Berlin/ Komische Oper: „COSÌ FAN TUTTE“; Premiere, 03.11.2013
Dominik Köninger, Nicole Chevalier, Theresa Kronthaler, Foto Monika Rittershaus
Den Subtitel „Dramma giocoso“ sollten Liebhaber dieser Mozart-Oper nicht wortwörtlich nehmen, jedenfalls nicht das „giocoso“. Denn was so fröhlich beginnt, nimmt bekanntlich ein recht tragisches Ende. Aus der angeblichen „Schule der Liebenden“ gehen alle als Verlierer oder zumindest als Geschädigte hervor.
Einfach „Schwamm drüber“ und, lebensklug geworden weitermachen wie bisher – diese Aufforderung von Don Alfonso stieße heutzutage eher auf taube Ohren. In der neuen Inszenierung des lettischen Schauspielers und Theatermannes Alvis Hermanis an der Komischen Oper wird das deutlich. Bei ihm steht der zynische Ideengeber dieser Treue-Wette zuletzt recht zerknirscht da, als er merkt, was er angerichtet hat.
Und müsste diese Oper nicht eher „Così fan tutti“ heißen? Schließlich sind es die Männer, die ihre Verlobten zu Testpersonen degradieren und deren Bedürfnis nach Liebe – übrigens ohne Rücksicht auf den Kompagnon als nur „ziemlich beste Freunde“ – voll auskosten? Verstört schaut der eine dem anderen bei der Verführung der eigenen Geliebten zu.
Dominik Köninger, Theresa Kronthaler, Aleš Briscein, Nicole Chevalier, Foto Monika Rittershaus
Dass sich die beiden Frauen, angefeuert durch die mit allen Liebeswassern gewaschene Despina, „rumkriegen“ lassen, macht Hermanis verständlich. Er versetzt das Geschehen zunächst in eine sterile Restaurationswerkstatt (Bühnenbild: Uta Gruber-Ballehr). Alle arbeiten in weißen Kitteln und sind offenbar gefühlsmäßig unterkühlt. Die anfangs ungeschickten Annäherungsversuche der Männer finden bei den beiden ernsten, bebrillten Frauen eher Erstaunen, wecken aber Neugier und Sehnsüchte.
Alvis Hermanis, nach eigener Aussage geschichtsbewusst, führt uns den durch die Verkleidung der Herren verursachten Stimmungswechsel alsbald tatsächlich und nicht ohne Ironie vor Augen. Bis auf Despina, hier als schwangere Putzfrau agierend (Mirka Wagner mit koloratursicherem Mezzo), werden die Paare wie zu Mozarts Zeiten ausstaffiert (Kostüme: Eva Dessecker).
Schon die Rokoko-Gemälde, die von Anfang an die Bühne bevölkern und per Video (Ineta Sipunova) die Erotik jener Epoche detailreich vor Augen führen, haben die Richtung vorgegeben. Und bevor die Verkleidungsszene mit dem Partner-Wechsel beginnt, werden bereits die Bilder auf den Staffeleien ausgetauscht, an denen die Restauratoren-Paare zuvor gearbeitet haben.
Nun beginnt ein turbulentes Drunter und Drüber auf dem Sofa. Die Männer grabschen nach den Frauen, doch die flüchten. Im 2. Akt, der insgesamt mehr hergibt, hantieren die Schwestern mit einem dicken Schlauch, der wohl die Schlange aus dem Paradies darstellen soll.
Dorabella will sich als erste was gönnen und verschwindet mit ihrem Galan in einem Zimmer. Durch dessen Scheiben können wir das Geschehen beobachten. Selbst Fiordiligi, die Konservativere, lässt – wie im Rokokobild auf der Schaukel sitzend – Ferrando gerne unter ihre fliegenden Röcke gucken, bereut aber bald ihren (nicht gezeigten) Fehltritt.
Wie sich das entwickelt und von einem Extrem ins andere kippt, wird überzeugend gespielt und zumeist auch gut gesungen. Den Don Alfonso, Initiator der üblen Wette, gibt Tom Erik Lie mit gebotenem Besserwisser-Zynismus und klangreichem Bariton.
Dem Guglielmo verleiht Dominik Köninger, ebenfalls Bariton, stimmlich und darstellerisch eine gute Figur. Beim Gast Aleš Briscein (Ferrando) wird jedoch der Tenor im Forte einige Male platt und lässt mitunter Intonationstrübungen hören. Wenn er italienisch singt, tritt das weniger zu Tage. (In dieser Aufführung gelegentlich original gesungen).
Am besten gefallen mir die beiden Damen. Die müssen sich jedoch (ebenso wie die Herren) öfter gegen Henrik Nánási durchsetzen, der das Orchester der Komischen Oper eher straff und lebhaft als lyrisch dirigiert.
Die US-Amerikanerin Nicole Chevalier, als Fiordiligi Guglielmos Partnerin, kann sich mit ihrem kräftigen Sopran dennoch überzeugend Gehör verschaffen. Theresa Kronthaler, jung und hübsch, wird mit schlankem Mezzo und Munterkeit dem Namen Dorabella durchaus gerecht.
Dem Beinahe-Heiratsfest folgt der Kater. Die ertappten Frauen wünschen sich (zumindest verbal) inbrünstig singend den Tod (Zwischenbeifall). Die gewonnene Erkenntnis ist für alle eine bittere Medizin, selbst wenn der gemeinsame Schlussgesang, angeführt von Don Alfonso, zu Klugheit und Versöhnung aufruft. Die zuvor heile Welt, an der wohl auch Mozart gezweifelt hat, ist kaputt. Ein Paar stiebt auseinander, das andere arrangiert sich vielleicht.
Zuletzt kräftiger und anhaltender Applaus für alle Sänger, mit einigen Phon mehr für die Damen. Viel Zustimmung auch für Henrik Nánási und das Orchester, einige wenige Buhs fürs Regieteam, die vom Beifall schnell übertönt werden. Insgesamt keine außerordentliche „Così“, aber eine passable, die vermutlich ihren Weg machen wird.
Ursula Wiegand
Weitere Termine: 9. und 15. November, sowie 1., 10., 15. und 19. Dezember, wieder ab Mai 2014 (www.komische-oper-berlin.de )