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BERLIN/ Komische Oper: FANTASIO von Jacques Offenbach, konzertante Premiere. Nötig wär’s nicht, nett war’s dennoch.

14.02.2016 | Allgemein, Oper

Berlin/ Komische Oper: FANTASIO“ von Jacques Offenbach, konzertante Premiere. Nötig wär’s nicht, nett war’s dennoch. 13.02.2016

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Fantasio mit Tansel Akzeybek ©Jan Windszus Photographymed

„Auch du, mein Sohn Brutus?“ Ja, nun auch eine nur zweimalige konzertante Aufführung an der Komischen Oper Berlin, die sonst eher für Aufwand und Anreicherungen steht. Französisch gesungen wird außerdem, doch fremdsprachig ist schon länger kein Tabu mehr. Gut so, denn komponiert wird nach der Sprachmelodie. Originales lässt sich – zumindest theoretisch – auch besser singen.

Das Ziel solcher Bemühungen ist diesmal die kaum bekannte Opéra comique „Fantasio“ von Jacques Offenbach. Klar, dass Französisch für die Sängerinnen und Sänger aus vielerlei Ländern zur Herausforderung wird, doch sie schlagen sich wacker. Die möglichst deutliche Artikulation fällt positiv auf, und dass öfter mal ein rollendes „r“ dabei ist, gibt dem ganzen eine nette internationale Note.

Eine besondere Note ist auch der gesamten Oper eigen, greift doch Offenbach höchst versiert und recht ungeniert auf seine musikalischen Vorfahren zurück. Selbstverständlich konnte dieser Geniale auch à la Mozart plus Zeitgenossen komponieren und tut es in diesem Werk nach dem Libretto von Paul de Musset (nach der Komödie von Alfred de Musset).

Für die Zuhörer wird es ein A ha-Erlebnis, verglichen mit Offenbachs bekannten Werken, wie „Orpheus in der Unterwelt“, Die schöne Helena“ oder den unvollendet gebliebenen „Hoffmanns Erzählungen“. Der umtriebige französische Deutsche oder eher deutsche Franzose wollte gefallen und Geld verdienen.

Doch spätestens bei und nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 saß Offenbach zwischen zwei Stühlen, wurde gar von beiden Seiten als Spion verdächtigt. Und „wer zu spät kommt, den betraft das Leben“. Das gilt nicht erst seit Gorbatschow, das bekam schon Offenbach deutlich zu spüren.

Der hatte vor Kriegsbeginn den Text in romantisch-melancholisches Zuckerwasser getaucht. Doch als „Fantasio“ nach zweijähriger Verspätung 1872 uraufgeführt wurde, wollte das Publikum nicht mehr Süßliches, sondern wehrhaft Soldatisches.

Also eilte Jacques nach Wien und bot dort eine angepasste Variante mit neuer Rahmenhandlung und neuer Musik an. Die Titelpartie, die in Paris nach der Abreise des Wunschtenors eine Mezzosopranistin gesungen hatte, sang dort die Soubrette Marie Geistinger (Sopran).

Doch der Erfolg blieb aus. Nach 10 Aufführungen in Paris waren es in Wien nur bescheidene 27. Danach verschwand „Fantasio“ in der Versenkung und wurde erst in jüngster Zeit an einigen deutschen Häusern zaghaft wiederbelebt, nachdem nach akribischer Suche Teile der weit verstreuten Originalpartitur bzw. ihre Abschrift gefunden wurde. Nun bereichert Kosky damit sein „Offenbach-Festival“ vom 10.-17. Februar.

An diesem Abend erleben wir die „Version originelle in der Kritischen Ausgabe der Offenbach Edition Keck“. Warum es in den einzelnen Szenen geht, moderiert amüsant – anstelle einer Übersetzung – Dominique Horwitz. Stolz wird auch darauf hingewiesen, dass nun an der Komischen Oper Offenbachs „Fantasio“ zum ersten Mal so erklingt, „wie es der Komponist ursprünglich beabsichtigt hatte: mit einem Tenor in der Titelpartie.“

Den singt mit angenehm lyrischer, deutlich gereifter Stimme Tansel Akzeybek. Als Tony in der rasanten hiesigen „West Side Story“ ist er gestartet, war dann der Paris in „Die schöne Helena“ und debütierte 2015 bei den Salzburger Osterfestspielen sowie den Bayreuther Festspielen. Wenn das nichts ist!

Er gibt den Studenten, der sich in die Prinzessin Elsbeth verliebt, die ihr Vater, König von Bayern, mit dem Prinzen von Mantua vermählen will, um Frieden zwischen den beiden Ländern zu schaffen. Schon feiert das Volk (die Chöre, einstudiert von David Cavelius), doch Elsbeth will nicht die Frau dieses Typen werden, der sich, als Diener verkleidet, selbst allzu sehr anpreist.

Fantasio, inzwischen in die Rolle des gerade verstorbenen Hofnarren geschlüpft, vereitelt die Hochzeit, indem er dem König die Krone vom Haupt reißt. Er wird in den Kerker geworfen, doch die nun auch in ihn verliebte Elsbeth bringt ihm den Schlüssel zum Garten, so dass er fliehen kann.

Adela Zaharia singt diese Elsbeth und wird zum umjubelten Star des Abends. Eine hochgewachsene schlanke Frau, charmant, mit schönem Gesicht und ebenso schönem, gut geführtem Sopran. Kraftvolle Momente und Koloraturen gelingen ihr ebenfalls. In die muss sich ja jeder verlieben.

Zudem scheint sie nicht unter Lampenfieber zu leiden, singt von Anfang an frei heraus und muss nicht immer gebannt auf die Noten blicken. – Sicher, mit strahlendem Lächeln und wohltönendem Mezzo gefällt an ihrer Seite auch Zoe Kissa, Mitglied des Opernstudios, als Elsbeths Page im figurbetonten Hosenanzug.

Mit kräftigem Bass verleiht Carsten Sabrowski seiner Rolle als Bayernkönig Statur, als Prinz von Mantua imponiert Dominik Köninger. Nicht nur mit seinem klangreichen Bariton. Zusammen mit seinem Adjutanten Marioni (Adrian Strooper!) haucht er durch Gesten und Mimik seiner „Steh-Partie“ etwas Leben ein.

Als Freunde Fantasios gefallen Facio (Johannes Dunz, Tenor), Hartmann (Yakov Strizhak, Bass) und Sparck (Nikola Ivanov, Bariton). Treffsicher sind nach gelungenem Quintett schließlich „alle Neune“ zusammen mit dem Chor und dem Orchester unter der Leitung von Titus Engel bei der Rebellion gegen den König. Allerdings muss Engel dabei energisch mit den Armen rudern, um den galoppierenden Chor zu bändigen. Der Beifall lässt jedenfalls nicht auf sich warten.

Zuletzt wird auch Tansel Akzeybek, der zunächst etwas angespannt wirkte, locker und strahlt seine Elsbeth im Liebesduett richtig an. Ach, wenn sie doch alle gleich von Beginn nicht nur am Notenständer gestanden hätten! Was sicherlich den französischen Texten zuzuschreiben ist.

Für nur 2 Aufführungen alles auswendig zu lernen, ist fast zu viel verlangt. Dennoch sind einige Häuser diesbezüglich schon weiter, lassen mitunter die Interpretinnen und Interpreten ihre Rollen auch etwas spielen, was einige eh tun, und die Herren nicht nur steif in Frack und Fliege auftreten.

Insgesamt, so ist zu merken, wurde gut geprobt, und mit viel Zwischenbeifall wurde allen immer wieder Anerkennung gezollt. Doch lohnt die Wieder- und Neuentdeckung von soviel quasi Altbekannten aus zweiter (Offenbachs) Hand, diese vergangenheitsträchtige Mischung aus Bravour und Schmalz? Kosky selbst scheint Zweifel zu haben, sonst würde er es nicht bei 2 konzertanten Darbietungen belassen.

Das Publikum zeigt sich jedoch von soviel gegenwartsfreier Romantik sehr angetan und steigert sich in einen intensiven Schlussapplaus. Bei Adela Zaharia bedankt es sich mit wohl verdienten Bravos und begeistertem Getrampel.

Fazit: Nötig wär’s nicht, nett war’s dennoch.  

Ursula Wiegand

Zweite und letzte Aufführung am 16. Februar.

 

 

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