Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BERLIN/ Komische Oper: MOSES UND ARON von Arnold Schönberg

29.04.2015 | Allgemein, Oper

Berlin/ Komische Oper: „MOSES UND ARON“ von Arnold Schönberg, 28.04.2015

6Berg Nebo, Erinnerung an Moses
Berg Nebo: Erinnerungen an Moses. Foto: Ursula Wiegand

 Gerade bin ich aus Jordanien zurückgekehrt, habe auf dem Berg Nebo gestanden, von dem Moses – wie im Alten Testament berichtet – einst das Gelobte Land erblickte, das Gott seinem auserwählten Volk Israel versprochen hatte. Ein Land der Verheißung, wo Milch und Honig fließt, eine ersehnte Labung nach dem überaus anstrengenden Marsch durch die Wüste. Moses selbst hat sein Volk nicht mehr dorthin geführt. Er starb auf dem Berg Nebo, doch sein Grab wurde nie gefunden. Ein neuerer Gedenkstein und ein bronzener Mosesstab, umwunden von einer Schlange, erinnern an ihn.

6Berg Nebo, der Mosesstab
Berg Nebo: Der Mosesstab. Foto: Ursula Wiegand

Arnold Schönberg (1874-1951) hat aus dieser Geschichte eine Oper in 2 Akten geformt, die erst am 6. Juni 1957, also nach seinem Tod, in Zürich szenisch uraufgeführt wurde. Auch das Libretto stammt von dem in Wien geborenen und aufgewachsenen jüdischen Komponisten. Es spiegelt die Diskussionen, Bestrebungen und Zweifel wider, die seit Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die 1930’er Jahre über Wien hinaus in ganz Europa an der Tagesordnung waren, beeinflusst durch die Werke von Sigmund Freud und Theodor Herzl, den Begründer des modernen politischen Zionismus.

Als Schönberg 1925 an die Preußische Akademie der Künste in Berlin berufen wird, ist „Moses und Aron“ noch nicht fertig und wird es nie. Den ursprünglich geplanten 3. Akt hat er nicht mehr komponiert. Dennoch gilt diese Oper als sein opus magnum und wirkt nun in der Komischen Oper, inszeniert von Barry Kosky, durchaus komplett. Mit rund 200 Mitwirkenden und nach mehr als 100 (!) Musikproben ist es für das kleinste der Berliner Häuser ebenfalls zum opus magnum und zu einem weiteren Erfolg geworden.

Wegen der Jordanienreise erlebe ich die 3. Vorstellung und bin, um es gleich zu sagen, bald vollauf begeistert. Denn von all’ den Anstrengungen, auch was die knifflige Partitur betrifft, ist rein gar nichts zu bemerken. Alle singen und spielen, als würden sie täglich solch einen spröden „Brocken“ bewältigen. Auch das Publikum lässt sich von Schönbergs Zwölftonmusik keineswegs irritieren, denn die wird vom Orchester der Komischen Oper, diesmal unter der versierten Leitung des jungen Dirigenten Vladimir Jurowski, sehr gekonnt aufgefächert.

Ausschlaggebend ist jedoch, wie Kosky dieses recht sperrige und gedankensatte Stück in Szene gesetzt hat, und wie alle seine Intentionen mit spürbarer Dreingabe verwirklichen. Er hält sich an den märchenhaft wirkenden Kern der biblischen Vorkommnisse, erachtet sowohl Moses als auch Aron als Magier und malt das gesamte Geschehen höchst aufwändig und fantasievoll aus.

Moses mit Bart, Anzug und Zylinder (Kostüme: Klaus Bruns) liegt anfangs auf der Bühne und wickelt sich langsam aus einem Orientteppich. Dann zaubert er mit seinem Stab Feuer aus dem „Dornbusch“, hat zuvor – laut Kosky – auch die Plagen über Ägypten herbeigeführt, die den Pharao veranlasst haben, das Volk Israel fortziehen zu lassen.

Robert Hayward, Moses, Chorsolisten mit Vocalconsort, Foto Monika Rittershaus
Robert Hayward mit Chorsolisten und Vocalconsort. Foto: Monika Rittershaus

Andererseits fehlt es Moses, dem Denker, an Beredsamkeit, um dem Volk einen unsichtbaren Gott zu erklären und nahe zu bringen. Mit Robert Hayward ist diese Rolle bestens besetzt. Der singt die schwierige Partie nicht nur sehr gut, er kann auch die seltsame Sprachlosigkeit dieses Kopfmenschen erkennbar machen. Oft steht er mit offenem Mund um Worte ringend, und bringt sie nicht über die Zunge.

Als Moses’ Mund agiert vielmehr sein Bruder Aron. Der ist ein Redner und Magier der Sonderklasse und mit John Daszak auch als Sänger ideal besetzt. Einer der weiß, dass das Volk einen abstrakten Gott nicht begreifen kann, und der keine Tricks scheut, um die Menschen zu gewinnen.

Mit erstauntem „Ah“ und „Oh“ wird das simple Aufblinken eines Lämpchens quittiert, mit Schreckensrufen der Trick, eine Schlange aus Moses’ Mund baumeln zu lassen. Aron verwandelt auch Wasser zu Blut und umgekehrt, um das Volk zu überzeugen.

Denn das spielt hier die Hauptrolle und ist die Sensation dieser Aufführung. Grandios verkörpert wird es von den Chorsolisten des Hauses plus Kinderchor, verstärkt durch Vocalconsort Berlin.

Nach den erwähnten mehr als 100 Proben sind alle musikalisch so sicher, dass sie das Volk auch eindringlich spielen können, diese wankelmütige und streitsüchtige Menge, die lieber die fassbaren ägyptischen Götter behalten als einen neuen unsichtbaren Gott erhalten will.

Mittendrin im Chorgeschehen einzelne Sängerinnen und Sänger mit ihren Rollen, so Tom Erik Lie als Ephraimit, Jens Larsen als Priester und die Damen Julia Giebel, Sheida Damghani und Zoe Kissa als 4 nackte Jungfrauen.

Denn schließlich sind wir bei Barry Kosky in der Komischen Oper, und die eigene lustvolle Deutung der biblischen Schilderung lässt er sich nicht nehmen. Das vorher unzufriedene Volk, das während Moses’ langer Abwesenheit wieder Götter zum Anfassen haben will, freut sich – dank Arons Verständnis – nun an Goldketten, die von Hand zu Hand gehen. Es hopst aber nicht um ein Goldenes Kalb. Stattdessen tanzt eine gülden gewandete und sparsam bekleidete Schöne durch die Menge, bald begleitet von drei attraktiven jungen Tänzern. (Choreographie „Goldenes Kalb“ von Hakan T. Aslan).

Eine Orgie entwickelt sich, die Choristen tanzen und vergnügen sich mit Stoffpuppen, die schließlich auf einem Berg angehäuft werden. Auf diesen Berg der Entsorgten kommt Moses endlich zurück, trägt Gottes Gesetzestafeln eingebrannt auf seinem Körper, will vor Wut und Enttäuschung Harakiri machen.

Doch wieder ist Aron der Anwalt der Vernunft und handelt dem Moses schließlich doch noch eine volksnahe Lösung dieser Glaubensvermittlung ab. Moses resigniert. Das Stück endet leise ausklingend mit seinem Seufzer: „O Wort, du Wort, das mir fehlt!“

Danach heftiger Beifall in dem bis in den 2. Rang hinein fast voll besetzten Haus. Die Chöre, einstudiert von David Cavelius, werden besonders gefeiert und haben es auch besonders verdient. Hingehen!
Ursula Wiegand

Weitere Termine: 02. und 10. Mai sowie am 07. Juli

 

 

Diese Seite drucken