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BAYREUTH: PARSIFAL

24.08.2012 | KRITIKEN, Oper

Bayreuth:  PARSIFAL – 22.8.2012


Burkhard Fritz, Deltlef Roth. Foto: Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath

 Philippe Jordan, der heuer erstmals in Bayreuth dirigiert, kennt den Parsifal natürlich seit frühesten Kindheitstagen. Sein Vater, der Dirigent Armin Jordan, hatte die musikalische Einstudierung des Werkes für den berühmten Film von Hans Jürgen Syberberg 1982 übernommen und im Film auch gleich den Amfortas verkörpert, der damals von Wolfgang Schöne gesungen wurde. Der Film wurde seinerzeit zum hundertjährigen Parsifaljubiläum, seit der Uraufführung im Jahre 1882, präsentiert. Interessantes Detail am Rande, über Syberberg und alle an diesem Film Mitwirkenden wurde auf Grund des Skandals, den Syberbergs fünfstündiger Interviewfilm mit Winifred Wagner aus dem Jahre 1975 ausgelöst hatte, ein Hausverbot für Bayreuth verhängt!

Wie dem auch sei, dreißig Jahre später leitet nun der Sohn des mit Hausverbot bedachten, leider allzu früh verstorbenen großen Sängerdirigenten Armin Jordan (1932-2006), diesen Jahrhundertparsifal in der Deutung des in Berlin lebenden norwegischen Regisseurs Stefan Herheim. Als Chefdirigent des Grazer Philharmonischen Orchesters hat Philippe Jordan den Parsifal bereits 2004 geleitet. Und schon damals hat sich ein Markenzeichen seiner Sichtweise des Parsifal manifestiert: die Generalpause, die Wagner im Übrigen ja auch komponiert hat. Und bei Philippe Jordan wird sie zu einem beklemmenden Ereignis, beispielsweise wenn Kundry im 2. Akt schrill aufschreit „und lachte…“. Und anders als sein Vorgänger Daniele Gatti, nimmt der junge Dirigent Jordan Richard Wagners Anweisung zu Beginn des Parsifals „sehr langsam“ und „sehr ausdrucksvoll“ geradezu wörtlich. Er verzichtete auch an diesem heißen Augustabend im völlig ausverkauften Festspielhaus auf dem grünen Hügel weitgehend auf Pathos, dem sich andere namhafte Dirigenten geradezu verpflichtet sehen. In seiner musikalischen Interpretation gedieh das Bühnenweihefestspiel bisweilen zu einem regelrechten Oratorium. Momente starker gefühlsmäßiger Verinnerlichung bettete er so behutsam in Wogen farbenreichen Orchesterklangs.

Kwangchul Youn , der heuer auch als König Marke seinen wunderbar dunklen voluminösen Bass verströmte, hatte mit der gewaltigen Partie des Gurnemanz keinerlei Schwierigkeiten. So mühelos textverständlich erlebt man diese Partie nur selten.

Aber auch Thomas Jesatkos Bass, als Klingsor in Straps und hochhakigen Pumps, verbreitete jene Lässigkeit, die den schillernd bunten Vögeln der Nacht höchst eigen ist. Detlef Roth stattete seinen Amfortas mit eher hellem Bariton als wahrhafte Leidensgestalt aus. Einnehmend erklangen das wunderbare Altsolo von Simone Schröder und der Ehrfurcht gebietende Titurel des brasilianischen Basses Diógenes Randes.

Burkhard Fritz war ein eher lautstarker Titelheld und brachte dennoch genügend Kraft für den finalen „Karfreitagszauber“ in Herheims Deutung als universaler Weltfriede auf. Heuer wurde er bei seinem Sprung vom Balkon auf ein Bett im 2. Akt allerdings von einem Stuntman gedoubelt.

Einziger gesanglicher Wermutstropfen dieser Aufführung war die Kundry der amerikanischen Mezzosopranistin Susan Maclean, bei der sich neben ihrer beständigen Textunverständlichkeit auch eine in der Höhe recht unangenehme Schärfe mit hörbaren Intonationsschwächen und eine gurgelnde Tiefe manifestierte. Dieses Manko, und das muss der Sängerin zu Gute gehalten werden, machte sie aber durch ein äußerst intensives Rollenspiel einigermaßen weg und das Publikum honorierte diese Leistung auch!

Stimmlich verlässlich agierten die beiden Gralsritter Arnold Bezuyen und Christian Tschelebiew, in dieser Inszenierung als Priester und Leibarzt, sowie das Quartett der Knappen Julia Borchert, Ulrike Helzel, Clemens Bieber und Willem Van der Heyden. Die beiden Damen traten im zweiten Akt auch als Klingsors Zaubermädchen, gewandet in typischer Lazarettschwesterntracht des ersten Weltkriegs, ergänzt noch durch Martina Rüping, Carola Guber, Christiane Kohl und Jutta Maria Böhnert, auf.

Der Festspielchor unter der Leitung von Eberhard Friedrich sang äußerst homogen und textverständlich.

Über die Inszenierung von Stefan Herheim wurde bereits umfangreich berichtet, sodass ich an dieser Stelle nur auf zwei Publikationen besonders hinweisen möchte. Zum einen das im Deutschen Kunstverlag Berlin München 2011 erschienene Buch von Antonia Goldhammer „Weißt du, was du sahst?, in dem sich die Autorin in ihrer Doktorarbeit mit Stefan Herheims Bayreuther Parsifal intensiv auseinandersetzt. Zum anderen die Inszenierungsanalyse des Parsifal von Susanne Vill, bereits in 2. aktualisierter Auflage 2011 der Kollin Medien GmbH, 95512 Neudrossenfeld, erschienen.

Die letzte Vorstellung dieses einzigartigen Parsifals, verstanden als Zeitreise von der Uraufführung 1882 bis zur Wiedereröffnung der Bayreuther Festspiele 1951, wird am 28.8. stattfinden, dann verschwindet die Produktion endgültig vom Spielplan. Ab 2016 wird sich dann Jonathan Meese an den Vorgängerproduktionen von Christoph Schlingensief und Stefan Herheim messen müssen. Die Latte ist mit diesem einzigartigen Parsifal jedenfalls sehr hoch angesetzt.

Harald Lacina

 

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