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BERLIN/ Deutsche Oper: EIN MASKENBALL

25.02.2012 | KRITIKEN, Oper

Berlin, Deutsche Oper: „EIN MASKENBALL“, 24.02.2012


Tatjana Serjan, überzeugend als Amelia

Verdi wollen alle, und so ist die Deutsche Oper Berlin bei seinem Melodramma „Ein Maskenball“ voll besetzt. Es ist die letzte Aufführung des Stücks in dieser Spielzeit, und vielleicht fragen sich nicht wenige, ob diese gelungene Götz-Friedrich-Inszenierung von 1993 unter der neuen Intendanz im Repertoire verbleibt.  

Der junge Dirigent Jacques Lacombe setzt gerne Kontraste. Zusammen mit dem Orchester der Deutschen Oper Berlin rüttelt er das Publikum zu Beginn einiger Bilder wie mit einem Donnerschlag auf und verleiht insbesondere den zahlreichen Moll-Passagen eine tragische Tiefe.

Von Anfang an wird so das kommende Unheil spürbar, noch ehe die Wahrsagerin Ulrika – Ewa Wolak mit orgelndem Alt – dem lebenslustigen König Gustav III von Schweden sein baldiges Ende ankündigt. Er lacht darüber.   

Als Gustav wird ein Einspringer tätig, der Bulgare Kamen Chanev, und er lässt staunen. Mit strahlendem Tenor und sauberer Intonation gewinnt der sympathische junge Sänger schnell das Publikum. Ihm ist kein Ton zu extrem, das hohe C muss er nicht stemmen, nur die tieferen Lagen sind verbesserungsfähig.

Auch die schöne Tatjana Serjan als Amelia hat mit den Höhen keine Probleme, doch das sollte – wie schon Domingo vor rd. 30 Jahren in einem Interview mit dem „Stern“ ausführte – keineswegs das wichtigste Kriterium für eine Leistung sein.

Weit mehr zählen ihr inniges Piano und ihre Fähigkeit, Begehren, Reue, Schmerz und Verzweiflung in Stimme und Haltung überzeugend auszudrücken. Schon als Tosca ist sie kürzlich sehr positiv aufgefallen. Hier, im Zwiespalt zwischen tugendhafter Gattin und liebender Frau, ist sie noch besser.

So wird die unheimliche Friedhofsszene (Bühne, Kostüme: Gottfried Pilz und Isabel Ines Glathar) zu einem ersten Höhepunkt. Auch Kamen Chaney als stürmisch um sie werbender König hat dabei große Momente.

Sehr eindrucksvoll dann die häusliche Szene. Bekanntlich hat sie ihr Ehemann Graf René Anckarström beim vermeintlichen Rendez-vous mit Gustav überrascht. Schäumend vor Wut will er die Gefesselte töten. Intensiv fleht Amelia mit anrührendem Gesang um ihr Leben und verteidigt andererseits mutvoll ihre Unschuld.

Großartig setzt nun Dalibor Jenis, ein versierter Verdi-Sänger, seinen wohllautenden Bariton dagegen, und auch schauspielerisch lassen beide das Chaos in ihren Herzen erkennen. Ebenso kann Jenis seine Wandlung vom besten Freund zum Todfein des Königs mit Stimme und Auftreten beglaubigen.

Er schließt sich, wie wir wissen, den Aufrührern an, die den König ohnehin beseitigen wollen. Die werden weitgehend durch den Chor (einstudiert von Thomas Richter) repräsentiert. Ihre Partien hat  Verdi in Fugenform, an Palestrina und Bach anschließend, komponiert. Das kontrapunktische Verschwörermotiv ist bereits in der Ouvertüre zu hören, ebenso König Gustavs Liebesmotiv. Verdi nimmt also Wagners Leitmotive in einfacherer Form voraus.   

Als quirliges Gegenstück mit ebenso quirligen Koloraturen gefällt die Sopranisten Heidi Stober als Page Oscar, der/die all’ der Düsternis helle Lichter aufsetzt, selbst noch zu Beginn des finalen Maskenballs.

Bei dessen Fassung ist Verdi fast zynisch geworden. Ein makaber wirkendes Menuett kennzeichnet den ebenso makabren Wirbel zwischen Leben und Tod, den schließlich alle samt Chor und Orchester prachtvoll ausklingen lassen. Starker Beifall ist der verdiente Lohn.                                

Ursula Wiegand

 

 

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