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BERLIN/ Komische Oper: DON GIOVANNI – kunterbunt. Premiere

01.12.2014 | Allgemein, Oper

Berlin/Komische Oper:DON GIOVANNI“ kunterbunt. Premiere, 30.11.14

Komische Oper, Don Giovanni, Nicole Chevalier als Donna Elvira, Jens Larsen als Leporello, Foto Monika Rittershaus
Nicole Chevalier als Donna Elvira, Jens Larsen als Leporello, Foto Monika Rittershaus

 Spannung war angesagt vor dieser Premiere, und das wegen Herbert Fritsch. Erstmals inszeniert dieser Theaterregisseur, bekannt geworden durch seine gekonnte, überaus schräge Komik („Die Spanische Fliege“ und „Murmel, Murmel“ an der Berliner Volksbühne), eine Oper und nun gleich Mozarts „Don Giovanni“.

Bürstet er sie gegen den Strich? In Maßen. Er tut das gemäß einer Äußerung in der Berliner Morgenost: „Wenn man das Stück ernst nimmt, ist es super albern. Und ich nehme das Stück sehr ernst.“ Also nimmt er zunächst die Anweisung Mozarts und seines Librettisten Da Ponte ernst: Dramma giocoso.

Das bedeutet bei ihm: bunt, kunterbunt, grimassieren und chargieren. Den Sängerinnen und Sängern der Komischen Oper Berlin, in der Regel schauspielerisch bestens versiert, kommen solche Vorgaben gerade recht.

Mit großem Spaß werfen sie sich in ihre Rollen und geben ihrem Affen so richtig Zucker. Das alles auf der ebenfalls von Herbert Fritsch eingerichteten Bühne mit leicht hin- und herwehenden Spitzenvorhängen im Rhythmus der Musik.

Die ist beim Orchester des Hauses unter der Leitung von Henrik Nánási in guten Händen und bei den von David Cavelius einstudierten Chören in geölten Kehlen. Vor allem die Damen des Chors in ihren farbenfrohen Bauernkleidern mit wippenden Röcken machen auch optisch was her. (Kostüme: Victoria Behr). „Bunt is beautiful“ sozusagen.

Das allein reicht natürlich nicht aus für diese Mozart-Oper mit dem tragischen Ende – ein Lieblingssujet vieler Dramatiker durch die Jahrhunderte. Bis wir dahin kommen, ein Blick auf die Sängerinnen und Sänger.

Den Don Giovanni gibt Günter Papendell, ein schmaler, zu allen Späßen aufgelegter Mann mit kräftigem, wendigem Bariton im clownesken Outfit. Wie ein Adliger wirkt er allerdings nicht, soll er wohl auch nicht. Bar aller Bedenken turnt dieser Strahlemann, der sich bei seiner Tour d’amour  mit einem Dauerlächeln über die gebrochenen Herzen tausender Frauen ebenso hinwegsetzt wie über die Ängste seines Dieners Leporello, durch die unmöblierte Szenerie.

Aber ist dieser Don Giovanni mit seinem Sex-Drall, ganz gleich mit welcher Partnerin, nicht eine überaus lächerliche Figur? Eigentlich ja, und hier besonders, da ihm in dieser Inszenierung das Dämonische fehlt, das ihn ebenfalls anziehend macht. Mit Jens Larsen, dem stattlichen Bassisten des Hauses im schwarzen Rüschen-Clownsgewand, ist der Kontrast-Partner per se gefunden.

Dass aber diese Oper eigentlich nicht zur genussvollen Abendentspannung taugt, wird bei allem Klamauk ebenfalls deutlich. Don Giovanni, der Leporello bekanntlich zwingt, mit ihm den Mantel zu tauschen, nimmt im Grunde genommen dessen Ermordung in Kauf, selbst wenn hier dieser Tausch zunächst in ein skurriles Umhang-Gerangel ausartet.

Und wenn dieser Don Giovanni auf ein in Tüchern eingehülltes Opfer (angeblich Masetto) einprügelt, auf dem herumtrampelt und angetan mit Ohrenschützern auf ihn schießt, dann lässt die in aller Ausführlichkeit gespielte Szene bei mir durchaus Gedanken an die auf den Großstadtstraßen üblichen Prügelattacken, nicht selten mit Todesfolge, aufkommen. In Berlin Gedanken an Jonny K und jetzt deutschlandweit an Tugce A.- Fritsch löst den Schrecken grinsend auf: der Sack entpuppt sich als körperlos.

Doch nicht nur Don Giovannis Verhalten ist nicht von feiner Art. Zu denken gibt auch, wie das hübsche Bauernmädchen Zerlina in Abwesenheit ihres Bräutigams in die Volksmenge gerät und von der hin- und her gestoßen wird.

Und sie selbst – Alma Sadé mit gelenkigem Sopran? Hier liebkost sie zwar ihren von Leporello verprügelten Bräutigam (Philipp Meierhöfer), zelebriert aber eher Peitsche statt Zuckerbrot. Ihr Zukünftiger hat vermutlich nichts zu lachen und gestaltet das auch so.

Den größten Anteil am Zwischenbeifall heimst die rundliche Erika Roos als Donna Anna mit ihrem ebenso gut gerundeten Sopran ein. Ihren von Don Giovanni ermordeten Vater betrauert sie intensiv, aber leicht überdreht und mit deutlichem Augenzwinkern. Dennoch so sehr, dass sie Don Ottavio,  ihren Geliebten, immer wieder zurückweist.

Wer kann ihr das verdenken? Denn der – Adrian Strooper – ist hier noch mehr als sonst ein „Würstchen“, fasst sich wie Hilfe suchend immer wieder in den Schritt, erhält aber für seine „Kantilenen“, gesungen mit weichem Tenor, ebenfalls Zwischenbeifall.

An Temperament und Witz stellt jedoch Nicole Chevalier als Donna Elvira zumindest alle Damen in den Schatten, wird im sonnengelben Kleid mit langer, geübt gebändigter Schleppe und betonten Körperdrehungen beinahe zur Flamenco-Tänzerin. Schließlich hin- und her gerissen zwischen Rachegelüsten und Dennoch-Liebe gelingen ihr perlende Koloraturen.

Alexey Antonov, hoch gewachsen und mit profundem Bass, ist die Idealbesetzung des Hauses für den Komtur. Sein Standbild hat zuvor schon seine rechte Marmorhand verloren, als Don Giovanni sie ihm zynisch schütteln wollte.

Gerade hat sich der Zügellose gierig auf die Speisen und Getränke gestützt, was hier nur mimisch und ganz ohne gedeckten Tisch vonstatten geht. Doch selbst dieser spaßige Don Giovanni hält allen Aufforderungen zur Reue stand, erst gegenüber Donna Elvira, noch mehr gegenüber dem Komtur.

Durch ein Loch, über sich die Marmorhand, versinkt er winkend in der Unterwelt, und aus genau diesem Loch schwebt schließlich Herbert Fritsch nach dem Ende der Aufführung empor. Ein gelungener Gag. Allerdings wird er von Buhs empfangen.

Komische Oper, Don Giovanni, Günter Papendell als Don Giovanni, Alexey Antonov als Komtur, Foto Monika Rittershaus
Günter Papendell als Don Giovanni, Alexey Antonov als Komtur, Foto Monika Rittershaus

Doch bald geben die Protestierenden auf. Der kräftige, anhaltende Applaus zeigt das Einverständnis der Mehrheit. Einigkeit herrscht ohnehin beim Beifall für die Sängerinnen und Sänger, den Dirigenten und das Orchester. Gemessen an den Möglichkeiten des Hauses haben sie ihre Sache gut gemacht.

Diese lustige, teils auch hinterhältige Umdeutung des Don-Giovanni-Klischees ist jedoch Geschmacksache. Mozart und seine Opern sind keineswegs sakrosankt. Ähnelt der hier gezeigte Frauenliebling in mancher Beziehung nicht Mozart selbst, der wohl ungern „was anbrennen“ ließ und dessen Briefe an sein „Bäsle“ vor Obszönitäten nur so wimmeln?        

Ursula Wiegand

Weitere Termine: 6., 14., 17. und 25. Dezember, 11. Jan., 4. und 14. April, 3. und 17. Mai, 23. Juni und 11 Juli, teils mit Zweitbesetzung.

 

 

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