Brian Jagde (Fremder) und Sarah Jakubiak (Heliane): Copyright: Monika Rittershaus
Berlin/ Deutsche Oper: „DAS WUNDER DER HELIANE“ von Erich Wolfgang Korngold, ein Rausch von Leben und Liebe, Premiere, 18.03. 2018
Lachen, lieben und das Leben genießen – wie wunderbar! Doch im Reich des ungenannten Herrschers ist all’ das streng verboten. Wer lacht, kommt in den Kerker. Ein namenloser Fremder, der Lebensfreude in dieses von Angst geprägte Land gebracht hat und dem die Menschen zujubeln, wurde aufgegriffen und wartet nun auf das Todesurteil. Sein Gefängnis, ein großer, dunkelbraun getäfelter Raum, dient bald darauf als Gerichtssaal (Bühne: Johannes Leiacker).
Warum er, der dem Volk nur Gutes getan hat, sterben soll, ist ihm unerklärlich. Doch der Himmel ist dieser Lichtgestalt per saldo gnädig und wird ihm eine Gleichgesinnte schicken. Bei noch geschlossenem Vorhang sind schon engelsgleiche Stimmen zu hören.
Bald wird die Musik markanter. Aus den wenig aggressiven Dissonanzen entwickeln sich schöne Melodien. Nun schwelgt das Orchester der Deutschen Oper Berlin unter der Leitung von Marc Albrecht in Korngolds weitschweifigem, spätromantischem Wohlklang. Mord und Selbstmord bleiben zwar nicht aus, doch Blutlachen hat Regisseur Christof Loy diesmal (anders als bei „Edward II“) dankenswerterweise vermieden. Vielleicht liegt das auch am poetischen Libretto von Hans Müller-Einigen nach „Die Heilige“ von Hans Kaltneker.
Diese „Heilige“ ist die Gemahlin des brutalen Herrschers, heißt Heliane und hat damit als einzige Person einen Namen. Damit erhält auch die Liebe einen Namen. „Wer hin sich schenkt, der hat sich überwunden“, lautet das Motto.
Mit imponierender Verve und gleißendem Sopran gestaltet Sara Jakubiak diese anspruchsvolle Rolle in der rd. dreistündigen Oper, die immer wieder in sinnlich-rauschhaftes Pathos gerät. Korngold hat sie sein „Meisterwerk“ genannt. Als der jüdische Komponist in der Nazizeit nach Amerika floh und die Aufführung seiner Werke verboten wurde, geriet jedoch dieses zunächst erfolgreiche Musiktheaterstück in Vergessenheit. Jetzt wird es in der Deutschen Oper Berlin ebenso erfolgreich wiederbelebt.
In einem weißen, einer Hochzeitsrobe ähnlichem Gewand betritt Heliane wie ein lichter Engel das Gefängnis, in dem der adrette fremde Anzugträger auf das Urteil wartet (Kostüme: Barbara Drosihn). Der Pförtner (Derek Welton) hatte ihm zuvor, als letzte Gnade vor dem Tod, die Fesseln abgenommen.
Völlig fasziniert von dieser Frau bittet der sie der Fremde, die Haare herabzulassen und ihre nackten Füße küssen zu dürfen. Sie tut es, und zeigt sich auf seinen Wunsch hin danach sogar völlig nackt (und kann sich das figürlich auch leisten). Bei der Uraufführung des Werkes am 7. Oktober 1927 an der Hamburgischen Staatsoper geriet das noch zum Skandal. Doch so intensiv er – der junge amerikanische Tenor Brian Jagde – sie auch bittet und bedrängt, verweigert die Keusche, sich ihm ganz hinzugeben.
Ab dem 2. Akt wird die Musik zunächst etwas schriller und insgesamt noch wesentlich rauschhafter und lauter. Auch das Licht gehört laut Korngold zum Geschehen (Olaf Winter). Der Herrscher, der das Todesurteil der sechs Richter unterschrieben hatte, kommt jedoch zurück und erbittet von dem Fremden das Liebesrezept, womit der seine Frau betört habe.
Sarah Jakubiak (Heliane), Josef Wagner (Herrscher). Copyright: Monika Rittershaus
Stets hat Heliane ihn, ihren Gatten, zurückgewiesen, noch nie hat er gewagt sie zu berühren. Für einen Kuss von ihr hätte er, so gesteht er, sein ganzes Reich verschenkt. Der Österreicher Josef Wagner mit nuancenreichem Bassbariton singt und spielt die zwischen Härte und unerwiderter Liebe angesiedelte Rolle großartig und voll glaubhaft. Zu den Höhenpunkten dieses Aktes gehört auch die Arie der Heliane, in der sie mit rätselhaften Sprachwendungen zwar ihre Liebe zu dem Fremden bekennt, gleichzeitig aber ihre Unschuld betont.
Fabelhaft agieren und singen auch die Chöre, einstudiert von Jeremy Bines. Sie schwanken quasi zwischen Hosianna und „Kreuzige ihn/sie“ für die beiden angeblichen Ehebrecher. Auf Ehebruch steht in diesem Reich der Tod. Die Botin (Okka von der Damerau), die einst mit dem Herrscher ins Bett gegangen ist, stachelt ihn zur Härte an.
Doch der blinde Schwertrichter, Helianes Vater (Burkhard Ulrich), erlaubt den beiden noch eine letzte private Unterredung. Sie soll ihn erdrosseln, fordert der Fremde im Sinnesrausch. Als sie das trotz aller Küsse ablehnt, ersticht sich der so Lebensfrohe mit Helianes Dolch, um die Geliebte zu retten.
Der dritte Akt kommt zum Kern der Geschichte. Wenn Heliane wirklich rein geblieben sei, müsse und solle sie den Toten wieder zum Leben erwecken, fordert die wild wogende Volksmenge (der Chor). Zuvor hatte ein junger Mann (Gideon Poppe!) berichtet, dass der Zuspruch von Heliane sein todkrankes Kind geheilt habe. Der Herrscher, der sie noch immer liebt, will sie jedoch zu sich zurückholen. Das eine und das andere verweigert sie und bekennt stattdessen ihre innige (unkörperliche) Liebe zu dem Fremden.
Und nun geschieht tatsächlich das Wunder. Er steht vom Totenbett auf und jubelt. Sein anfangs etwas knarziger Tenor blüht dabei kraftvoll und tonreich auf. Brausend begleitet die Musik diese überbordenden Leidenschaften, dieses Miteinander von Eros und Thanatos, von Liebes- und Todesgier. Verzweifelt hockt der Herrscher am Rande, um sich dann voller Eifersucht auf Heliane zu stürzen und sie zu erdolchen. Sie erhebt sich wieder, und das Liebespaar schreitet bei Musikkaskaden vondannen und sicherlich in den herbeigesehnten gemeinsamen Tod. Glorreich beenden sie damit dieses unerwartete Musik- und Sänger/innen-Fest.
Neben den Hauptpersonen überzeugten auch die sechs Richter Andrew Dickinson, Dean Murphy, Thomas Florio, Clemens Bieber, Philipp Jekal und Stephen Bronk. Die zwei seraphischen Stimmen lieferten Sandra Hamaoui und Meechot Marrero.
Zuletzt braust auch der lang anhaltende Publikumsjubel auf, gemischt mit Bravos für Sara Jakubiak. Gefeiert werden zu Recht alle, auch das Regie-Team. Dass einige Wenige immer meinen, auch an glanzvollen Abend geschwind ein Buh rufen zu müssen, ist deren Problem.
Ursula Wiegand
Weitere Termine: 22. und 30. März sowie 01. und 06. April