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BERLIN/ Berliner Ensemble: MACBETH von Heiner Müller nach Shakespeare

29.11.2018 | Allgemein, Theater


Sasha Nathan als Macbeth. Copyright: Matthias Horn

Berlin / Berliner Ensemble:MACBETH“ von Heiner Müller nach Shakespeare, 29.11.2018

 

Es ist nicht der Theaternebel, der mich im Berliner Ensemble ständig durchs Fernglas schauen lässt. Irgendwelches Mobiliar oder eine unheilvoll wirkende Landschaft sind ohnehin nicht zu entdecken. Olaf Altmanns Bühne ist total karg und nur mit Holzbrettern ausgelegt. Die Personen schälen sich aus Schottlands Novemberdunst und lassen beim Näherkommen, blutbeschmiert wie sie sind, nur Böses erahnen.

Stattdessen lohnt es sich, immer wieder das Gesicht von Sasha Nathan zu studieren,  der den Macbeth spielt. Spielen ist anfangs jedoch kaum zutreffend. Eher tapert er umher, zufrieden mit der Weissagung der Hexen, dass er König von Schottland sein werde.

Bekanntlich ist es die Lady – Constanze Becker mit tiefschwarz umrandeten Augen und extra kaltem Gesichtsausdruck – die den Zögernden zum Mord an König Duncan animiert, damit die Prophezeiung tatsächlich in Erfüllung geht. Macbeth soll König werden und sie die Königin.

Mit absichtlich blödem Gesichtsausdruck, den Kopf mit dem schief geöffnetem Mund zur Seite neigend – hört er sich ihr Drängen an, scheint erst gar nicht zu kapieren, was er tun soll. Dieser gut genährte Phlegmatiker, den Hausregisseur Michael Thalheimer für die Hauptrolle gewählt hat, wirkt zunächst wie ein Anti-Macbeth, der zum Töten tragen werden muss.

Und es ist seine Frau, die den verräterischen Dolch zu dem bestialisch Ermordeten zurückträgt, damit der Verdacht nicht auf Macbeth fällt. Später genießt er dann mit strahlender Miene das weitere Morden. Eine Darsteller-Wahl mit Hintersinn, hat doch an diesem Abend nicht Shakespeare allein das Sagen, sondern auch Heiner Müller.

Eigentlich ist stets Vorsicht geboten, wenn es „nach“ heißt. So auch bei dieser Premiere. Müller nutzt den bekannten tiefdunklen Stoff, um ihn noch schwärzer und widerlicher einzufärben. Und Thalheimer, ein Fan von Theaterblut, nutzt seinerseits die Chance, alle von Anfang an rot zu besudeln, selbst wenn noch gar nichts passiert ist. Blut an den Händen, Blut im Gesicht, Blut am Körper, wie die gelegentlich nackte Kathrin Wehlisch, die auch mal als Mörder fungiert. Schon die Hexen beißen anfangs in rohes rotes Fleisch.

Heiner Müller hatte mit dieser drastischen Macbeth-Variante von 1972 seinem Nihilismus gefrönt, hat das ganze Stück nur auf das Thema Machtgewinn und Machterhalt um jeden Preis gepolt. Die Reue, die den völlig verstörten Macbeth nach dem Königsmord ergreift, hat Heiner Müller kaum interessiert. Das passte ihm offenbar nicht ins Bild.

Andererseits schlug Müllers Herz fürs Proletariat. Daher hat er in das Shakespeare-Drama auch unterdrückte, aufständische  Bauern eingefügt. Thalheimer belässt es bei einem, der schlimm gemartert wird. Sein Schreien hallt durch den Saal, Bert Wrede lässt dazu die Bässe wummern.

Bald lässt Macbeth sogar seinen Freund Banquo ermorden, da dessen Sippe nach der Hexen-Prophezeiung ihn vom Thron stürzen wird. Das will Macbeth unbedingt verhindern. Seine Schergen entmannen ihn sogar. Wimmernd liegt er – Tilo Nest – am Boden. Mit letzter Kraft klammert er sich an Macbeth, windet sich um ihn. Beide tanzen eine Art Todesballett miteinander. Eine sonderbare, sehr eindringliche Szene.

Glaubhaft und heftig gestaltet Nathan nun die Wahnsinnsanfälle von Macbeth beim anschließenden Krönungsdinner. Die Lady, gülden gewandet (Kostüme: Nehle Balkhausen), beruhigt die nicht vorhandene Gästeschar. Denn es bleibt während des ganzen Stückes bei zwei Schauspielerinnen – Constanze Becker und Kathrin Wehlisch – sowie bei vier Schauspielern – Sasha Nathan, Tilo Nest, Ingo Hülsmann und Niklas Kohrt, die in unterschiedliche Männer- und Frauenrollen schlüpfen. Vielleicht mit der Absicht, sie alle als zutiefst Böse und Blutgierige zu zeigen.

Ganz kurz gehalten ist die Wahnsinnsszene der Lady. Nur beiläufig werden ihr vergebliches Händewaschen und ihr Tod erwähnt, der Macbeth übrigens gar nicht interessiert. „Schottland ist meine Braut“, hatte er ihr schon vorher an den Kopf geworfen.

Er selbst wird nicht niedergemetzelt, sondern von Macduff, der nach König Duncans Tod nach England geflohen war, mustergültig erwürgt. Das erledigt Ingo Hülsmann und wendet, so scheint es, richtig Kraft auf, damit dem Macbeth die Augen hervorquellen.

„Mein Tod wird die Welt nicht besser machen“, äußert der noch, und Thalheimer nimmt ihn beim Wort: Dem jungen Sohn von Banquo, der einst bei der Ermordung seines Vaters hatte fliehen können, strömt schon beim Aufsetzung der Krone dunkelrotes Blut aus dem Mund. Fragt sich nur, ist es sein eigenes oder das der anderen, das er auch bald vergießen wird.

Shakespeare war optimistischer und sah in dem neuen jungen König den Retter für Schottland. Thalheimer jedoch feiert in rd. 105 pausenlosen Minuten lieber Heiner Müllers abgrundtiefen Pessimismus. Das könnte zusammen mit dem Dauerblutbad gehörig abstumpfen, wären da nicht die Gesichter und Gesten der Interpreten, vor allem das Mienenspiel von Sasha Nathan.

Der Beifall ist kräftig und gilt der Schauspiel-Leistung und auch dem Regieteam. Die zahlreichen jungen Leute kieksen und schreien vor Begeisterung. Für die ist das wohl eher ein Krimi ohne tiefere Bedeutung. Gut so.  

Ursula Wiegand

Weitere Termine: 03., 06. und 26.12.

 

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