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BERLIN/ Deutsche Oper: DER LIEBESTRANK

01.05.2014 | KRITIKEN, Oper

Berlin/ Deutsche Oper: „DER LIEBESTRANK“ von Gaetano Donizetti, 30.4.2014

Liebestrank, Dimitri Pittas als Nemorino, Foto Monika Rittershaus
Dimitri Pittas (Nemorino). Foto: Monika Rittershaus

Schon während das Publikum seine Plätze einnimmt, tummelt sich ein buntes Volk auf der ebenso bunten Bühne, möbliert von Noëlle Ginefri. Genauer gesagt steht eine von drei roten Wohnwagen umstellte Wandertheaterbühne, genannt „Teatro Adina“, auf der Bühne der Deutschen Oper Berlin

Aha, Theater auf dem Theater, eine Uralt-Idee, hier wiederbelebt von der Regisseurin Irina Brook, vorab angepriesen als eine, die die „leichtgewichtigeren Stoffe der Opern- und Theaterliteratur virtuos umsetzen kann.“ Dass sich Adina, hier die Chefin der Theatergruppe, auf der Bühne ständig neue schicke Gewänder (Kostüme: Sylvie Martin-Hyszka) überstreift, ist auch nicht gerade neu. Wenn aber unter „virtuos“ quirlig gemeint sein sollte, stimmt das irgendwie. Die jungen, beweglichen Interpreten kommen beim Publikum gut an.  

Schon vorab und während der Ouvertüre machen sie gymnastische Lockerungsübungen, spielen „Ziehe durch, ziehe durch, durch die goldene Brücke“ als wär’s ein Kindergeburtstag. Ein Mann plagt sich vergeblich (und sicherlich absichtlich) mit Pirouetten ab. Eine Choreographie von Martin Buczkó,  der noch vor wenigen Jahren als Solotänzer des Staatsballetts Berlin brillierte und dann das Weite gesucht hat.  

„Seit jeher gilt DER LIEBESTRANK“ – laut Pressetext – „als Sängeroper par excellence – in herkömmlichen Inszenierungen ging das mitunter auf Kosten der Spielfreudigkeit. Für ihre Neuproduktion setzt die Deutsche Oper Berlin nicht auf arrivierte Stars, sondern hat ein Ensemble junger Sänger verpflichtet, die allesamt an der Schwelle zur großen Karriere stehen.“

Ja, spielfreudig und schauspielerisch begabt sind sie, sehen auch alle gut aus. Das ist höchst erfreulich, doch gesanglich bleiben leider viele Wünsche offen, zumal die Sängerinnen und Sänger wenig Animation vom Dirigenten Roberto Rizzi Brignoli erhalten. Das Orchester muss „ebenso singen wie die Akteure auf der Bühne“, so seine Äußerung im Programmheft. So gut oder so schlecht?

Von Donizettis Spritzigkeit und Charme ist unter Brignoli jedenfalls wenig zu vernehmen. Bei seinem betulichen Dirigat kann das Orchester der Deutschen Oper Berlin nicht den gewohnten Glanz entwickeln. Auch die Chöre, einstudiert von Thomas Richter, eilen mitunter dieser entschleunigten Musizierweise voran.

Liebestrank, Nicola Alaimo als Dulcamara, Foto Monika Rittershaus
Nicola Alaimo. Foto: Monika Rittershaus

Nur einer überzeugt mit Verve und Können: Nicola Alaimo in der zugegeben dankbaren Rolle des Quacksalbers Dulcamara. Dessen internationale Karriere hat bereits begonnen. Warum, das wird schnell klar. Hier gibt er die Rampensau und als Schauspieler seinem Affen so richtig Zucker, wird mit seinem dunklen, perfekt geführten Bariton als Einziger seiner Rolle voll gerecht. Wenn dieser rundliche Schelm die Bühne betritt, sind Donizetti und bella Italia da. Der fidele Kraftprotz aus einer Sängerfamilie, der scherzhaft behauptet, er hätte schon in der Wiege gesungen (ein Merker-Interview von 2009), lässt aber auch das unterschwellig Sarkastische dieses Werkes aufscheinen.   

In der „Konversation“ mit diesem Mannsbild bekommt der junge New Yorker Dimitri Pittas als Nemorino – hier ein Straßenfeger – gesanglich mehr Mut. Fabelhaft spielt er den zunächst schüchternen Lover, der nach dem Placebo-Bordeaux in der Blechdose – sozusagen Isoldes Liebestrank – richtig kess wird. Er hat diese Partie schon an der Met gesungen, angeblich mit Erfolg. Hier aber sind bei den Kantilenen die Defizite seines Tenors unüberhörbar. Gut dass sich Adina schon vorher – von plötzlicher Eifersucht geplagt – für ihn entschieden hat. Mit seiner wackeligen „Lacrima-Arie“ hätte er sie garantiert nicht rumgekriegt. Das Publikum applaudiert dennoch.

Liebestrank, Heidi Stober als Adina, Foto Monika Rittershaus
Heidi Stober (Adina). Foto: Monika Rittershaus

Heidi Stober als tatsächlich kokette Adina hat das anspruchsvollste Pensum zu bewältigen und tut es mit Bravour. Ihr gelenkiger Sopran sprudelt in den schnellen Partien recht angenehm. Beim Sehnsuchtsgesang nach dem zunächst verschmähten Nemorino wird sogar  Gefühl deutlich, wenn auch mit einigen Intonationstrübungen. Die lyrischen Passagen werden für fast alle Interpreten zu Minuten der Wahrheit.  

Die Diskrepanz zwischen Erscheinung und Singvermögen fällt bei Simon Pauly als Belcore besonders auf. Der hochgewachsene, sportliche Mann könnte die Idealbesetzung des überheblichen Sergeanten sein. An persönlichem Selbstbewusstsein scheint es ihm auch nicht zu mangeln. Doch sein Bariton gibt wenig her und klingt so kratzig, als hätte er Reißzwecken in der Kehle. Auch der sollte mal Dr. Dulcamara konsultieren.   

Eine lässt jedoch positiv aufhorchen: die blutjunge Alexandra Hutton (Stipendiatin des Förderkreises der Deutschen Oper Berlin) als Gianetta. Leicht und locker strömt ihr klarer Sopran. Prima Figur, prima Stimme – die scheint wirklich das Zeug für eine internationale Karriere zu besitzen. 

Und sonst? Das Publikum, offenbar (und verständlicherweise) angetan von diesem jungen, agilen Sänger-Schauspieler-Team zeigt Wohlwollen, spendet selbst nach misslungenen Soli Zwischenbeifall und bejubelt zuletzt alle samt und sonders. Ein Herr hinter mir ruft ständig „Bravo“. Immerhin erntet Nicola Alaimo die meisten. Nur er hat sie verdient und vielleicht eine Ohrensalbe für mich im Angebot.        Ursula Wiegand

Weitere Vorstellungen am 3., 8. und 10. Mai.        

 

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