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BERLIN/ Deutsche Oper: RIGOLETTO – Andrzej Dobber rettet Rigoletto

25.04.2013 | KRITIKEN, Oper

Berlin/ Deutsche Oper: Andrzej Dobber rettet „RIGOLETTO“, 24.04.2013

Nach der von Umbesetzungen geplagten Premiere am 21. April erlebe ich nun die zweite „Rigoletto“-Aufführung und damit einige vorzügliche Gesangsleistungen.

Lucy Crowe
(Gilda), die sich vor 3 Tagen von der jungen Olesya Golovneva (aus Wien) hatte vertreten lassen müssen, ist wieder weitgehend gesund. Sie lässt sich zwar vorsichtshalber ansagen, ist aber wieder gut bei Stimme.  Die hohen Töne setzt sie vorsichtig an, bringt sie jedoch glockenklar und bald auch kraft- und ausdrucksvoll. Je später der Abend, umso mehr schillert und wächst ihr schöner Sopran. Auch darstellerisch überzeugt sie. Mit ihr hat die Deutsche Oper Berlin eine sehr gute Wahl getroffen.
Erwähnenswert ist aber auch die Rücksichtnahme, die der junge Dirigent Pablo Heras-Casado walten lässt. Insbesondere im 2. Akt, als sie – nun allein – manchmal mädchenhaft girrend, schwärmerisch und mit leuchtenden Augen von ihrer Liebe zu Gualtier Maldé (bekanntlich der Deckname des Herzogs von Mantua) singt, trägt er sie zusammen mit dem Orchester der Deutschen Oper Berlin in gemäßigten Tempi auf Händen. Ansonsten bietet er ein schlüssiges, ausgewogenes Dirigat, das zeigt, dass er Giuseppe Verdis Intentionen verstanden hat.

Das hat vor allem Andrzej Dobber als Rigoletto. Der kann mit seinem tadellosen, klangreichen Bariton alles ausdrücken, was Verdi in diese durchaus zwielichtige Person hineingelegt hat: Den gallenbitteren, hier gar nicht so devoten Berufsspaßmacher, seinen Hass auf die Höflinge, seine immense, auch von Selbstmitleid durchtränkte Liebe zu seiner Tochter, seine maßlose Wut auf den Herzog, der sie entehrt hat, plus Mordauftrag an den Killer… Noch vieles ließe sich aufzählen.  Schon wie er sich mehrfach schaudernd an den Fluch des Grafen Monterone (kraftvoll drohend gesungen von Bastiaan Everink) erinnert, lässt aufhorchen. Seine verzweifelte, todtraurige „Trällerarie“ geht auch uns ans Herz. Dobber trägt und rettet den Abend.

Nach der ersten Unterredung zwischen Vater und Tochter (im 1. Akt) erhalten beide Bravos und einen ungewöhnlich starken Zwischenbeifall. Wie dann Rigoletto im 3. Akt seiner Tochter die Untreue des Herzogs krass vor Augen führt und angesichts ihrer Ermordung (beinahe) zusammenbricht – das sind große und großartig gesungene Szenen. „Mein ist die Rache, spricht der Herr“, steht in der Bibel. Das spürt nun dieser Rigoletto.
Figürlich passt der stattliche Dobber allerdings weniger in die Rolle des kleinen Behinderten. Einen Buckel schnallt man ihm glücklicherweise nicht auf den Rücken. Stattdessen muss er anfangs albern in einem glitzernden Hasenoutfit herumhüpfen (Kostüme: Kathrin Plath), darf zuletzt aber als Rache übender Anzugträger agieren. Er wird dann ein echter Herr, der er in dieser Aufführung auch ist. Ihm gegenüber ist der mächtige Herzog nur zweite Wahl.
Leider gilt ist auch für die Gesangsleistung von Eric Fennell, der den zuvor abgesprungenen Teodor Ilincai ersetzt. Der junge schwarzhaarige Sänger sieht hervorragend aus, ist ein echt charmanter Verführer und turnt auch geschickt über die Sitzreihen auf der Bühne. Die sind ein Spiegelbild des Hauses. Eine Idee von Regisseur Jan Bosse und seines Bühnenbildners Stéphane Laimé.

Soll wohl heißen: Ihr alle seid gemeint, doch dieser Aha-Effekt ist erstens nicht neu und zweitens auf Dauer unergiebig. Außerdem engt er den Raum für die Interpreten dermaßen ein, dass sie oft wie anno dunnemal an der Rampe singen müssen und sich kaum raumgreifend bewegen können.
Nur der famose Chor, einstudiert von William Spaulding), kann aus dieser Bestuhlung etwas machen, nutzt sie als feine Feiergesellschaft, als herumlümmelnde und gehässige Höflinge und singt prächtig. Die munter schunkelnden Herren, viele in Paillettenröcken, nehmen womöglich diese wenig operngerechte Inszenierung in ihrer Art auf die Schippe.

Zurück zu Eric Fennell. Der bemüht sich deutlich, doch sein Tenor ist zu klein für den großen Saal. Nach den harschen Premierenkritiken weiß er es sicherlich und forciert auf Kosten von Lyrik und Schmelz. Im Anschluss an seine Sehnsuchtsarie nach der verschwundenen Gilda ertönt zwar ein Bravo (von einem Freund??), doch das löst als Gegenreaktion einen Buhorkan mitten im Stück aus. Eine herbe Bestrafung.
Fast erwartungsgemäß wird nun auch das „La Donna e mobile“, der bekannteste (und in der Verdrehung der Tatsachen völlig unpassende) Hit dieser Oper, eine Enttäuschung. Nichts da von verführerischem Gesang. Doch kann Fennell eigentlich etwas dafür, dass seine Stimme hier überfordert wird?

Dagegen füllt Clémentine Margaines Mezzo in der Doppelrolle Maddalena und Giovanna mühelos das große Haus. Als Hure mit Herz macht sie bella figura und überredet bekanntlich ihren Vater, den Killer Sparafucile, ein Ersatzopfer für den Herzog zu akzeptieren. Mit Albert Pesendorfer, dem bekannten Wagner-Sänger, ist dieser Part bestens besetzt. Mit seinem profunden Bass gehört er ebenfalls zu den Rettern dieser Neuinszenierung.
Ansprechende Leistungen bieten darüber hinaus Seth Carico (auch eine Umbesetzung) als Graf von Ceprano,  Kim-Lilian Strebel (Stipendiatin) als seine Frau, Simon Pauly als Marullo, Marko Mimica als Gerichtsdiener und Annie Rosen (Stipendiatin) als Hofdame.

Zuletzt langer, kräftiger Applaus und Bravos für Lucy Crowe und Andrzej Dobber, Albert Pesendorfer, den Chor und den Dirigenten. Die Buhs für Eric Fennell halten sich nun in Grenzen. Das Publikum gibt sich angesichts seiner Bemühungen großzügig und hat wohl Mitleid mit ihm.  

  Ursula Wiegand
Weitere Termine: 24., 28., 30. April

 

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