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BERLIN/ Haus der Berliner Festspiele: JAGDEN UND FORMEN (Zustand 2008) von Sasha Waltz

Berlin/ Haus der Berliner Festspiele: „JAGDEN UND FORMEN“ (Zustand 2008) von Sasha Waltz, 29.11.2014

Sasha Waltz, Ensemble Modern, Jagden und Formen, Foto  Dominik Mentzos
Sasha Waltz, Ensemble Modern, Jagden und Formen, Foto: Dominik Mentzos

Fünf Jahre ist es her, dass Sasha Waltz & Guests zusammen mit dem Ensemble Modern in Berlin ihr musikalisch-choreografisches Projekt „Jagden und Formen“ nach der Musik von Wolfgang Rihm gezeigt haben. In Salzburg war es 2010 zu sehen und erntete Lobeshymnen. Die sind auch bei der hier sehnlich erwarteten Wiederaufnahme voll verdient. Dieses Gemeinschaftswerk in der Regie und Choreografie von Sasha Waltz erweist sich nach wie vor als ein Geniestreich.

Wiederum ist es staunenswert, wie genau und doch eigenständig sich das Tanzgeschehen der Musik anpasst, sie interpretiert, nutzt und gleichzeitig belebt. Rihm nennt sein Oeuvre eine „Werklandschaft“ in unterschiedlichen Stadien, Räumen und Konstellationen. „Das Stück wird weiter wachsen, wie es bis jetzt gewachsen ist, indem es immer neue Zuflüsse in sich vereint,“ so Rihm wörtlich. Auch diese Choreografie wirkt, es wäre sie weiter gewachsen und begeistert in den folgenden 70 Minuten mehr und mehr mit jungen Tänzerinnen und Tänzern und den schon erfahrenen, immer noch perfekten.

Zunächst sehen wir vorne auf der dunklen Bühne zwei, dann vier Tänzerinnen, drei im weißen Kleidchen (Kostüme Beate Borrmann), eine im grauen Hosenanzug, letztere im Verlauf des Abends ein Ausbund von Geschmeidigkeit, Ausdruck und Präsenz.

Anfangs fallen insbesondere die Hand- und Fingerbewegungen auf. Wenn die Tänzer viril und spurtschnell hinzukommen, wird es lebhaft. Bald rennen sie alle über die nun voll beleuchtete Bühne (Licht Martin Hauk). Zwischen ihnen mitunter einer/eine der Instrumentalisten, voll konzentriert trotz des Tobens drum herum. Gegen Schluss der Performance liegen die Musiker furchtlos zwischen den Tanzenden, die gekonnt über sie hinweg springen.

Zum Höhepunkt wird ein langer, facettenreicher Pas de deux, das Mit- und Gegeneinander einer kleinen, biegsamen und dennoch hoch sportlichen Tänzerin und ihres athletischen Partners. Wir sehen faszinierende Variationen des sich Umeinanderdrehens, Umschlingens, Kreiselns und Auflösens – dargeboten mit fast artistischem Können. Atemlos verfolgen die Zuschauer diese ebenso mutige wie berückend schöne Darbietung. Ein Pas de deux des 21. Jahrhunderts mit einer sehr eigenen Eleganz.

Danach wieder Getümmel, alles genau im Rhythmus der Musik, voller Tempo und auch mit Witz, wenn die Männer einander herumschwingen oder auch mal den Frauen in die Arme springen. Eine Frau tanzt sich mit fliegenden Haaren in Rage. Das ist Jagen und Gejagtwerden, gefolgt von erschöpftem Zusammenkauern, während die Musik weiter ihre Netze webt.

Das sind Lebenslust, Angst und Komik in immer neuen Formen und Formationen. (Dramaturgie Yoreme Waltz), getanzt von Jiří Bartovanec, Juan Kruz Diaz de Garaio Esnaola, Luc Dunberry, Edivaldo Ernesto, Gabriel Galindez Cruz, Maya Gomez, Renate Graziadei, Nicola Mascia, Virgis Puodziunas, Zaratiana Randrianantenaina, Mata Sakka, Yael Schnell und Joel Suárez Gómez.

Danach lang anhaltender Jubel sowie Geschrei und Gekiekse von den zahlreichen jungen Zuschauern. Sasha Waltz & Guests können alle begeistern. Dankbar über all’ den Applaus verbeugt sich schließlich auch der unauffällig anwesende Wolfgang Rihm.

Noch einmal heute Abend!

Ursula Wiegand

 

 

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