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BERLIN/ Deutsche Oper: LA TRAVIATA

04.02.2012 | KRITIKEN, Oper

Berlin, Deutsche Oper: „LA TRAVIATA“ mit jungen Künstlern, 3.2.2012


Marina Rebeka. Foto: Deutsche Oper Berlin

Wie wunderbar, dass inzwischen die meisten jüngeren Opernsängerinnen und –sänger ihre Rollen auch adäquat darstellen und damit kundtun, dass sie sich mit dem Schicksal der verkörperten Personen identifizieren. Sich nur hinzustellen und gut zu singen, ist heutzutage zu wenig und wirkt nicht selten unglaubwürdig. Aus gutem Grund nennt der „Merker“ seine Rubrik Musiktheater!

Und selbst wenn Opernfreunde geneigt sind, bei brillantem Gesang über Körperfülle und Alter hinwegzusehen, so ist es doch erfreulich, wenn diesbezüglich ebenfalls die Relationen  stimmen. Wir sind nun mal in optisch geprägten Zeiten.

An diesem Abend bei „La Traviata“ in der vollbesetzten Deutschen Oper Berlin stimmt so gesehen alles. Der Italiener Vittorio Grigolo (34 Jahre) als Alfredo – der junge Star sei zuerst genannt – und die 31-jährige Lettin Marina Rebeka als Violetta Valéry bilden ein passend  junges, gut aussehendes sowie intensiv spielendes und singendes Paar.

Kundig unterstützt werden sie dabei vom Orchester der Deutschen Oper Berlin unter Stefano Ranzani und dem von William Spaulding akkurat einstudierten Chor. Überdies erleichtern vermutlich ein solch zeitloses Umfeld (Inszenierung Götz Friedrich von 1999) und die kleidsamen Kostüme (Klaus Bruns) die Gesamtleistung. (Es ist sicherlich nicht jedermanns Sache, splitterfasernackt zu singen).

Vittorio Grigolo gibt anfangs, als er sich der Kurtisane Violetta nähert, gekonnt den schüchternen jungen Mann. Öfter fasst er sich vor Aufregung an den Kragen, als sei der ihm zu eng. Eine typische Geste. Später überzeugt er als strahlend-selbstgewisser Liebhaber, dann als rasend Eifersüchtiger und schließlich als von der Reue Gepeinigter. Und stets macht er eine gute Figur.

Das gleich gilt für die aparte Marina Rebeka. Auch kann sie den Wandel von der eleganten, vergnügungssüchtigen  „femme fatale“ zur liebenden Landfrau bestens unter Beweis stellen. Wir zittern mit ihr in ihrem Schmerz, als Alfredos Vater Giorgio Germont dieser Unglücklichen den Verzicht auf den Geliebten abpresst. In der Sterbeszene – zwischen Verzweiflung und dem Aufflackern der letzten Kräfte – rührt sie zu Tränen.

Und das auch mit ihrem großartigen Gesang! Schien ihr Sopran in den ersten Minuten (vermutlich aus Nervosität) noch etwas gepresst, so wird ihre Stimme alsbald immer freier, klarer, nuancenreicher und schöner. Die Höhen trifft sie mühelos, und stets geht ihr zartes Piano ans Herz. Der aufbrandende Beifall des Publikums nach solch intimen Passagen wirkt allerdings sehr unsensibel.

Und wie anders singt sie zuletzt noch einmal das  „è strano…“, ihre Verwunderung über diese seltsame  Liebe zu Alfredo, obwohl er ihr bekanntlich das Geld für ihre „Liebesdienste“ vor die Füße geschleudert hat.

Soviel an lyrischem Wohlklang kann ich auch diesmal in Grigolos Stimme nicht entdecken. Ähnlich wie kürzlich in „La Bohème“ wirkt sein Tenor insbesondere zu Beginn recht hart. An beiden Abenden fehlt ihm der betörende Belcanto. 

Seine Stärke sind vielmehr die dramatischen und aggressiven Stellen, die er zupackend und kraftvoll singt. Die Szenen beim Kartenspiel, der Affront gegenüber Violetta, das Entsetzen über sich selbst und die Verzweiflung bei Violettas Tod gelingen ihm sehr überzeugend.

Gegenüber diesen beiden wirkt Sebastian Catana (Bariton) als Alfredos Vater schauspielerisch recht steif und läuft gesanglich erst mit gewisser Verzögerung zur Hochform auf. – Als rasante Flora gefällt die Stipendiatin Rachel Hauge, während Martina Welschenbach als treue  Dienerin Annina einen (gewohnt) guten Eindruck macht.

Zuletzt stehende Ovationen. Vittorio Grigolo feuert durch seine gewohnten Scherze (unterm Vorhang durchgucken u.ä.) den Beifall an. Doch das Publikum hat genau hingehört: Die stärksten Bravi brausen zurecht der glückstrahlenden Marina Rebeka entgegen. Auch die Besucher kehren glücklich heim.   

Ursula Wiegand

 

 

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