinzipien, will die resolute Lehrerin heiraten und sich mit ihrer Hilfe nun kostspielig vermehren.
Selbstverständlich schießt beim Rückspiel der so unter Liebeskummer leidende Mittelstürmer erneut das Siegestor. Alles weitere erledigt Roxy. Zuletzt haben alle in ihr Tor getroffen, die elf knackigen Fußballer und die elf flotten Mädels.
Ursula Wiegand
Weitere Aufführungen am 07., 13., 15., 19. und 27. Juni und dann wieder im August, September und Oktober.