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BERLIN/ Komische Oper: CLIVIA von Nico Dostal. Premiere

09.03.2014 | KRITIKEN, Oper

Berlin/ Komische Oper: „CLIVIA“, Operette von Nico Dostal, Premiere, 08.03.2014

Quietschbunt und auch drunter und drüber – so geht es zu vor und im Fantasiestaat Boliguay, dem Tatort von Nico Dostals erster Operette „Clivia“, die 1933 in Berlin uraufgeführt wurde. Inzwischen weitgehend vergessen, hat sie Barrie Kosky, Intendant der Komischen Oper Berlin, aus der Versenkung geholt.

Regisseur Stefan Huber macht daraus eine „knackige Kiste“ inmitten einer Pappmaschee-Kulisse, bestückt mit Palmen, Riesenblüten, einem Landgasthof und einem rosaroten Turm mitsamt schöner Dame, zu der die Freier gewandt emporturnen (Bühnenbild: Stephan Prattes).

Dazu wird – „Caramba!“ – mal spanisch-dramatisch gesungen, mal nach Wiener Operettenart geträllert, mal alpin gejodelt und schließlich ein „wonderful girl“ angehimmelt. Das alles ist temporeich, total überdreht und wird so deutlich als „Kitsch as Kitsch can“ geboten, dass das animierte Publikum nicht nur heftigen Zwischenbeifall spendet, sondern auch vor Vergnügen öfter mal gluckst.

Der Clou des Abends ist jedoch die Besetzung der Hauptrollen mit drei in Berlin (und darüber hinaus) heiß geliebten Kabarett-Künstlern. Das sind die „Geschwister Pfister“, also Christoph Marti, Tobias Bonn und Andreja Schneider. Schon vor rund 20 Jahren wollten die Drei gerne die „Clivia“ auf die Kleinkunstbühne – die „Bar jeder Vernunft“ bringen. Jetzt geht ihr Traum in Erfüllung, und das sogar in der Komischen Oper Berlin.

Mit Einsatz und Augenzwinkern verlebendigen sie, meist köstlich übertreibend, die krause Story von einem Filmteam, das in Boliguay drehen möchte. Im Grunde genommen will der Manager, ein Finanzmann aus Chicago (Stefan Kurt), dort mit Hilfe gekaufter Leute den volkstümlichen Revolutionspräsidenten stürzen, um über einen korrupten Nachfolger an die Bodenschätze heranzukommen (Libretto von Charles Amberg und Franz Maregg).

Dem Filmteam wird jedoch die Einreise verweigert und schon rückt eine schneidige Amazonenarmee, befehligt von Yola (Andreja Schneider, bekannt als Fräulein Schneider), in schnittigen blauen Uniformen (Kostüme: Heike Seidler) tanzend und mit Gewehren jonglierend an. Das schmissige Soldatinnenballett erhält sofort Beifall und Bravos (Choreographie: Danny Costello).

Star des Stücks ist die berühmte Schauspielerin Clivia Gray, gespielt von Christoph Marti. Die/der (im Kabarett Ursli Pfister) sieht im weißen Kleid mit lila Falten, ebensolchen Handschuhen und dem Hütchen auf weißer Lockenperücke hinreißend aus, wie ein Double der früheren Filmdiva Jean Harlow. Auch bewegt sich diese Clivia mit solcher Eleganz und legt zusammen mit dem Partner einen solch schwungvollen Walzer aufs Parkett, dass echte Frauen neidisch werden könnten.

Für Martis Baritonstimme hat der Dirigent Kai Tietje die Partie entsprechend transponiert und arrangiert. Hier singt nun ein Vamp mit verführerischer Tiefe und spielt die Rolle bei aller leisen Übertreibung so gekonnt, dass viele wohl bald vergessen, dass ein Mann dahinter steckt. Ein gelungener Verfremdungseffekt.

Diese Clivia soll einen Mann aus Boliguay ehelichen, damit das Filmteam mit ihr zusammen einreisen kann. Der zunächst gar nicht Auserwählte ist ein mitunter die Peitsche schwingender Cowboy namens Juan Damigo, gespielt von Tobias Bonn, dem Toni der Geschwister Pfister. Doch bald funkt es zwischen den Beiden und sie singen: „Mit dir möcht‘ ich durchs Leben wandern“.

Mit dabei und drum herum ist stets Lelio Down, ein Reporter der Chicagoer Times, der alles fotografiert und notiert. Den gibt der stets zu allem Ulk aufgelegte Peter Renz, ein Ensemblemitglied des Hauses. Mit funkelnden blauen Augen umgarnt er alsbald Yola, die Kommandantin der attraktiven Amazonen-Kompanie (und Cousine von Juan Damigo).

Renz punktet auch mit funkelndem Tenor, benutzt allerdings wie die meisten einen Microport. Der kommt insbesondere den Geschwistern Pfister zugute, die keine Gesangskünstler sind, doch ihre Partien auf diese Weise anständig und sehr textverständlich absolvieren.

Dagegen schmettern die von David Cavelius gut trainierten Damen und Herren des Chors ihre Songs ohne solche Hilfsmittel. In gewohnter Hochform musiziert auch das Orchester der Komischen Oper. Auf ansteigender Bühne thront es über so manch opulentem Ballgeschehen.

Ein verrückter Berliner, der Erfinder Gustav Kasulke auf Weltreise, fehlt ebenfalls nicht. Mit einem Mini-Oldtimer rollt er – Christoph Späth – auf die Bühne. Ein Globetrotter mit Pfeffer, Salz und Senf in der Tasche. Das Salz in der Suppe liefert er mit dem Song: „Man muss mal ab und zu verreisen.“ Und dazu gibt’s einen wilden Mix aus Tango, Walzer, Schuhplattler, Stepptanz und Foxtrott, dem damaligen Modetanz.

Zurück zum Liebespaar, das bald in Schwierigkeiten gerät. Denn der vom Finanzmann Potterton geplante Putsch misslingt, das Volk jubelt dem unversehrten Revolutionsführer Juan Olivero zu, und der ist kein anderer als der vermeintliche Cowboy, Clivias Ehemann.

Die Filmcrew wird gefangen genommen, und Juan agiert nun – auch gegenüber Clivia – als der Gestrenge. Allein gelassen ist er jedoch ein Verzweifelter. Für sein Lied „Dass ich mein armes Herz an dich verlor“ erhält er trotz der gepressten hohen Töne starken Zwischenbeifall. Clivia, die nichts von den Umsturzplänen wusste, singt den gleichen Song.

Schließlich kriegen sie sich doch noch – die mondäne Hollywood-Diva und der Che Guevara aus Boliguay genau so wie der rasende Reporter und sein „Wonderful girl“, die militärische Yola.

Genaueres sei hier nicht verraten. Aber die in den kleineren Rollen, die sich als Dolores, weitere Filmteamherren, Gerichtsoffiziere und Gauchos mit ansteckend guter Laune ins turbulente Geschen stürzen, sollen nicht unerwähnt bleiben. Es sind: Josefine Eberlein, Max Gertsch, Marcus Merz, Jan Proporowitz, Volker Herden, Sascha Borris, Máté Gál, Matthias Spenke, Bernhard und Hansky.

Die vom Publikum gefeierten, akrobatisch fitten Tänzerinnen und Tänzer waren Alessandra Bizzarri, Sarah Bowden, Laura Fernandez, Cora Roloff, Mariana Souza, Jane-Lynn Steinbrunn, Lada Wongpeng, Marion Zollinger, Paul Gerritsen, Silvano Marraffa, Daniel Orellana und Daniel Therrien.

Zuletzt überschäumender Applaus und stehende Ovationen für alle Beteiligten, auch fürs Regieteam!

Weitere Termine, schon vor der Premiere weitgehend ausverkauft: 14., 20. und 28. März, 20. und 26. April sowie 23. Juni und 7. Juli

Ursula Wiegand

 

 

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