Berlin/ Komische Oper: junge Künstler mit Mozarts „REQUIEM“ , 03.05.2013
Henrik Nánási. Foto: Komische Oper Berlin
Zahllose Legenden ranken sich um Mozarts „Requiem d-Moll KV 626“, sein allerletztes Werk, das er nicht mehr selbst vollenden konnte und auf diese Weise zu seiner eigenen Totenmesse wurde. Bekanntlich ranken sich schon um die Entstehung seit Jahrhunderten diverse Mythen.
Ein anonymer Auftraggeber habe, so hieß es, einen geheimnisvollen „grauer Boten“ geschickt. War es vielleicht der Tod selbst? Noch auf dem Sterbebett habe Wolfgang Amadeus daran gearbeitet, bis ihm beim „Lacrymosa“ der Tod die Feder aus der Hand genommen habe. Eine mehrfach verfilmte Szene.
Wie nun Ulrich Lenz im Konzertführer der Komischen Oper ausführt, haben die Forschungen inzwischen Licht ins Dunkel gebracht. Der Auftraggeber war Franz Graf von Walsegg-Stuppach, der das Werk für seine zuvor verstorbene Frau orderte. In der Tat anonym, das jedoch, weil er sich selbst als Komponist ausgeben wollte.
Lenz meint überdies, Mozart sei vor seinem Tod von guter Gesundheit gewesen. Der 35Jährige habe vorher zwar an zwei Opern gearbeitet, an „La clemenza di Tito“ und an der „Zauberflöte“, die beide 1791 uraufgeführt wurden. Das sei sicherlich ein immenses Arbeitspensum gewesen, doch nichts hätte auf einen schlechten Gesundheitszustand hingedeutet.
Andere Experten sind gegenteiliger Ansicht, hat doch Mozart selbst den Verdacht geäußert, er sei vergiftet worden. Mediziner halten eine Quecksilbervergiftung für wahrscheinlich, denn mit Quecksilber wurde seinerzeit die Syphilis behandelt. Andere Ärzte haben herausgefunden, dass Mozart schon als Kind an rheumatischem Fieber gelitten hätte. Ein neuer Schub dieser Krankheit könnte das Herz angegriffen und zum Tode geführt haben, eine öfter zu beobachtende Entwicklung.
Hinter dem Abbrechen des „Lacrymosa“, sieht Lenz, rein kompositorische Gründe, denn Mozart habe zweifelsohne die beiden Teile des darauf folgenden Offertoriums in ihrer kompositorischen Anlage noch selbst vollendet. Alles andere habe Franz Xaver Süssmair, Mozarts Schüler und enger Mitarbeiter, getan. Sanctus, Benedictus und Agnus seien Süssmayers Kompositionen, eine vielfach geteilte Meinung. Doch wer immer an der Vollendung des Requiems beteiligt war – er hat Mozarts Intentionen gekannt und den Faden fortgesponnen.
Offenkundig sehen das die Jungen Künstler, die sich diesem Werk mit Können und innerer Beteiligung widmen, ganz ähnlich. Sie spielen und singen das, was es in der Partitur steht und vermeiden süßliche Schlenker.
Also beginnt Generalmusikdirektor Henrik Nánási pointiert und lässt beinahe zackig musizieren. Der Introitus mit der Bitte“ „requiem aeternam dona eis Domine“ wird fast zur Forderung. Beim anschließenden Gotteslob (te decet hymnus Deus in Sion) treibt er mit jugendlichem Schwung das tadellos aufspielende Orchester und den stimmstarken Chor vorwärts. Kraftvoll setzt dieser ein, bietet aber nicht nur beim „dies irae dies illa“ eine überzeugende Leistung, sondern auch in den lyrischen Passagen.
Dass dieses Requiem, umgeben von Titus und Zauberflöte, durchaus opernhafte Züge trägt, wird bald deutlich und ebenso deutlich herausmusiziert. Darüber hinaus zeigen die fugativen Teile, wie sehr sich Mozart in seinen „späten“ Jahren mit Bach und Händel beschäftigte. Das Motiv zum Kyrie hätte er aus einem Händel’schen Oratorium übernommen, schrieb schon 1826 der Musikwissenschaftler Maximilian Stadler. Aber halt nur das Motiv, sei hinzugefügt.
Die Solisten als jugendliches Team verleihen ihrerseits dieser Totenmesse etwas wunderbar Lebensbejahendes. Dramatik und Trauer kommen zwar nicht zu kurz, doch der Tod wirft hier, der melodischen Komposition entsprechend, keine tiefdunklen Schatten. Mozart, seine Mithelfen und die Interpreten lassen keine Schreckensbilder vor unseren Augen entstehen und keine abgrundtiefe Verzweiflung in unsere Ohren dringen.
Innig, mit guter Phrasierung und zarten Spitzentönen gestaltet Maureen McKay den Sopranpart. Karolina Gumos gesellt sich mit warmem Mezzo dazu. Der gebürtige Salzburger Peter Sonn, der Tamino in der umjubelten Zauberflöten-Inszenierung des Hauses, lässt seinen geschmeidigen Tenor glänzen. Gleich beim ersten Ton ist seine Stimme voll da. Alexey Antonov bringt seinen profunden Bass gut ins Spiel, und auch im Quartett fügen sich die Stimmen angenehm zusammen.
Zuletzt, nach kurzem Innehalten, bedanken sich die Zuhörer mit kräftigem Beifall für diese Hommage an Mozart. Sie werden noch mehr Gelegenheit haben, dieses Musikgenie zu feiern. Die Komische Oper unter Intendant Barry Kosky (auch er war unter den Zuhörern) widmet Mozart den Wonnemonat Mai.
Ursula Wiegand