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Beppo Beyerl: DIE BÖSEN BUBEN VON WIEN

25.10.2022 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

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Beppo Beyerl:
DIE BÖSEN BUBEN VON WIEN
GAUNER, STRIZZIS & HALLODRIS
240 Seiten, Styria, 2022

Wie der Autor Beppo Beyerl (Selbstverortung: Zentralmeidlinger) schon im Vorwort vermerkt, pflegen die Wiener bei dem Begriff „böse Buben“ nachsichtig zu lächeln. Und die „Bösen“ sind ja auch im Theater immer die besseren Rollen. Dennoch kommt das Thema hier trotz eines angenehm lockeren Schreibstils, der Fakten und Kommentar vermengt, keinesfalls nur harmlos auf den Leser zu.

Unter den  ausgewählten Herren vom 18. Jahrhundert bis heute waren auch Schwerverbrecher. Aber das Buch lockt mit dem „Untertitel Gauner, Strizzis und Hallodris“, und viele von ihnen waren nicht nur Schlitzohren, sondern auch tatsächlich schillernde Persönlichkeiten. Sie decken Sozial- und Lokalgeschichte ab und haben Krimi-Hautgout. Auf jeden Fall ist der Unterhaltungswert des Buches, das 17 Porträts umfasst, gesichert.

Das Spektrum der Verfehlungen ist weit. Im glitzernden 18. Jahrhundert herrschen so verdächtige Figuren vor wie der Erfinder einer „Schachmaschine“ (die sogar Napoleon wütend machte) oder Geldfälscher (der auch eine vergrabene Leiche in seinem Haus hatte, wie man beim Abriß herausfand), und eigentlich fehlt da Franz Anton Mesmer, denn sein Magnetismus war ja auch Betrügerei.

Etwas später gibt es das erste Gewaltverbrechen – die prominentesten Namen des Buches gehören Herren, denen man schon ganze Bücher gewidmet hat oder die aus einem besonderen Grund besonders bekannt wurden wie Severin von Jaroszynski.  Der angebliche  „polnische Graf“, war als Liebhaber der Schauspielerin Therese Krones stadtbekannt – und wurde als Mörder am Wienerberg zum Gaudium der Bevölkerung öffentlich gehenkt. Er hatte aus niedrigsten Motiven (Geldnot, weil er beim Kartenspiel verloren hatte) seinen alten Lehrer brutal getötet.

„Nur“ ein Betrüger in Geldgeschäften war jener aus Triest stammende Camillo Castgilioni, dessen Name bei Theaterfreunden immer noch mit dankbarer Sentimentalität verbunden ist. Schließlich hat er Max Reinhardt die Rettung des Josefstädter Theaters finanziert, da ohne die Sanierung dieses wunderbare Altwiener Vorstadttheater glatt abgebrochen worden wäre… Und ob man Imre Bekessy als „schweren Jungen“  bezeichnen kann, sei dahingestellt – als „bösen Buben“ betrachtete nicht zuletzt Karl Kraus diesen Ungarn, der in Wien mit seinen „Revolverblättern“ der Zeitungsszene einen modernen-unseriösen Schub verlieh. Kraus hat damals die Funktion der Sozialen Medien übernommen, indem er seine Popularität nützte, bei jeder Gelegenheit lautstark „Hinaus aus Wien mit dem Schuft!“ zu fordern. Wollte man alle unseriösen Zeitungsleute expedieren, wie viele blieben noch übrig?

Der Autor führt die Galerie seiner zwielichtigen Gestalten bis in die Gegenwart, wobei er bei Udo Proksch eigentlich nur dessen schräges Leben schildert, aber auf das Verbrechen, das ihn lebenslang hinter Gitter brachte, kaum eingeht. Etwas seltsam findet man die Haltung von Beppo Beyerl gegenüber Rainer Maria Warchalowsky, der 1965 als Siebzehnjähriger beispiellos brutal seine Eltern und seinen Bruder ermordete. Das war der österreichischen Justiz gerade 15 Jahre wert, dann durfte er unter neuem Nehmen ein neues Leben beginnen – und der Autor wünscht ihm das Allerbeste…

Sicher, Beyerl will nicht moralisieren, aber dem Leser steigt doch das eine oder andere sauer auf. Da ist es einem doch lieber, wenn jemand wie der „Pumgun-Ronny“, Bankräuber und Langstreckenläufer, der die Polizei immer austrickste, dann, als sie ihn tatsächlich erwischten, sich eine Kugel in den Kopf jagte. Im Kriminalroman ist man ja auch zufrieden, wenn die wirklich Bösen für ihre Taten bezahlen…

Alles in allem: ein farbiges Panorama, dass wieder einmal aussagt, dass die kriminelle Energie zu den ganz starken Kräften zählt, die die Menschen beherrschen.

Renate Wagner

 

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