Berlin, Komische Oper: Monteverdi: POPPEA am 21.10.2012
Oberflächlich
Kontrovers, zumeist jedoch zustimmend wird die in großer Gewaltanstrengung unternommene Trilogie der Monteverdi-Opern an der Komischen Oper in Berlin aufgenommen. Nicht immer werden die Werke im Trippel aufgeführt, so ist an diesem Sonntag nur POPPEA zu sehen. Als neuer Hausherr führt BARRY KOSKY die Regie, nicht zu ersten Mal an diesem Haus. Er hatte schon unter der Homoki-Zeit viel inszeniert.
Poppea ist ein Spiel um Ehrgeiz, Herrschsucht und Karriere, das Kosky in eine wüste Bühne mit allerlei illusteren Komparsen verlegt. Zwar gelingt ihm, die Dekadenz der neronisch-römischen Zeit drastisch zu bebildern, aber er verfehlt dabei alle Raffinesse und Delikatesse, die das Monteverdische Stück so einzigartig machen. Plump und sehr, sehr tuntig schmonzetten Transvestiten und Drag-Queens beliebig über die Bühne. Aber auch die Protagonisten werden teilweise in ihrem Kostüm so denunziert (Kostüme: KATRIN LEA TAG und KATHARINA TASCH), dass die im Werk vorhandene Komik nur als Platitude daherhinkt und die Sänger kaum Gelegenheit haben, ehrliche Charaktere zu formen. Auf- und Abtritte werden zur Nummernrevue, innere Konflikte zu äußerlichen Sportaktionen. Da darf eine Vergewaltigung, die aber möglichst komisch sein soll, nicht fehlen, auch der obligatorische Nackte (diesmal Seneca ) endlos an der Rampe nicht.
Wenn aber diese Mittel inflationär eingesetzt werden, stellt sich eine seltsam anmutende Biederkeit ein, die nicht schockt, sondern langweilt. Jedes FKK-Schwimmbad bietet da für Neugierige Spannenderes.
Wer bitte hat diese deutsche Übersetzung zugelassen ? Die eigenwillige Instrumentierung von ELENA KATS-CHERNIN birgt leider keine Überraschungen. Allein der zu vorsichtige Einsatz einer E-Gitarre und eines Banjos rechtfertig nicht, sich als Mitkomponist beifügen zu lassen. Und wenn die Rezitative dann erstens holpern, weil sie ins Deutsche übertragen werden, – was legitim und traditionsgemäß an der Komischen Oper ist-, sondern zweitens auch noch die deutsche Sprache derart falsch betonen und unsinnig modernisiert sind, dann ist diese vorgestellte Fassung eine Verschlimmbesserung des Originals.
Musiziert wird leider auch genauso eintönig vom Orchester der Komischen Oper unter der akademisch – blutarmen Leitung von ANDRE DE RIDDER. Kaum ein überraschender Impuls, keine Agogik in den rezitativischen Teilen, dazu der fragwürdige, weil viel zu zaghafte Instrumentierungsansatz: monotoner hat man Monteverdi selten gehört.
Blieben noch die Sänger: Zwei Mezzosopranistinnen können sich deutlich profilieren: HELENE SCHNEIDERMAN als intensiv leidende Octavia und THERESA KRONTHALER jugendlicher Otho. Die eine mit schlank-hohem Timbre und großer Konzentrationsfähigkeit, die andere mit erdiger- dunkler Stimmgebung und feurigem Elan.
BRIGITTE GELLER gefällt als Poppea mit lyrisch-weichem Sopran, ohne allerdings der große Magnet des Stückes werden zu können. Vielleicht ist ihr Umfeld einfach zu schrill. ROGER SMEETS scheint endgültig ins Heldentenorfach gewechselt zu haben. Die Stimme hat viel hellen Sitz und ausreichend Höhe dafür, ist jedoch für Barock zu unbeweglich und starr. JENS LARSEN punktet mit eigenwillig gefärbtem Bass und Kontemplation als Seneca. THOMAS MICHAEL ALLEN singt seine Arnalta sicher, muss aber masslos aufgesetzt outrieren, während TOM ERIK LIE die billige Faschingsnummer als andere Amme geben soll. Man freut sich herzlich über PETER RENZ als omnipräsenten, aber bescheidenen Amor. Die anderen Rollen und der spärlich eingebaute Chor sind adäquat und solide besetzt.
Wer auf Event und eine Crazy-Show aus ist, für den ist diese Poppea genau das Richtige, und so versammelt sich auch eine zahlreiche Party- und Szenegemeinde Berlins, um ordentlich Fun zu haben. Sie werden leider die wahre Klasse dieser Oper nicht kennenlernen können, denn diese liegt unter all der Schminke und dem Rouge, dass Kosky geschmacklos dick aufgelegt hat, vergraben.
So wirkt gerade diese Aufführung extrem gestrig und oberflächlich.
Damian Kern