Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BAYREUTHER FESTSPIELE: TRISTAN UND ISOLDE – Eröffnungs-Premiere.  Antiquitäten-„Tristan“…

BAYREUTHER FESTSPIELE: TRISTAN UND ISOLDE – Premiere am 25. Juli 2024

 Antiquitäten-„Tristan“…

triste1
Andreas Schager, Olafur Sigurdarson. Copyright: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Nach dem sehr gelungenen „Interims“-„Tristan“ von Roland Schwab, den die Bayreuther Festspiele relativ kurzfristig als fast chorloses Stück in der Pandemie einschoben, um ihn bei möglichen Corona-Attacken auf den Chor alternativ spielen zu können, war manchem unklar, dass nach nur zwei Jahren eine weitere Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“ stattfinden sollte. Die Verträge mit dem isländischen Regisseur und Bayreuth-Debutanten Thorleifur Örn Arnarsson waren allerdings schon länger vorher geschlossen. Umso gespannter war man nun, was da an einer möglichen neuen Lesart der „Handlung in drei Aufzügen“ kommen würde, und man wurde doch zu großen Teilen enttäuscht.

Örn Arnasson mit Bühnenbildner Vytautas Narbutas, Kostümbildnerin Sibylle Wallum, dem Licht von Sascha Zauner mit dramaturgischer Unterstützung von Andri Hardmeier stellt vor allem auf die Vergangenheit von Tristan und Isolde ab, auf ihre Vorgeschichte, die sich vor langer langer Zeit bereits einmal in einem kurzen glücklichen Momente kennen und damals schon lieben gelernt hätten, bzw. tatsächlich haben. „Er sah mir in die Augen…“ wird somit zum Keyword der Produktion, aus der Erzählung Isoldes an Brangäne aus dem 1. Aufzug über ihr erstes Zusammentreffen mit Tristan. Daraus folgt nun eine Optik und Dramaturgie, die stark rückwärtsgewandt ist.

triter
Copyright: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Während im 1. Aufzug noch bisweilen recht langweiliges Stehtheater auf der Bayreuther Riesenbühne geboten wird, mit durchaus schlüssigen Assoziationen auf eine Schiffsüberfahrt mit dicken Tauen von der Decke, Bühnennebel und Wasserspielen, so blickt man im 2. Aufzug in einen verrosteten Schiffstorso mit einer Unzahl an Kulturelementen und -assoziationen fast jeder Art, ein regelrechtes Antiquitäten-Panoptikum. Da ist von alten Marmorstatuen aus der Römerzeit über dicke Bücher, Spiegel, Zahnräder, Lampen, Koffer und was immer man in alten und umsatzschwachen Antiquitäten-Läden so findet, dabei. Die beiden Protagonisten und später auch Marke wuseln nun in diesem Szenario herum, ohne dass man immer klar erkennen könnte, wo sie grade sind, zumal Leuchten im Schiffsrumpf Gegenlicht erzeugen. Die Rolle der drei Protagonisten wird damit eher heruntergefahren, als dass sie hervorgehoben wird, wie das Roland Schwab in seiner Inszenierung gemacht hatte und Örn Arnasson ja auch will. Die Handlung verflacht, meist singen Tristan und Isolde weit voneinander entfernt – sich nicht ansehend  – vor sich hin. Personenregie, höchst bedeutsam in diesem unübersichtlichen Umfeld, ist eher Mangelware. Was gemacht wird, machen offensichtlich die Künstler weitgehend mit ihrer Erfahrung selbst. Das hatten wir schon im „Ring“ von Tankred Dorst.

Im 3. Aufzug ist der Schiffsrumpf auf kleine Teile geschrumpft. Tristan siecht auf einem nun zusammengeräumten Haufen von Antiquitäten vor sich hin, in den auch Kurwenal und Marke steigen müssen. Das an sich gute Regie-Konzept, auf die Vergangenheit der beide Liebenden und damit ihre Vorgeschichte abzustellen, versandet und bleibt gar unklar in der zu plakativen Darstellung von Vergangenheit symbolisierenden Antiquitäten – eine „dramaturgische Vergangenheitsbewältigung“ findet also nicht statt… Als das Regieteam relativ spät vor den grauen Schlussvorhang trat, gab es einen veritablen Buhsturm und stark abnehmenden Applaus. Einer wollte schnell die Sänger hinzuholen, was aber eine lange Weile dauerte…

tris1
Applaus nach Akt 1. Copyright: Klaus Billand

 Camilla Nylund sang und spielte einen einnehmende Isolde mit ihrem farbigen lyrisch-dramatischen Sopran. Sie steckt zunächst in einem Brautkleid, das sie fast bewegungsunfähig erscheinen lässt, voll mit Schriftzügen zu ihrem Schicksal als kommende Braut Markes und ewige Geliebte Tristans. Andreas Schager spielte und sang einen depressiven Tristan mit seinem gewohnt intensiven Charisma, alles gebend, was er hat, auch stimmlich, und das ist viel! Dennoch verfiel er ab der zweiten Strophe des 3. Aufzug wieder in zu lautes Singen, um es diplomatisch zu sagen, was kleinere Einbrüche derselben im Finale zur Folge hatte. Dennoch, er gab eine äußerst packende und einnehmende Interpretation des Tristan. Günther Groissböck sang einen enttäuschten Marke mit seinem klangvollen Bass und berückendem Spiel. Christa Mayer war eine erstklassige Brangäne mit vollem Mezzo und eindrücklicher Rollengestaltung. Olafur Sigurdarson sang den Kurwenal mit kräftiger Stimme, aber etwas holzschnittartig. Birger Radde war ein sängerisch und darstellerisch hervorragender Melot und hat sicher in Bayreuth und anderswo noch Größeres vor. Daniel Jenz als Hirt, Matthew Newlin als Junger Seemann und Lawson Anderson als Steuermann rundeten das Ensemble klangvoll ab.

Semyon Bychkov leitete das Festspielorchester im 1. Aufzug zu zurückhaltend, eher begleitend als Akzente setzend, was dann im 2. Aufzog besser wurde. Insgesamt aber fehlte bei seiner Interpretation eine deutlichere musikalische Sprache und Intensität, wie man sie hier von anderen Dirigenten gewohnt ist – eine Wahrnehmung allerdings aus der 30. Reihe. Der wie immer von Eberhard Friedrich geleitete Festspielchor war gewohnt gut und intensiv.

tris2
Schlussapplaus. Copyright: Klaus Billand

Eines muss man aber hervorheben. Es wird in diesem neuen „Tristan“ das Stück erzählt, es war zu jedem Moment wiederzuerkennen und weit weg von jeglicher regietheatralischer Verfremdung. Dieser „Tristan“ ist somit die erste Inszenierung am Grünen Hügel, neben dem nur pandemisch bedingten „Tristan“ von Roland Schwab, der nicht dem (zum Teil überzogenen) Regietheater zuzuordnen ist, wie zuletzt der „Ring“ von Valentin Schwarz und jener zuvor von Frank Castorf, der „Holländer“, der „Parsifal“, streckenweise auch der „Tannhäuser“. Wird damit am Grünen Hügel eine Phase der Rückkehr zu einem werkbezogeneren Inszenierungsstil, der die originären Ideen und Werkaussagen Richard Wagners wieder mehr in den Mittelpunkt rückt, eingeleitet?! Das wäre insbesondere im Hinblick auf das Jubliäumsjahr 2026 mit einem neuen „Ring“ sehr interessant.

Klaus Billand aus Bayreuth

 

Diese Seite drucken