BAYREUTH / Stream:
DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG von Richard Wagner
Premiere: 25. Juli 2025 (Live Übertragung=
Seltsame Käuze,
diese Bayreuther „Meistersinger“!
Hat man von Regisseur Matthias Davids nach der Erfahrung vieler gelungener Operetten-Inszenierungen zu viel erwartet? Kann gut sein, denn er scheint sich weniger auf seinen Verstand verlassen, als den nötigen Bayreuth-Kotau gemacht zu haben. Und hier herrscht seit Katharina Wagner nun das Regie-Theater, und niemand sollte wagen, eine Geschichte in normalem Rahmen zu erzählen. Wäre wohl auch zu „fad“ für das 21. Jahrhundert, nicht wahr?
Also, zuerst einmal: seltsame Ästhetik, die der Bühnenbildner Andrew D. Edwards sich da ausgedacht hat. Im ersten Akt steht die Kirche als kleines Modell am Ende einer riesigen Treppe (und fällt am Ende um) – auf der Treppe begegnet man sich, bevor sich das Bühnenbild dreht und einen undefinierbaren, dunkel getäfelten „Sitzungssaal“ preisgibt. Noch scheußlicher der zweite Akt mit grellbunten Häusern a la Futurismus, eine Telefonzelle als Bücherschrank. Eine Kunstwelt, in der sicherlich kein Flieder duftet… Im dritten Akt sieht die Schusterwerkstatt wie eine Tischlerei aus, ist außerdem ein seltsamer Rundraum, der sich auf Treppen reduziert, wenn es zu dem fatalen Ende kommt… nun ja, es soll hat ein Fest sein. Was tun? Einen Lichterkranz wie für ein Hollywood-Musical (mit riesiger auf dem Rücken hängender Stoff-Kuh darüber gestülpt) – und hier begibt sich dann auch eine Tanz-Show und ein grenz–alberner Einzug de Meister.
Ein paar Rätsel am Ende – das Herablassen der Kuh, wenn von den „deutschen Meistern“ die Rede ist, dann zieht Sachs sie wieder hoch… und der Nachtwächter kommt auch noch und hält sich die Ohren zu. Optische und vielfach auch szenische Exzentrik von Anfang bis zum Ende als Ersatz für kein Konzept, im Grunde für keine Inszenierung?
Von ähnlicher Häßlichkeit sind die Kostüme. Was ist ein Treffen der Meistersinger eigentlich, dass man sich irgendwelche Tücher überwirft und Karnevalshüte (!) aufsetzt? Wie weit geht Wagner im Veräppeln seiner Figuren? Ist deren konservative Sturheit nicht ernster zu nehmen?
Um bei den Kostümen zu bleiben: Wenn ich die Sängerin des Evchen wäre, würde ich mich weigern, für die beiden ersten Aufzüge in dem rosa-schwarzen Fetzen auf die Bühne zu gehen (aber dann flöge wohl ich aus der Produktion und nicht die Kostümbildnerin Susanne Hubrich). Nun, Stolzing in seinem hellblauen Slacks (ist das darüber ein Holzfällerhemd?) sieht auch nicht besser aus. Geschmacksverirrung – oder heutiger Geschmack, schäbig und billig eben?
Man fragt sich, in welcher Welt der Regisseur diese „Meistersinger“ spielen lässt, was er dazu erzählen will. Hat der beratende Dramaturg Christoph Wagner-Trenkwitz (das ist ja wohl unser Langenlois-Intendant?) hier nivellierend die Hände im Spiel? Glauben er und der Regisseur, wenn sie Eva und Stolzing in heutige Fetzen stecken und sie absolut imbezil agieren lassen, dass dann heutige Menschen daraus werden? Wollen wir überhaupt „heutige Menschen“ in den Wagner-Opern? Ob die beiden aus der Bücher-Telefonzelle wohl je ein Buch mit Niveau „entleihen“? Und sind Jux und Tollerei (zum Beispiel die Lehrbuben, wenn David die Regeln erklärt) hier nicht einfach zu blöd? Aber darüber hinaus ist konzeptionell wenig zu erkennen.
Natürlich kann Matthias Davids Menschenmengen führen, und er kann es auch mit einzelnen Figuren, wobei man Stolzing und Eva außen vor lassen kann. Christina Nilsson als Eva, teilweise als Quietscherpuppe unterwegs, und Michael Spyres als so weit gut, wenn auch nicht begeisternd gesungener Stolzing, müssen – tut mir leid, es zu sagen – einfach Operette und Klamotte spielen.
Georg Zeppenfeld als Sachs (an Stimmkraft dem Pogner spürbar unterlegen, auch hört er sich für diese Rolle zu „trocken“ an) wirkt verkniffen, was vielleicht mit seiner Erscheinung zusammenhängt. Er ist natürlich ein exzellenter Phrasierer, aber in meinen Augen nicht die Persönlichkeit, um die sich alles dreht.
So weit gut (wenn auch an unvergessene Vorbilder nicht heranreichend) ist Michael Nagy als Beckmesser, im dritten Akt schwer lädiert, der Dauerbeleidigte, was keine Kunst ist, die Figur ist einfach zu gut gezeichnet. Es wäre vielmehr ein Kunststück, nichts daraus zu machen.. Jongmin Park klingt als Pogner eindrucksvoll, ist darstellerisch aber steif.
Natürlich hat man sich immer über die Beziehung von David, dem „Lehrbuben“ von Sachs, und Magdalene, Evas „Amme“, gewundert, was mindestens eine Generation zwischen die beiden legt. So, wie Christa Mayer hinter dem sehr präzisen David des Matthias Stier her ist, wird fast sexuelle Belästigung insinuiert…
Sehr interessant die Sensibilität, mit der Dirigent Daniele Gatti ganz ohne Extreme mit der Musik umging, ohne dass man es als farblos betrachten würde. Kein Furor teutonicus, einfach schöne Musik.
Man von Matthias Davids zu viel erwartet. Die „Meistersinger“ sind keine Operette, keine Gegenwartsposse, kein Kölner Karneval, kein Blödsinn, sondern eine tiefe Geschichte im heiteren Gewand. Nein, das war es nicht. Was den Applaus für das Regie-Team betrifft, so schien das Publikum weder begeistert noch ablehnend, freundlich, höflich, so la la. Wie der ganze Abend.
Renate Wagner