Berlin/Komische Oper: „ARIZONA LADY“ von Emmerich Kálmán, deutsche Uraufführung, konzertant, 21.12.14
Arizona Lady, Katharine Mehlring als Rancherin, Foto Gunnar Geller
Es ist schon zur lustigen Gewohnheit geworden: kurz vor Weihnachten und nochmals knapp vor Silvester bringt die Komische Oper Berlin eine konzertante Operette. Diesmal ist es „Arizona Lady“ von Emmerich Kálmán, seine letztes Werk dieser Art, von dem er nur noch den Klavierauszug und die Gesangspartien fertig stellen konnte. Sohn Charles hat es nach seinem Tod orchestriert.
Nun aber klingt bei dieser deutschen Uraufführung eine total überarbeitete, satte Orchesterversion von Norbert Biermann durchs ausverkaufte Haus. Die macht diesen Abend – nach den spitzfindigen Worten von Intendant Barry Kosky – zu einer „Uraufführung der Uraufführung“. Auch Yvonne Kálmán, die Tochter des Komponisten, ist gekommen.
Wie in den Vorjahren, ist auch diesmal „konzertant“ in Anführungszeichen zu setzten, sind doch nicht nur die Solisten mit Spaß, Spielwitz und Schwung bei der Sache, sondern auch das auf der Bühne platzierte Orchester der Komischen Oper unter Kai Tietje, der auch mal auf der Mundharmonika bläst. Manche der famosen Instrumentalisten, insbesondere die in der obersten Reihe, drehen sich ab zu, viele wippen im Takt genau wie einige Damen und Herren der Chöre, einstudiert von mit David Cavelius.
Die Story spielt auf der Sunshine Ranch, die Lona Farrell, eine Frau mit ungarischen Wurzeln – mit „Migrationshintergrund“ wie sie sagt, geerbt hat und resolut führt. Die Männer hält sie auf Distanz. Wer sich an sie ranmacht, wird gefeuert. Gerade hat sie den Trainer ihrer störrischen Stute rausgeschmissen. Die ist (angeblich) die Hauptperson, ohne dass wir sie je zu sehen bekommen.
Der smarte Cowboy Roy Dexter, der plötzlich auftaucht, kommt also gerade recht. Mit Arbeit hat er nicht viel im Sinn, aber mit der Stute kommt er sofort klar. Und dass sich Lona und Roy ratzfatz ineinander vergucken, ist auch klar.
Katharine Mehrling, ein perfekter Musical-Star, ist auch als Lona eine Idealbesetzung. Eine Attraktive und Wendige mit prima Stimme in Stiefeln, fransigen Lederhosen und Cowgirlhut.
Die ballert auch mal mit der Pistole, kann jedoch den Neuen nicht beeindrucken. Umso schneller gewinnt der schwarzgelockte Serkan Kaya mit Berlin-Kreuberg-Charme das Publikum. Übrigens auch er ein bereits Vielbeschäftigter, in Berlin als junger Udo Lindenberg in „Hinterm Horizont“ zu erleben.
Die anderen sind „richtige“ Opernsängerinnen und -sänger, so das zweites Paar, das schneller zu Potte kommt: Mirka Wagner mit einem spritzigem Sopran als Nelly Nettleton, die sich den reichen Chester Kingsbury jun. angelt, flott gesungen und gespielt von Michael Pflumm (Tenor).
Jens Larsen, der beliebte Bass des Hauses, muss hier einen rechten Langweiler geben, den Sheriff Harry Sullivan, der es beinahe zum Ehemann der flotten Lona schafft, aber schließlich zu Gunsten des Cowboys auf sie verzichtet und damit – na klar – das Happy End ermöglicht.
Bis es soweit ist, swingt Kálmáns Musik durchs Haus, eine mitreißende Mixtur aus Budapest- und Broadway-Sound mit einer Prise Wien. Kálmán, der 1938 in die USA emigrierte, hatte bereits das Musical „Oklahoma“ im Ohr.
Die Verknüpfung von Wiener Operetten-Traditionen mit US- und Puszta-Klängen sollte ihm zu einem Neustart in Europa verhelfen. Doch er starb noch vor der Aufführung der „Arizona Lady“, und erst Kosky holt ihn in Berlin mit großem Erfolg schon zum dritten Mal aus der Versenkung.
Zwischendurch – vokal bestens vom Lindenquintett Berlin begleitet – gibt’s Betrug und Pech beim Pferderennen, steht Roy einiger Untaten verdächtig in Handschellen da. Auf alle Fälle sind Lona und Roy ebenso störrisch wie die Stute. Er haut ab, sie ist reuig. Ihr ganzes seufzendes Herz legt sie in den Song „Sigh by night“ aus Kálmáns Broadway-Musical „Marinka“. Ein Einschub, von ihr gewünscht und von Kosky gerne genehmigt. Ihr persönlicher Höhepunkt.
Dennoch stiehlt einer allen anderen die Schau: Stefan Sevenich, der auch als Leporello im neuen Don Giovanni des Hauses abräumt. Hier entlockt er als rasant-komische Mexikanische Tänzerin Bonita dem Publikum Lachsalven. Der Mann mit dem kräftigen Bass ist übrigens Dozent für szenischen Unterricht…
Zuletzt strahlen alle, von der neu entdeckten Western-Operette begeistert, um die Wette: die Bejubelten auf der Bühne und das animierte Publikum im Saal.
Nächste und letzte Aufführung am 30. Dezember.
Ursula Wiegand