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BERLIN/ Komische Oper: GIULIO CESARE IN EGITTO von G.F.Händel

07.06.2015 | Allgemein, Oper

Berlin/Komische Oper: „GIULIO CESARE IN EGITTO“ von Georg Friedrich Händel, 6.6.2015

Valentina Farcas als Cleopatra, Foto Iko Freese I drama-berlin.de
Valentina Farcas als Cleopatra, Foto Iko Freese l drama-berlin.de

Selbst ein Cäsar, der in seinem Wagemut alle Feinde überrollt und bis nach Ägypten vorstößt, braucht seine Zeit. Auch die schöne Cleopatra, die nun in der Komischen Oper Berlin vom Girlie zur Frau reift, braucht sie und Georg Friedrich Händel sowieso. Nach knapp 4 Stunden inklusive Pause endet sein Meisterwerk „GIULIO CESARE IN EGITTO“ von 1724 im Jubel der Zuhörer. Die Kicker aus Barcelona im Berliner Olympiastadion erspielten sich den begehrten „Pott“ wesentlich schneller. Sie werden von ihren Fans mit ganz anderer Phonstärke bejubelt. Bis in den frühen Morgen. Doch jedem das Seine.

Denn gut Musik-Ding’ will Weile haben, und unter dem Dirigat des Barockspezialisten Konrad Junghänel wird Händels Werk wunderbar lebendig. Gemeinsam mit dem fitten Orchester des Hauses engagiert er sich für Drive und Sentiment. Ein Labsal für die Ohren von Barock-Fans, zumal die Entwicklung der einzelnen Personen hörbar gemacht wird.

Diesen Entwicklungsfaden versucht die junge US-Regisseurin Lydia Steier aufzunehmen, teils mit Sarkasmus und nicht selten nach Art des Hauses. Beim üppig ausgemalten Gelage nach dem Kriegsende (Bühnenbild: Katharina Schlipf) tummeln und fummeln vor allem „Gays“.

Kleopatra hockt zunächst wie abwesend in der Ecke, um sich dann den Avancen ihres jüngeren Bruders Tolomeo (= Ptolemaios) zu erwehren, der ihr die Hände abschleckt und sie gierig bedrängt. Nach Pharaonensitte waren beide seit Kindertagen miteinander verheiratet, doch er ekelt sie an. Dass alle ihre Rollen auch eindrucksvoll spielen, gehört als Positivum zur Art des Hauses.

Valentina Farcas, eine junge, schlanke Frau von Vierzig mit schwarzer Perücke, passt haargenau in diese Rolle. Cleopatra war rd. 21, als sie im Jahr 48 v. Chr. Cäsar begegnete und sich angeblich in einen Teppich gewickelt in sein Gemach schmuggeln ließ. Sie hat den über 50Jährigen sofort verführt. Historisch gesehen, um dem Bruder den Thron zu entreißen, den er ihr genommen hatte.

In der hiesigen Version geht es eher um die Liebe auf den ersten Blick zwischen Cäsar und Cleopatra, die sich zunächst als Sklavin Lydia ausgibt. Später, ganz in Gold (Kostüme: Ursula Kudrna) schwebt sie in einer güldenen Prunkkutsche vom Bühnenhimmel dem total faszinierten Cäsar entgegen. Dagegen wirkt sie bei der eigentlichen Verführungsszene – in engen Lederhosen bis übers Knie und schwarzer Corsage – wie eine von der Oranienburger Straße (wo die Mädels die Männer anmachen).

Jedenfalls ist Cleopatra in dieser Inszenierung die Hauptperson und zeichnet nach verhaltenem Beginn das Auf und Ab all’ ihrer Gefühle ausdrucksvoll und mit gelenkiger Kehle überzeugend nach. Ein erstes Highlight wird ihre Verführungsarie „V’adoro, pupille“, gesungen in besagter Prunkkutsche. Auch ihre Trauer und Verlorenheit nach Cäsars vermeintlichem Tod bringt sie später ungemein anrührend, kann danach aber jubeln, als der tot Geglaubte wieder auftaucht. Gelungene Gesangsdarbietungen, die sogleich mit Zwischenapplaus quittiert werden.

Kurz zum Hintergrund: Tolomeo hat den von Cäsar besiegten Pompeo (= Pompeius) enthaupten lassen, um sich mit dieser Tat als Freund Cäsars zu erweisen, was diesen jedoch ebenso entsetzt wie seine Witwe Cornelia und Pompeos Sohn Sesto (Sextus). Der blutige Kopf wird nun zwischen beiden hin- und hergereicht, so dass man/frau lieber wegschaut. Doch gesanglich sind beide – Ezgi Kutlu als Cornelia und die schmale Theresa Kronthaler als Sesto – bestens zu goutieren.

Cornelia wird nun von zwei Männern begehrt: vom Pharao Tolomeo (Anna Bernacka) und Achilla, seinem obersten Befehlshaber, der Cäsar in die Flucht geschlagen hat. Doch Cornelia weigert sich standhaft. Mit Günter Papendell als Achilla, dem Mann für fast alles an der Komischen Oper, ist diese Rolle sehr interessant besetzt. Denn der gibt den Händel-Koloraturen eine eigene, distanziert angeraute Note und erntet dafür sofortige Begeisterung.

 Die Folterungen, die er für Cornelia und ihren Sohn Sesto anordnet, sind weniger begeisternd, werden aber von Ezgi Kutlu und Theresa Kronthaler herzzerreißend gesungen, zwei Mezzo-Sopranistinnen mit ganz unterschiedlichem Timbre. Sesto, anfangs ein ängstliches Jüngelchen, bekommt nun ein Messer in die Hand und sticht wie im Blutrausch auf Achilla ein. Tolomeo hat sich zuvor in seinem Harem an allen Frauen – gülden gewandete Doubles seiner Schwester Cleopatra einschließlich Cornelia – verlustiert und sie dann roh fortgestoßen.

Und der Cesare? Diese Hauptrolle war zu Händels Zeiten mit einem Kastraten besetzt, heutzutage zumeist mit einem versierten Countertenor. Der besitzt zwar eine gelenkige Kehle, kann jedoch das Kernig-Männliche kaum bringen.

An der Komischen Oper hat man sich für den Bariton Dominik Köninger entschieden, der in anderen Rollen mit Stimme und Statur beeindruckt. Die Koloraturen hat er nach eigener Aussage fleißig geübt, doch einem Bariton fehlt halt von Natur aus die in dieser Partie nötige Geschmeidigkeit. Der junge stattliche Sänger – der Cleopatra sofort gefallen muss – kann immer dann seine Meriten zeigen, wenn es hier um Nachdenklich-Lyrisches geht. So – den blutigen Kopf des Pompeo in Händen haltend – beim Sinnieren über die Vergänglichkeit allen Lebens. Die Koloraturen stemmt er eher mit Power, da muss er durch, und diese Leistung wird später mit deutlichem Applaus bedacht.

Ein Happy End gibt es auch, doch kein strahlend nachhaltiges. Cäsar, durch die Ehe mit Cleopatra nun Herrscher über Ägypten, will hier für Roms Ehre agieren. Unbeweglich sitzt er auf einem weißen Plastik-Ross und schaut mit glänzenden Augen in die Ferne. Für die eben noch heiß geliebte Cleopatra bleibt kein Blick. Die hockt wie vergessen am Boden und ahnt nichts Gutes.

Zuletzt starker Beifall für alle Beteiligten, insbesondere für Valentina Farcas und Günter Papendell. Fast-Ovationen für Konrad Junghänel und die Chöre, einstudiert von David Cavelius.

Ursula Wiegand

Weitere Vorstellungen: 11., 14., 27. Juni sowie am 4. und 9. Juli, dann wieder im September und Oktober.

 

 

 

 

 

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